Antonella Cavalleri aus St.Gallen hat sich schwerpunktmässig der Ölmalerie verschrieben. Im Interview erklärt sie, weshalb sie gerne manchmal «lauter» wäre und wieso sie sich einen Grossanlass für Künstler wünscht.
Die Ölmalerei, aber auch Kunst am Bau und Skulpturen oder Druck und Fotografie sind Bestandteil der Arbeit von Antonella Cavalleri (*1962) aus St.Gallen. Diese Sparten pflegt sie seit 2005. Eine nächste Ausstellung findet im November 2018 im Bären «Häggenschwil» statt. Weitere Infos unter: www.acavalleri.ch
Antonella Cavalleri, wann und wie haben Sie die von Ihnen ausgeführte Kunstform für sich entdeckt?
Schon in jungen Jahren zeichnete ich viel und gerne – wählte gezwungenermassen jedoch den Weg der Vernunft setzt den Schwerpunkt in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Ich zeichnete und malte dann jeweils nachts. In meiner gestalterischen Weiterbildung von 2002 bis 2005 vertiefte ich mich dann in die Malerei und die dreidimensionale Gestaltung und fokussierte mich von da an ganz auf meine künstlerische Tätigkeit. Seit 2005 bin ich freischaffende Künstlerin und mit einem kleinen Pensum Dozentin an der Schule für Gestaltung St. Gallen beim Weiterbildungskurs «Gestalterischer Vorbereitungskurs».
Welche Highlights konnten Sie seit dem «Start» für sich verbuchen?
Das waren einige. Beispielsweise die Gruppenausstellung Swiss ART Space in Lausann, eine Einzelausstellung in der Atelier Galerie Oertli, der Verkauf von Bildern und Skulpturen an die Kantonalbank St. Gallen, eine Auftragsarbeit für das Kantonsspital St. Gallen, Kunst am Bau beim Sportclub Brühl im Paul Grüninger Stadion, die Einzelausstellung «Meierlei Geschichten» in Berlin und Kunst am Bau in Steinach mit «Der Spielzug» in der Sportanlage Bleiche.
Trifft Sie Kritik?
Ja und Nein. Einerseits schätze ich kritische Betrachter und diskutiere dann auch gerne über das «Wieso gefällt etwas?» und «Wieso nicht?». Berührt es einem oder ist das Gegenteil der Fall? Eine offene, persönliche Kritik direkt an mich – auf welche ich reagieren kann – finde ich gut. Nicht jeder spricht ja gleichermassen auf eine Arbeit an und dies ist auch gut so. Wichtig ist mir, dass der Kritiker nicht einfach verallgemeinert, sondern genau sagt: «Mir gefällt das oder gefällt das nicht, weil…» Jeder sollte sich selber eine Meinung bilden.
Andererseits entstehen bei mir im Atelier auch Arbeiten, von denen ich weiss, dass sie weniger gefallen. Dies ist für mich noch lange kein Grund, damit aufzuhören. Interessiert mich ein Thema, arbeite ich daran – ob es gefällt oder nicht. Eine Emotion oder Reaktion hervorzurufen – ob positiv oder negativ –, ist ein Kompliment an mein Schaffen.
Kritik aus Neid oder Missgunst kommt ebenfalls vor und verletzt – auch wenn man versucht, dies so gut wie möglich wegzustecken. Es ist halt viel Herzblut im eigenen Schaffen drin.
Messen Sie sich insgeheim mit anderen Künstlern?
Nein, eigentlich nicht. Mich interessieren meine eigenen Themen und Techniken.Manchmal wäre ich lieber etwas «lauter» und selbstsicherer, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen, wie dies andere Kunstschaffende machen – aber aus der eigenen Haut kann man bekanntlich nicht schlüpfen…
Wie viel Persönliches geben Sie mit Ihren Umsetzungen von sich preis?
In den Arbeiten steckt sehr viel Persönliches – viel Leidenschaft, Emotion und Kraft – aber auch Kritik, Humor etc. Auch wenn dies natürlich nicht in jedem Thema gleichermassen ersichtlich ist.
Wie gut ist der Nährboden in der Ostschweiz für die diversen Kunstsparten? Wird genügt Förderung betrieben? Oder allenfalls in gewissen Bereich sogar zu viel?
Ich würde mir Folgendes wünschen: Weniger Sparmassnahmen, eine bessere Förderung und Begleitung von Kunstschaffenden mit Arbeits- und Lebensmittelpunkt im Kanton St.Gallen, mehr Atelier- und Ausstellungsbesuche durch Kulturbeauftragte und Kunsthistoriker und alle paar Jahre eine grosse Ausstellung, an denen nur im Kanton St.Gallen lebende und arbeitende Künstler beteiligt sind.
Ruedi Zwissler, Gestalter SWB, über die Arbeiten von Antonella Cavalleri:
«Wollte man versuchen das vielfältige und umfassende Schaffen von Antonella Cavalleri auf einen Nenner zu bringen, bliebe wohl nur das Prädikat Leidenschaft. Leidenschaft ist es wohl was ihren Werken, ob Skizze, Malerei oder Plastik die expressive Wirkung verleiht. Eine Wirkung die auch die Lust an der künstlerischen Auseinandersetzung offenbart. Dabei wird immer der Anspruch an eine handwerklich gelungene Arbeit und das ernsthafte Suchen nach einer dem jeweiligen Thema adäquaten Form spürbar. Ein breites Repertoire an Techniken, von der virtuosen Schnellskizze über den sicheren Strich mit Bleistift oder Pinsel bis zur subtilen Behandlung von Farbflächen mit sorgfältig gewählten Strukturen und Texturen steht der Künstlerin zur Verfügung.
Die Motive, ob gegenständlich oder abstrakt scheinen immer einen unmittelbaren Bezug zu einem für Antonella (gerade) aktuellen Thema zu haben. Mit den Mitteln ihrer vielgestaltigen Ausdrucksformen wird die Aussagekraft schliesslich verdichtet. Oft lassen die Bilder die jeweilige Verfassung erahnen und auch hier offenbart sich ein breites Spektrum von Stimmungen. Ablesen lassen sich, Sinnlichkeit, Wut, Freude und Sorge immer gepaart mit der Lust an der künstlerischen Auseinander- und Umsetzung.
Bei ihren Bildergeschichten, die baukastenähnlich arrangiert werden können, werden nicht nur die Motive, sondern auch die Darstellungsformen durcheinander gemischt. Der Kontrast zwischen Motiv, Maltechnik und surrealer Darstellung mit monochromer (scheinbarer) Eintönigkeit, erhöht die Empfindung der einzelnen Elemente und der jeweiligen Komposition. Je nach Komposition ergeben sich aus dem Dialog der aneinander gereihten Felder wechselnde Aussagen. Dem Betrachter Fragmente zur Interpretation, zum Gedankenspiel unterbreitet.
Faszinierend bei allen Werken ist die spielerische Leichtigkeit und Frische einerseits und die Bestimmtheit des Strichs beim zeichnen, malen oder drucken andererseits.
In Ihrer Arbeit 'Mensch Meier' verdichtet sich die Vermutung, dass auch in vielen anderen Arbeiten, selbst Unfigürliches immer einer Person oder zumindest einer durch Menschen entstandenen Situation zugedacht sind. Hier erhalten beinahe monochrome Farbflächen durch Dichte oder Transparenz von Farbe, durch zaghafte oder vehemente Pinselführung, durch den flüchtigen und doch präzisen Strich oder konkret gesetzte Farbfläche ihre 'Persönlichkeit'.»
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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