Bald wird der Zugang zu amtlichen Informationen und Dokumenten des Bundes in aller Regel kostenlos sein. Dies stärkt das Öffentlichkeitsprinzip – und damit auch die Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger über staatliche Autoritäten.
Nach aller kritischen Berichterstattung zum Sinn und Unsinn staatlichen Handelns aus aktuellem Anlass zu Weihnachten einmal eine frohe Botschaft: Am 19. Januar 2023 wird die Referendumsfrist zu einer Änderung des Öffentlichkeitsgesetzes (BGÖ), welche das Bundesparlament in der diesjährigen Herbstsession beschlossen hat, aller Voraussicht nach unbenutzt ablaufen. Es handelt sich um den klassischen Fall einer überfälligen und unbestrittenen Gesetzesänderung, welche zwar sehr wichtig ist, im Parlament aber lange Zeit niemanden auf den Plan gerufen hat, denn mit hitzigen Diskussionen erreicht man bekanntlich oftmals mehr Aufmerksamkeit als mit harter Knochenarbeit im Dienste des Rechtsstaates. Im Jahre 2016 hat Nationalrätin Edith Graf-Lischer (SP) jedoch eine Lanze gebrochen und eine Parlamentarische Initiative eingereicht, welche von Ratsmitgliedern von ganz links bis ganz rechts mitunterzeichnet wurde. Jener Vorstoss war es auch, welcher zur vorliegend thematisierten BGÖ-Änderung führte. Diese mag auf den ersten Blick unspektakulär wirken, doch ihre Tragweite ist nicht zu unterschätzen. Denn der heutige Art. 17 BGÖ schreibt vor, dass für den Zugang zu amtlichen Dokumenten in der Regel eine Gebühr erhoben wird, es sei denn, die Bearbeitung eines Gesuchs habe einen geringen Aufwand erfordert. Der neue Art. 17 BGÖ, welcher voraussichtlich per Anfang 2024 in Kraft treten wird, besagt hingegen, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten in der Regel kostenlos ist und eine Gebühr nur dann erhoben werden darf, wenn die Bearbeitung eines Gesuchs besonders aufwändig war und die Behörde die betroffene(n) Privatperson(en) zuvor über die Absicht, eine Gebühr zu erheben, sowie deren Höhe informiert hat.
Kurzum: Es handelt sich um eine 180-Grad-Änderung gegenüber dem Status Quo, welche die Information gegenüber der Öffentlichkeit nicht von finanziellen Mitteln abhängig macht. Zur Erinnerung: Gemäss Öffentlichkeitsprinzip kann an sich jede Bürgerin und jeder Bürger an eine Bundesbehörde gelangen sowie die Herausgabe von bzw. Einsicht in amtliche Dokumente verlangen, wobei die Information nur in den Schranken des Gesetzes – insbesondere überwiegende private oder öffentliche Interessen – verweigert werden darf. Der Umstand, dass grundsätzlich jede x-beliebige Privatperson (auf ein politisches Amt oder ähnliches kommt es nicht an) von einer Behörde Informationen herausverlangen kann, stellt einen gewichtigen Aspekt in der Kontrolle staatlichen Handelns durch die Öffentlichkeit dar. Es liegt nun aber auf der Hand, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten in aller Regel im Interesse der Öffentlichkeit und nicht der jeweiligen Privatperson erfolgt, welche ein Einsichtsgesuch stellt. Hohe Gebühren zulasten einer Privatperson für Informationen im Interesse der Öffentlichkeit: Das wirkt oft prohibitiv, denn im Gegensatz z.B. zur MFK beim Strassenverkehrsamt hat die herausverlangte Information für den einzelnen Privaten meist keinen direkten, persönlichen Nutzen. In der Praxis sind es denn auch häufig – aber zum Glück nicht ausschliesslich, wie das Beispiel von Marco Vogt zeigt, der vom BAG Informationen zu Konzept und Kosten der Impfkampagne wollte (dieses Medium berichtete) – Journalisten, die ein entsprechendes Einsichtsgesuch an eine Bundesbehörde stellen. Doch selbstverständlich ist auch das Budget einer Zeitungsredaktion begrenzt, womit es dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit abträglich ist, wenn für BGÖ-Zugangsgesuche Gebühren erhoben werden.
Wie der neue Gesetzesartikel ab (voraussichtlich) Anfang 2024 gehandhabt wird und ob es nicht doch einzelne Behörden gibt, welche unter dem Deckmantel angeblich besonders hohen Aufwandes Gebühren verlangen wollen, wird sich in der Praxis weisen. Ein grosser und wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist die – im Parlament mit nur einer Gegenstimme von Ständerat Daniel Fässler (Die Mitte/AI) angenommene – BGÖ-Änderung alleweil. Unklar bleibt, warum ausgerechnet ein promovierter Jurist als einziges Ratsmitglied gegen die Änderung gestimmt hat. Fest steht jedenfalls, dass Fässler im Stiftungsrat der Swiss Prime Anlagestiftung sitzt, wobei es just im Bereich der Altersvorsorge überaus interessante Fragen gibt, deren öffentliche Beantwortung nicht zwingend im Interesse der (notorisch staatsnahen) Vorsorgeeinrichtungen sein dürfte. Weil sich aber aus freiheitlicher Sicht nicht der Staat vor dem Bürger zu schützen hat, sondern umgekehrt, gibt die Stärkung der Individualrechte stets Grund zur Freude: In diesem Sinne fröhliche Weihnachten!
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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