Das Märchen «Meister Pfriem» der Gebrüder Grimm erzählt die Geschichte eines Schusters, der ständig alles besser wusste. Er tadelte alles und er hatte immer recht.
Kein Geselle blieb länger als einen Monat bei ihm, denn Meister Pfriem hatte immer etwas auszusetzen. Er war der Inbegriff eines Besserwissers.
Der kurlige Schuhmacher würde in unseren Tagen viele Gleichgesinnte antreffen. Besserwissern begegnet man derzeit überall, vor allem in den sozialen Medien. Sie sind hoch im Kurs und haben die Antworten auf die herausfordernden Fragen unserer Tage schon bevor die Frage überhaupt gestellt ist. Ganz egal, wie sich die allgemeine Lage entwickelt, ganz egal wie ungewiss sie auch sein mag.
Der deutsche Immunbiologe und Aphoristiker Gerhard Uhlenbruck sagt: «Die Steigerung von Unwissenheit ist Besserwisserei.» Ja, Zeiten wie die gegenwärtige sind idealer Brutplatz für Besserwisser.
Gerade jene, die nie Verantwortung übernehmen müssen, aber immer wissen, was richtig wäre, spriessen wie Pilze aus dem Boden.
Doch Besserwisserei ist kein neues Phänomen. Schon der Apostel Paulus hatte in Korinth mit ihnen zu kämpfen. Er warnt davor, dass Erkenntnis oder Einsicht schnell zu Hochmut und Besserwisserei führe und schreibt darum: «Erkenntnis macht aufgeblasen, die Liebe dagegen baut auf.» (1. Kor 8,1b.)
Mir scheint es sinnvoll, der Liebe in unserem gesellschaftlichen Leben etwas mehr Platz zu geben und somit der Besserwisserei die Luft etwas rauszulassen.
Andy Givel ist Pfarradministrator in Gossau
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