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Kammermusik in Rorschach

«Brahms hat keine 'unnötigen' Töne komponiert»

In den schönsten Sälen der Ostschweiz finden in diesem Jahr die «Klangwellen» statt. Die Stradivari-Musiker spielen dabei Werke von Johannes Brahms. Das nächste Highlight der Kammermusik findet in Rorschach statt.

Nadine Linder am 15. März 2022

Der berühmte deutsche Komponist Johannes Brahms hatte einen besonderen Bezug zu der Ostschweiz. So wie auch die Cellistin Maya Weber. Sie ist Organisatorin der «Klangwellen», die dieses Jahr an verschiedenen Standorten in der Ostschweiz stattfinden. Unsere Kulturedaktorin Nadine Linder hat mit der Cellistin Maya Weber gesprochen.

Maja Weber, worauf darf sich Ihr Publikum in der Konzertsaison dieses Jahres freuen?

Auf Brahms! Wir vertiefen uns eine ganze Konzertsaison lang in die musikalische Sprache von Johannes Brahms. Wir beleuchten sein grossartiges Kammermusikwerk und beschäftigen uns intensiv mit seiner herrlichen Musik.

«Klangwelle Ostschweiz» - Eine Entdeckungsreise in vier Konzerten. Wo finden diese statt und wer wird mit dabei sein?

Gestartet hat die «Klangwelle Ostschweiz» Anfang Dezember im Schloss Wartegg mit dem Stradivari-Quartett. Am 17. März kehrt die Klangwelle mit Xiaoming Wang an der Violine, Maja Weber am Violoncello und dem Stradivari-Orchester mit dem Konzert im Würth Haus in die Hafenstadt Rorschach zurück. Gespielt werden Brahms’ berühmte Ungarische Tänze für Orchester und das Doppelkonzert in a-Moll. Bevor das Konzert um 19 Uhr startet, läutet die Klassikexpertin Susanne Kübler den Abend um 18.15 Uhr mit einem Prélude ein. Im Rahmen der «Klangwelle Ostschweiz» werden dieses Jahr noch zwei weitere Konzerte stattfinden: am 12. Mai im Kloster Fischingen und am 14. Juli in der Linde Heiden. Die «Klangwelle Ostschweiz» kann dank der grosszügigen Unterstützung der Susanne und Martin Knechtli-Kradolfer-Stiftung stattfinden.

Sie haben sich für Werke von Johannes Brahms entschieden. Was waren Ihre Beweggründe?

Wir haben innerhalb unserer Klangwellen jedes Jahr einen Komponistenschwerpunkt, und in diesem Jahr ist dies Johannes Brahms. Mich verbindet eine grosse persönliche Liebe zu seiner Musik. Er hat keine «unnötigen» Töne komponiert; alles, was erklingt, muss erklingen.

Was ist die Verbundenheit zwischen Brahms und der Schweiz?

Brahms liebte die Schweiz; er hat die Berge, die Seen und ganz allgemein die Natur der Schweiz ganz besonders ins Herz geschlossen. Er besuchte die Schweiz mehrmals. Dabei hielt er sich abwechselnd in der Gegend des Thuner-, Vierwaldstätter- und Zürichsees auf. Zahlreiche Überlieferungen zeugen davon, wie sehr der berühmte Komponist aus Deutschland seine Aufenthalte in seinem südlichen Nachbarland genossen hatte. 1874 entdeckte Brahms beispielsweise während einer Schifffahrt auf dem Zürichsee ein oberhalb von Rüschlikon einsam gelegenes Haus. Er soll seinem Gastgeber Friedrich Hegar, dem damaligen Chefdirigenten des Tonhalleorchesters Zürich, begeistert zugerufen haben: «Dort oben möchte ich wohnen!» Dieser Wunsch wurde ihm natürlich umgehend erfüllt.

Die «Klangwellen Brahms» widmen sich darum auch auf vielfältige Weise den Beziehungen zwischen Brahms und der Schweiz. Teilweise finden musikalische Veranstaltungen an genau den Orten statt, welche er auf seinen Reisen besucht hatte.

Welchen speziellen Bezug hat Brahms und welchen haben Sie zur Ostschweiz?

Brahms fühlte sich eng mit der Schweiz und den Schweizer Seen verbunden. Ich bin nicht sicher, ob er sich auch am Bodensee aufgehalten hat, doch vorstellen kann ich es mir sehr gut. Ich selbst fühle mich mit der Ostschweiz verbunden, da ich hier immer viel und besonders gerne gespielt habe und spiele. Und nicht zuletzt, weil mein Heimatort Herisau ist (lacht).

