Wo immer ich auf Menschen treffe, in der Beiz, im Beruf oder einst im Militär, stelle ich schnell einmal die Frage «Wohär bisch?». Darin bin ich ein ziemlich typischer Schweizer, der immer gleich wissen will, woher sein Gegenüber stammt.
Das aber wird heute, wie ich vor allem aus unseren Zürcher Leitmedien SRG, TA oder Ringier erfahre, insbesondere von Mitmenschen dunklerer Hautfarbe als diskriminierend, ja als rassistisch empfunden. Sie würden, so klagen sie, immer wieder nach ihrer fernen Herkunft befragt, dabei seien sie doch in der Schweiz aufgewachsen.
Die Frage nach der Herkunft hat in unserem kleinräumigen Land eine besondere Bedeutung. Die Chance ist nämlich gross, dass der Fragende schon einmal dort war, wo der andere herkommt. Im WK, auf einer Schulreise, bei Tante Martha, die dort wohnt, oder weil man einst auf einer Velotour dort vorbeikam. Und weil in unserem Land die Dialekte sich vielerorts noch fast von Dorf zu Dorf unterscheiden, ist der Fragende stolz darauf, wenn er Baselbieter und Stadtbasler, Berner Oberländer vom Seeländer und Rheintaler von oberhalb oder unterhalb des Hirschensprungs unterscheiden kann.
Diese Gewohnheit überträgt der Schweizer gerne auch auf Menschen, die offensichtlich eher nicht in Kreuzlingen oder Muotathal aufgewachsen sind. Die Frage will auch hier nicht trennen, sondern ein Gespräch eröffnen, eine kommunikative Brücke bauen zum Gegenüber. Anderslautende Beispiele sind mir jedenfalls bisher nicht zu Ohren gekommen.
Unsere Bundesverfassung verlangt in Artikel 8, dass niemand diskriminiert werden dürfe, «namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache» etcetera. Man kann sich fragen, wie jemand wegen seiner Herkunft diskriminiert werden kann, den man nicht nach seiner Herkunft befragen darf. Baut denn die Frage nach der Herkunft nicht viel eher Distanz ab, schafft Verständnis und verhindert somit Diskriminierung statt sie – wie der #BLM-Zeitgeist behauptet – zu befördern? Mit dem Begriff «Rasse» ist es ja noch grotesker: Er soll, weil wissenschaftlich unhaltbar, aus jeder modernen Verfassung verschwinden. Dann bleibt nur noch die Diskriminierung aufgrund eines Begriffs übrig, den es offiziell gar nicht mehr gibt…
In unserem Land gibt es eine immer grössere Zahl von Migrations-, Antirassismus- und Antidiskriminierungs-Beauftragten. Deren Aufgabe besteht, wenn ich es recht verstehe, in der Vermittlung zwischen verschiedenen Kulturen, Einheimischen und Immigrierten. Wäre es da nicht ein edles Ziel dieser Vermittlung, wenn die Beauftragten nicht nur Klagen über Diskriminierung entgegennähmen (und damit natürlich ihre Notwendigkeit rechtfertigen), sondern ihre Klientel auch darüber aufklärten, dass die Frage nach der Herkunft zur Schweizer DNA gehört, Interesse am Gegenüber signalisiert und eben nicht diskriminatorischer Absicht entspringt?
Liebe Antidiskriminierungs-Beauftragte, helft doch mit, damit ich auch weiter fragen darf: «Wohär bisch?».
Gottlieb F. Höpli (* 1943) wuchs auf einem Bauernhof in Wängi (TG) auf. A-Matur an der Kantonssschule Frauenfeld. Studien der Germanistik, Publizistik und Sozialwissenschaften in Zürich und Berlin, Liz.arbeit über den Theaterkritiker Alfred Kerr.
1968-78 journalistische Lehr- und Wanderjahre für Schweizer und deutsche Blätter (u.a. Thurgauer Zeitung, St.Galler Tagblatt) und das Schweizer Fernsehen. 1978-1994 Inlandredaktor NZZ; 1994-2009 Chefredaktor St.Galler Tagblatt. Bücher u.a.: Heute kein Fussball … und andere Tagblatt-Texte gegen den Strom; wohnt in Teufen AR.
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