Mit Verweis auf das Home Office in Covid-Zeiten führt die belgische Regierung das Recht auf eine 4-Tage-Woche ein. In der Schweiz lassen die Stimmen jener nicht lange auf sich warten, die Veränderung mit Staatsgewalt erzwingen möchten.
Belgien kennt bislang eine gesetzliche 38-Stunden-Woche für Arbeitnehmende. In den frankophonen Regionen Europas sind starke Gewerkschaften sowie extensive Arbeitszeit- und Wirtschaftsregulierungen kaum etwas Neues. Diese Woche hat die belgische Regierung nun entschieden, dass künftig Arbeitnehmende ein gesetzliches Wahlrecht auf eine 4-Tage-Woche haben sollen.
Mit anderen Worten soll der Mitarbeiter künftig wünschen können, ob er lieber an 5 Tagen ca. 7.5 Stunden arbeitet oder an 4 Tagen deren 9.5. Der Arbeitgeber kann sich der Ausübung des Wahlrechts nur in engen, noch nicht ins letzte Detail klaren Schranken widersetzen. Verkauft wird die neue Regel als „innovativ“ und „flexibilitätsfördernd“. Gerade die Covid-Zeit und das damit verbundene Home Office hätten gezeigt, dass die Arbeitswelt flexibler werden müsse.
Natürlich lassen die ersten staatsgläubigen Stimmen auch in der Schweiz nicht lange auf sich warten. Nationalrätin Samira Marti (SP) fordert – ungeachtet dessen, dass Gewinne auch Arbeit voraussetzen – ein Umdenken auch in der Schweiz, damit Produktivitätsertrag nicht stets an die Kapitalisten fliesst. Und Nationalrätin Regula Rytz (Grüne) kann der belgischen Regelung zwar wenig abgewinnen – aber nur daher, weil in der Schweiz die wöchentliche Arbeitszeit noch „zu hoch“ sei.
In der Tat: Die gesetzliche Höchstarbeitszeit für Angestellte liegt hierzulande, abhängig von Branche und Tätigkeitsbereich, bei 45 bzw. 50 Stunden (Art. 9 Abs. 1 ArG) – und damit noch immer unter der Arbeitslast diverser Selbstständigerwerbender. Von Arbeitszeiten in einem gesundheitsschädlichen Ausmass sind wir also bereits heute meilenweit entfernt.
Trotzdem: „In Covid-Zeiten hat es ja funktioniert. Wir waren alle flexibler und weil es funktioniert hat, kann man dies alles auch für die Zukunft als verbindliche Regel festschreiben.“ So lautet in etwa das Argument derer, die nun eine Anpassung des Rechts an das New Normal fordern. Es ist aber ein nur auf den ersten Blick verlockendes Argument. Denn so wertvoll Innovation und Flexibilität – und diese müsste man begrifflich zunächst auch noch definieren – im Einzelfall auch sind: Sie werden durch staatliche Regulative nie (!) gefördert.
Freiheit und entsprechend damit verbundene Lebensfreude führt zu Kreativität und neuen Ideen – und ganz sicher nicht zentralstaatliche (Arbeits-)Marktlenkung bzw. Wirtschaftsregulierung. Leib und Leben, Freiheit sowie Eigentum als angeborene Rechte jedes Individuums sind vor Verletzungen durch Dritte zu schützen, wofür es auch minimale Infrastruktur braucht – that’s it. Sobald der Staat weitergehende Regulierungen erlässt und vergisst, dass die eigene Freiheit erst bei jener des Nächsten endet, greift er automatisch die Freiheit jedes Einzelnen an. Und dies führt fast immer (!) zu weniger Zufriedenheit, womit auch die Motivation für Produktivität und Innovation sinkt.
Es gilt an Montesquieu zu erinnern, einen der zentralen Vordenker der Aufklärung, der 1748 in seinem Werk „De l‘Esprit des loix“ schrieb: „Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen.“ Von dieser Bescheidenheit und Liebe zur Freiheit könnten sich manche Leute auf dem Politparkett wieder eine Scheibe abschneiden. Wer Freiheit mit der Begründung einschränkt, dass die Mehrheit ohnehin bereits freiwillig etwas macht, erstickt genau jene Innovation, die er (zumindest vordergründig) durch staatlich verordnete Arbeitszeitmodelle fördern will.
Oder noch klarer ausgedrückt: Das Verbot von Mord haben wir nicht im Strafgesetzbuch, weil „einfach“ die Mehrheit keine anderen Leute umbringt – sondern, weil das Recht auf Leben und den eigenen Körper ab Geburt existiert, was jeder Mensch mit einem halbwegs intakten Gewissen als natur- oder gottgegeben anerkennt. Und da auch Freiheit ein angeborenes Recht jedes Menschen ist, darf sie nicht aus politischer Beliebigkeit eingeschränkt werden. Oder möchte ein rot-grüner Vegetarier auch gesetzlich zum Fleischkonsum gezwungen werden, weil bei der Mehrheit Fleisch auf dem Speiseplan steht?
Das letztgenannte Beispiel zeigt plakativ, wie absurd es ist, die subjektive Präferenz eines Büroarbeiters mit Zwang in die gesamte Wirtschaftswelt hineintragen zu wollen. Covid-Home-Office-Effekt hin oder her. Denn sonst ziehen nach Ende des irrationalen Covid-Angstnebels bald wirklich dunkle Wolken auf. Nämlich dann, wenn die Wirtschaft totreguliert ist.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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