Was macht für Sie Kammermusik aus?

Genau wie im gesellschaftlichen Miteinander ist in der musikalischen Sprache der Kammermusik das Zuhören manchmal wichtiger als das Hervortreten oder das Vortragen. Die musikalische Aussage eines Kollegen oder einer Kollegin früh zu erkennen und rechtzeitig zu unterstützen, ist die grosse Herausforderung, schenkt aber auch eines der grössten Glücksgefühle. In der Musik sind die Übergänge die magischen Momente zwischen den Themen. Genauso sind im Leben für mich oft «Flexibilität» und «Veränderung» die Zauberworte, sowohl in meiner Tätigkeit als Musikerin als auch als Kulturmanagerin. Diese Faszination bewog vermutlich auch Beethoven und auch andere grossen Komponisten wie Brahms, ihre fortschrittlichsten und anspruchsvollsten Werke für Kammermusikbesetzungen zu schreiben. Dies spornt mich an, solche Werke, die manchmal zu Unrecht im Schatten der grossbesetzten Symphonik stehen, besonders zu beleuchten und für unser Publikum erlebbar zu machen.

Wie kamen Sie selber zur Musik?

Als in eine Musikerfamilie Hineingeborene wurde mir die Musik im Allgemeinen und die Kammermusik im Speziellen buchstäblich in die Wiege gelegt. Mit meiner Mutter (Geigerin), meinem Vater (Bratschist) und meiner älteren Schwester (Geigerin), war es nicht verwunderlich, dass ich mich auf dem Cello versuchen sollte. Der Versuch gelang, wir spielten schon bald im familieneigenen Streichquartett und meine Begeisterung für das zugewiesene Cello war auf Anhieb riesengross. Bereits mit vier Jahren erklärte ich auf einer Wanderung in den Schweizer Bergen, in einer bestimmten Kapelle später Konzerte geben zu wollen. Ein Musikstudium war die logische Folge.

Wird Musik Ihrer Meinung nach bei Kindern und Jugendlich noch genug gefördert?

Ich denke, dass es einen relativ aktiven Kern aus Fachleuten für die Jugendförderung in der klassischen Szene gibt. Sicherlich hängt es aber stark von der Motivation der Eltern ab. Aber vielleicht ist dies in jedem Gebiet so?

Sie sind eine sehr erfolgreiche Konzertveranstalterin. Wie kamen Sie dazu und was macht Ihren Erfolg aus?

Schon früh begann ich, zusätzlich zu den üblichen Konzerten Musikreisen nach europäischen Kulturhochburgen und an faszinierende Naturschauplätze zu organisieren und anzubieten. Es ist meine Überzeugung, dass die Musik grosser Meister nicht ausschliesslich in renommierten Konzertsälen erklingen soll. Gerade ungewohnte Konzertvenues bieten die Chance, im Wechselspiel mit aussermusikalischen Elementen und Naturschönheiten für musikalische Nuancen hellhörig zu werden, welche im gängigen Konzertbetrieb selten so erlebt werden. Eigene Konzertformate, Musik-Festivals und Konzertreisen zu kreieren ist mir ein besonderes Bedürfnis und eine besondere Herzensangelegenheit. Wenn ich selbst projektiere, kann ich schnell reagieren und mich auf die Wünsche meines Publikums einlassen. Ich kann vieles selbst entscheiden, muss allerdings auch die Verantwortung dafür tragen.

Am 17. März findet in Rorschach das zweite Konzert statt. Was steht dort im Zentrum?

Zweimal im Jahr formieren wir «StradivariMusiker*innen» uns zu einem kleinen Orchester. Dabei geht es in unseren Komponistenschwerpunkten darum, auch den orchestralen Klang des Protagonisten zu zeigen, in diesem Fall von Brahms, und bei den Neujahrskonzerten – ebenfalls in Orchesterbesetzung – einen Gegensatz zur «ernsten» und monothematischen Saison zu setzen. In Rorschach werden wir unser Publikum mit den berühmten und beliebten «Ungarischen Tänzen» von Brahms verzaubern und ich freue mich besonders, mit meinem langjährigen Quartettkollegen, Xiaoming Wang, das herrliche Doppelkonzert für Violine, Cello und Orchester zu spielen.

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Autor/in
Nadine Linder

Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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