Die Schweiz rettet die Welt. Selbstlos und zu hohen Kosten. Das CO2-Gesetz ist eine teure Farce. Wie teuer, das versucht man zu verschweigen. Ein Ja an der Urne ist dennoch sehr wahrscheinlich. Wie immer, wenn «das Gute» im Spiel ist. Wo steckt eigentlich diese angebliche bürgerliche Mehrheit?
«Cui bono» – wem nützt es? Diese lapidare Frage sollte immer am Anfang stehen, wenn man vor einer politischen Entscheidung steht. Beim CO2-Gesetz fällt die Antwort kurz aus: Keinem. Denn die offizielle Mission, die Rettung des Klimas durch weniger CO2-Ausstoss, ist zum Scheitern verurteilt. Da nimmt sich die kleine Schweiz ein bisschen zu wichtig. Wir sind wie eine Mücke in einem Regenwald, was unsere Wirkung aufs grosse Ganze angeht. Ganz abgesehen davon, dass wir international betrachtet heute schon ökologische Musterknaben sind. Man hört die Chinesen förmlich lachen, wenn sie hören, was wir am 13. Juni vor haben.
Nun kann man sagen: «Egal, Hauptsache, wir tun etwas, und wenn es nur ein kleiner Beitrag ist.» Dabei geht vergessen, dass das kleine Etwas grosse Auswirkungen in anderen Bereichen hat. Wir blähen für einen nicht messbaren globalen Effekt unsere Bürokratie auf und belasten die Menschen im Land zusätzlich. Und zwar kaum diejenigen, die sowieso genug haben.
Eine Steuer auf Flugtickets zum Beispiel: Das liegt im Zeitgeist. Geflogen wird auch in Zukunft weiterhin, einfach von denen, die es sich leisten können. Dasselbe gilt für die Verteuerung des Benzins. Da fällt einem der alte Witz ein: «Das Benzin wird teurer? Mir egal, ich tanke sowieso immer für 50 Franken.» Es ist eine reine Symbolpolitik, aber die Konsequenzen sind alles andere als symbolisch.
Der grösste Eingriff ist ohne Zweifel das Vorhaben, Öl- und Gasheizungen schleichend zu tabuisieren. Höhere CO2-Abgaben oder gar der Zwang, eine Heizung zu sanieren oder zu ersetzen: Das geht richtig ins Geld. Wer sein eigenes Haus bewohnt, wird im Zug einer absurden «Greta hats gesagt!»-Politik massiv belastet. Das Geld, das so in völlig wirkungslose Zwangsmassnahmen fliesst, wird der Volkswirtschaft entzogen, weil es sonst nirgends mehr eingesetzt werden kann. Der Konsum geht zurück.
Wer Mieter hat, kann versuchen, die Kosten auf diese zu überwälzen. Viel Spass damit. Der Mieterverband wird das Land mit Gerichtsverfahren überziehen, wenn das Vermieter versuchen, und das bei grössten Erfolgsaussichten. Wir sind ein sehr mieterfreundliches Land, Eigentum gilt mehr und mehr als irgendwie unanständig. Der einzige mögliche Ausweg: Man greift gleich zu einer Totalsanierung und sucht sich danach eine besser verdienende Klientel als Mieter. Was bedeutet, dass der Staat früher oder später wieder zum Baumeister werden muss für billigen Wohnraum, weil sich viele Menschen die Miete nicht mehr leisten können.
Wer sagt, die Schweiz werde bürgerlich regiert, muss sich die Frage gefallen lassen, warum dann derzeit alles einen satten Schluck Sozialismus enthält, was aufs Tapet kommt. Das CO2-Gesetz ist bis in die letzte Faser bürger- und wirtschaftsfeindlich.
Diese angebliche bürgerliche Übermacht im Land, die uns Zahlen auf einem Stück Papier vermitteln wollen, ist ohnehin ein reiner Schein. Nehmen wir die FDP, die mit dem Slogan «Mehr Freiheit, weniger Staat» gross wurde. Heute kann es ihr gar nicht genug Staat sein, nicht genug Bevormundung, nicht genug Belastung des Mittelstands, nicht genug Umverteilung und nicht genug Umerziehung. Denn genau das ist das CO2-Gesetz: Ein Stück wie aus einem Lehrplan. Via Portemonnaie möchte man die Menschen zwingen, sich gefälligst klimaneutral zu verhalten. Eigenverantwortung? Eine leere Worthülse. Selbst für die selbstdeklarierten «Freisinnigen». Unter Präsidentin Petra Gössi ist die FDP zu einer Partei verkommen, die nichts von dem hält, was ihr Programm verspricht.
Wenn es selbst die FDP in Ordnung findet, Mobilität masslos zu überteuern und Menschen, die sich aus eigener Kraft ein Eigentum geleistet haben, unnötig zu drangsalieren, muss man sich fragen, wozu es links der Mitte überhaupt noch Parteien gibt. Das erledigen ja bereits die angeblich Bürgerlichen alles.
Das CO2-Gesetz ist die Ausgeburt eines Trends. Man muss sich heute für das Klima einsetzen, ansonsten ist man ein Unmensch. Bringen muss es nichts, nur gut klingen. Und auf diesem Weg gilt es, alle anderen Zusammenhänge auszublenden: Entweder das Klima oder die Volkswirtschaft. Dabei wird es niemals einen funktionierenden Klimaschutz geben ohne eine funktionierende Wirtschaft. Die hat in den vergangenen Jahren übrigens vorbildhaft alles getan fürs Klima, was sie tun konnte.
Manchmal kommt es einem vor, als wolle die Schweiz ihr Erfolgsmodell um jeden Preis zerstören, jeden Vorsprung verspielen, den Wohlstand aktiv gefährden, den die Generationen davor aufgebaut haben. Es gab keinerlei Not zu einem Überaktivismus durch ein neues Gesetz. Es bringt nur Schaden. Für so ziemlich alle Menschen im Land. Nichts wird besser, vieles schlechter. Eigentlich kann niemand ein echtes Interesse daran haben, diesem Gesetz zum Erfolg zu verhelfen. Aber heute geht es nicht mehr darum, ob etwas inhaltlich richtig ist oder nicht. Es reicht, auf der Seite zu stehen, die das «Gute» will.
Und da es, wie bei anderen aktuellen Themen, kaum laute Stimmen dagegen gibt, welche die Konsequenzen bewusst machen, steht einem Ja nichts im Weg. Also wird sich die Schweiz selbst schwächen, um später sagen zu können, sie habe ihren Beitrag geleistet gegen das Abschmelzen irgendeines Gletschers. Unsere Politiker können sich an internationalen Konferenzen damit brüsten. Während Hausbesitzer ihr letztes Geld investieren.
Man kann nur hoffen, dass man bereits tot ist, wenn man das seinen Kindern erklären müsste.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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