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Zeyer zur Zeit

Biedermänner? Brandstifter!

Es wird gezeuselt und gezündelt. Es wird vor zunehmendem Gewaltpotenzial gewarnt. Vor einer Radikalisierung. Einer Spaltung der Gesellschaft. Brandstifter verkleiden sich als Biedermänner.

«Die Ostschweiz» Archiv am 30. September 2021

«Haltet den Dieb», ein cleverer Ausruf. Von einem Dieb. Im Insiderblatt für Bessermenschen warnt «Republik»-Journalist Daniel Ryser: «Der Mord an einem Tankstellen-Kassier in Deutschland zeigt auf drastische Weise: Wer mit Begriffen wie 'Diktatur' und 'Faschismus' aufwiegelt, ebnet den Weg zur Gewalt.» Damit meint er Äusserungen von Massnahmen-Kritikern, nicht etwa von Linksautonomen.

Im roten Bereich dreht der Chefredaktor des «SonntagsBlick»: «Die Bewegung der Impfgegner zeigt totalitäre Züge», behauptet er beweisfrei und vergleich deren Verwendung des Wortes «Freiheit» mit seinem Missbrauch durch Adolf Hitler oder Stalin. Er macht die vielen Tausend Teilnehmer an Demonstrationen verantwortlich: «In den Vorzimmern mancher Bundesräte stapeln sich Drohbriefe.»

Besonders schuldig mache sich die SVP im Allgemeinen, sie biedere sich «hemmungslos an». Bundesrat Maurer schlüpfte doch tatsächlich in ein T-Shirt der «Freiheitstrychler», «einer jener Organisationen, die bei den Demonstrationen der radikalen Impfgegner den Ton angeben», weiss Cavelty. Diese Bezeichnung würden sich wohl 99 Prozent aller Teilnehmer an solchen Manifestationen verbitten, aber auch damit ist Cavelty nur unterwegs zu seinem vermeintlichen Blattschuss.

«Er verbreitete bei dieser Gelegenheit gleich noch den Unsinn, die Covid-Impfung mache Frauen unfruchtbar. Mit derlei Darbietungen bestätigt dieser Meister der Doppelzüngigkeit die radikalen Impfgegner in ihrer Haltung und er befeuert sie in ihrem Tun.»

Dumm nur: Das verbreitete Maurer, beweisbar durch ein Video, nicht. Wer ist hier ein Stümper der Doppelzüngigkeit? So zischelt Cavelty zum Schluss, «dass Politiker wie Ueli Maurer unmittelbar die Verantwortung dafür tragen, wenn das Misstrauen gegenüber unseren Institutionen stärker wird».

Nein, Schreiberlinge wie Cavelty tragen Verantwortung, dass den Medien immer weniger geglaubt wird. Darauf angesprochen, lässt Cavelty durch seinen Mediensprecher ausrichten: «Zu einer Richtigstellung sehen wir keinen Anlass.»

Besser kann man das Elend des Mainstream-Journalismus nicht auf den Punkt bringen. In einem überraschenden Schulterschluss keift auch der «Tages-Anzeiger»: «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich». Was tut denn Ueli, der Zeusler genau? Maurer habe «das Kollegialitätsprinzip nicht nur geritzt, sondern es verletzt», «populistische Rhetorik wie aus dem Lehrbuch», «raunend berichtete er …», «in trumpesker Manier flirtete er zudem mit Verschwörungstheorien». Kurzum: «was Maurer macht, ist brandgefährlich. Er sabotiert die Arbeit seiner eigenen Regierung.»

Auch das ehemalige Qualitätsorgan Tamedia tut Ungeheuerliches: «Was passiert, wenn der Kampf gegen die Corona-Massnahmen den verbalen Rahmen verlässt, liess sich in Deutschland beobachten: Dort erschoss ein 49-Jähriger einen Verkäufer, mutmasslich wegen der Maskenpflicht.»

Echt jetzt? T-Shirt – Freiheitstrychler – Rede von BR Maurer – erschossener Verkäufer in Deutschland? Doch, das scheint der «Tages-Anzeiger» ernst zu meinen: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.»

Nein, irgend jemand müsste die Brandstifter in ihren Verrichtungsboxen in den Newsrooms in die Schranken weisen. Tamedia schmückt sich auch mit einer der wildesten Corona-Kreischen überhaupt. Marc Brupbacher, immerhin in leitender Funktion im Hause, kennt kein Pardon: «Sind jetzt alle komplett durchgeknallt in diesem Land», rempelt er gegen Regierende im Allgemeinen, beschimpft er im Speziellen die Zürcher Regierungsrätin Silvia Steiner als «traurigen Clown in einem anti-wissenschaftlichen Polit-Zirkus», ist mit Bundesrat Alain Berset «komplett durch», denn der Gesamtbundesrat ist «komplett übergeschnappt», viele Regierenden verfügen «über die Hirnleistung eines Einzellers».

Die Uni Luzern fordert er auf: «Hey, Uni Luzern, nehmt den Dreck runter, entschuldigt euch bei C. Althaus und publiziert eine Richtigstellung.» All das, weil gewagt wurde, nicht genau den Ansichten, Ratschlägen und Befehlen von Brupbacher zu folgen.

Natürlich gibt es, wie bei allen Strömungen, auch unter den Massnahmen-Kritikern Verwirrte, Amoks und Leute, die zumindest verbal durchrasten und ausrasten. Aber das zum Anlass zu nehmen, die vielen Tausend Impfskeptiker, Massnahmen-Kritiker, sogar Parteien und einen Bundesrat in Sippenhaft zu nehmen, ist aschgrau.

Sich als Biedermann (und Biederfrau, meinetwegen) aufzuspielen, zu beklagen, dass die Gesellschaft gespaltet wird, vor einer Zerreissprobe stünde, sogar der «Frieden im Lande» gefährdet sei, vielleicht bald einmal Reichstage und Massenliquidationen wie unter Hitler und Stalin stattfänden – das ist einfach unappetitlich, kontraproduktiv und abgründig verlogen.

Zwei Medienkonzerne, deren Besitzerclans sich gut mit den massgeblichen Parteien und ihren Exponenten stellen wollen, um die Referendumsabstimmung über die zusätzliche Milliardensubvention zu gewinnen. Rechthaberische Journalisten, die bar jeder Recherche oder Kenntnis zeuseln und zündeln.

Sie sind in Wahrheit die Brandstifter. Dass sie gewähltere Worte finden als die wenigen, bedauernswerten Durchgerasteten unter dem Massnahmenskeptikern, macht es nicht besser. Im Gegenteil. Sich als Biedermann zu verkleiden, staatstragend von der Medienkanzel zu predigen – aber in Wirklichkeit mit falschen Behauptungen Zwietracht säen, das ist verwerflich. Selber zeuseln, das aber den anderen vorwerfen, das ist übel. Der Dieb, der «haltet den Dieb» ruft. Welch eine Karikatur von verantwortungsvollen, Vertrauen verdienenden Massenmedien.

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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