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Was bringt es?

Camilla Fischbacher-Douraghy: «Die Revolution im Iran ist noch lange nicht vorbei»

Am 20. März, «Noruz», hat im Iran das neue Jahr begonnen. Es ist der höchste Feiertag im Land. Die Ostschweiz hat anlässlich dieses speziellen Datums Camilla Fischbacher-Douraghy, Creative Director bei Fischbacher Textil, interviewt.

Astrid Nakhostin am 23. März 2023

Frau Fischbacher, in der westlichen Presse liest man nicht mehr viel über die Proteste im Iran. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Ihrem Heimatland ein?

Ganz ehrlich: für mich ist es ganz offensichtlich, dass die ausländische Presse von Anfang an nicht genügend über die Revolution berichtet hat und dass ihr nicht die Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die sie verdient hätte. Es ist die erste von Frauen angeführte Revolution in der Geschichte der Welt! Sollte sie eines Tages erfolgreich sein, wird sie die gesamte Region verändern und noch sehr viel mehr bewirken.

Das iranische Volk und insbesondere die Frauen sind äußerst mutig und leisten trotz der Brutalität der Repressalien weiterhin Widerstand. Vor einigen Tagen kam es in der Nacht von Chahar Shambe Suri (dem letzten Dienstagabend vor dem persischen Neujahrsfest oder Noruz) zu einer Reihe von Protesten im ganzen Land, bei denen Frauen erneut ihre Kopftücher aus Protest verbrannten.

Am vergangenen Samstag fanden in Zürich erneut Demonstrationen statt. Machen solche Aufmärsche im Ausland zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch Sinn? Was erwartet man sich davon konkret?

Es geht darum, den Fokus auch weiterhin auf den Iran zu lenken. Das Interesse an der Notlage der tapferen jungen Männer und Frauen, die gefoltert und getötet werden, nur weil sie ein besseres Leben wollen, muss aufrechterhalten werden. Als im Ausland lebende Iraner:innen wollen wir unsere Unterstützung und unseren Respekt für die Tapferkeit dieser Menschen zeigen. Und wir wollen auch die Politiker und die Mitglieder der UNO zur Rechenschaft ziehen, damit sie die Geschehnisse nicht einfach ignorieren und damit sie die Verhandlungen mit der Regierung nicht weiter fortsetzen. Ähnlich wie bei der Apartheid-Regierung in Südafrika: Erst als die Welt sich weigerte, mit ihr zusammenzuarbeiten, und sie mit scharfen Sanktionen in die Knie zwang, wurde Südafrika endlich frei. Das ist es, was wir uns für den Iran wünschen: Das Ende der geschlechtsspezifischen Apartheid und die Freiheit des iranischen Volkes, seine eigene Regierung zu wählen.

Sie haben im Januar am WEF in Davos an «panel discussions» teilgenommen, wie war das Interesse der WEF-Teilnehmenden an diesem Thema?

Das Interesse dort war sehr gross und ich nahm bei den Zuhörer:innen eine starke Solidarität und Bereitschaft zur Unterstützung wahr.

Hat die Revolution noch eine Chance oder wurde sie von den Mullahs förmlich hingerichtet? Wurden die Menschen durch das harte Durchgreifen der Regierung eingeschüchtert, oder ist es Ihrer Meinung nach nur eine vorübergehende Ruhe – wenn überhaupt?

Ich traf mich vor ein paar Tagen mit einem Freund, der kürzlich aus dem Iran gekommen ist. Er erzählte mir, dass die jungen Menschen, die diese Revolution anführen, sich bewusst sind, dass sie einen Punkt erreicht haben, von dem aus es kein Zurück mehr gibt. Er sagte mir, dass das, was gezeigt wird, nur die brutalen Verhaftungen und Schläge sind. Was man nicht sieht, ist die unglaubliche Energie und Verbundenheit der Menschen. Sie haben zum ersten Mal das Gefühl, dass die Welt sie beobachtet und sie hoffen, dass es Leute gibt, denen nicht egal ist, was mit ihnen geschieht. Sie wissen auch, dass entscheidende Veränderungen nicht über Nacht passieren und dass es Zeit und viel Geduld braucht, um die Mullahs loszuwerden, die das Land seit über 43 Jahren in ihrem Würgegriff haben.

Der Druck von innen wird weiterhin anhalten, aber der Widerstand wird mehr Zeit in Anspruch nehmen und noch blutiger werden, wenn der Westen weiterhin mit den Mullahs Geschäfte macht. Ich glaube aber, dass es möglich ist, dass wir noch zu unseren Lebzeiten einen freien Iran erleben. Etwas, das ich in der Vergangenheit nie zu hoffen gewagt hätte. Die Revolution ist noch lange nicht vorbei.

Die bisherigen Sanktionen gegen den Iran haben nichts gebracht. Müssten diese Ihrer Meinung nach nicht noch weiter ausgedehnt und verschärft werden?

Auf jeden Fall! Mit den bisherigen Sanktionen erreicht man wegen der diversen Schlupflöcher nichts. Es ist primär das iranische Volk, das leidet und nicht die Regierung. Die Schweizer Botschafterin Nadine Olivieri Lozano zum Beispiel spielte der gegenwärtigen Regierung für deren Legitimierung und die Normalisierung der Situation in die Hände, indem sie das Land komplett verschleiert bereiste, während andere Frauen im Iran alles riskierten. Wenn man mit der derzeitigen Regierung weiterhin verhandelt und zusammenarbeitet, unterstützt man damit die brutale iranische Regierung und die Art und Weise, wie sie ihre Bürger behandelt.

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Autor/in
Astrid Nakhostin

Astrid Nakhostin (1959), freischaffende Journalistin, hat Betriebswirtschaftslehre studiert und war 26 Jahre lang als Marketingleiterin bei St.Gallen-Bodensee Tourismus tätig. Die letzten fünf Jahre gehörte sie dem Redaktionsteam des Swissregio Media Verlags an, zuletzt als Redaktionsleiterin der Bodensee Nachrichten.

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