Die Firma Quellfrosch testete in Zusammenarbeit mit der Stadt St.Gallen das Coanda - Spaltsieb zur Entnahme von Schmutzwasser in der Kanalisation zwecks einer zukünftigen Nutzung für die Stromerzeugung mittels Druckleitung und Turbine.
_Hauptbild: Coandasieb im Test für Abwasserfilterung in einem Mischwasserschacht beim Schoren, St. Gallen. _
Zugegeben, besonders appetitlich ist der Anblick nicht, besonders wenn einem bewusst ist, welches Wasser hier aus dieser grossen orangen Röhre über dieses Schanzenförmige Spaltsieb fliesst: Es ist Mischwasser - per Definition Regenwasser von den Strassen und Hausdächern, das in der Kanalisation zusammen mit dem Abwasser in Richtung Kläranlage fliesst. Wozu denn überhaupt diese Grobfilterung?
Für den Versuch im Winter 2021/22 wurde das Testsieb in einem Schacht direkt ins Mischwasser (vor der Kläranlage) eingebaut. Dabei konnte bewiesen werden, dass ein Teil des Schmutzwassers abgesaugt wird und die Feststoffe über das Sieb gespült werden. *3
Das Projekt wird von der Stadt weiterverfolgt, das Sieb sollte im Rahmen einer Pilotanlage das Schmutzwasser beim Regenbecken Engelwies vorfiltern und fassen. Dieses würde dann via Druckleitung runter zur Kläranlage Au im Sittertobel fliessen und mit 3 Bar eine Durchströmturbine antreiben. Das Wasserkraftwerk würde jährlich rund 180'000 kWh Strom erzeugen, womit es ca. 50 Haushalte permanent mit Strom versorgen könnte.
Doch was genau ist ein Coandasieb und wo hat es sich bereits bewährt?
Wasserfassung mit Quellfrosch – Coandasieb für Wasserkraftwerk 22kW.
Coanda – Spaltsiebe wurden bis Anhin vorwiegend zur Wasserfassung für Kleinstwasserkraftwerke eingesetzt. Typischerweise werden sie in Bachschwellen eingebettet, so wie im Beispiel der Sägerei in Niederscherli (BE) im Bild 2. Ähnliche Schwellen prägen über ganz Mitteleuropa verteilt die Läufe von kleineren und grösseren Bächen.
Teils natürlich entstanden, teils künstlich erschaffen, dienten in der Schweiz einst über 8000 solcher Schwellen der Nutzung von Wasserkraft. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ersetzte der von den grossen Staudämmen und später der in Kernkraftwerken produzierte Strom sukzessive die kleinen wartungsintensiveren Kraftwerke, heute sind davon nur noch einige hundert in Betrieb.*1
Durch neue, günstigere und vor allem wartungsarme Technologien traut man der Kleinstwasserkraft, im Zeichen der Energiewende, in der Schweiz und den umliegenden Ländern eine Renaissance zu! Eine dieser neueren Technologien ist das Coandasieb, welche im erwähnten Beispiel (Bild 2) bis zu 300 Liter pro Sekunde Wasser für das Wasserkraftwerk absaugt. Das Wasser gelangt nach der Turbinierung wieder zurück in den Bach.
Prinzip vom Coandasieb mit Sammelschacht und Druckleitung.
Coandasiebe, auch Coandarechen genannt, sind Spaltsiebe die Wasser filtern und aus einem Gewässer das darüber strömende Wasser entnehmen. Unter dem Sieb befindet sich ein Sammelbecken in welchem die Ausleitung das Wasser bis Turbine führt (Bild 3). Coandasiebe scheinen aufgrund der klaren Vorteile andere Wasserfassungssysteme in ihrem Einsatzgebiet allmählich zu verdrängen.
Ein Coanda braucht keine Elektromechanische Komponenten, da durch den darüber strömenden Wasserschwall, das Geschiebe (Laub, Äste, etc.) wiederholt weggespült wird. Im Gegensatz zu «Tiroler – Wehren» oder anderen Gittersystemen besteht keine Verletzungsgefahr für Wassertiere, die HTW Chur konnte in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich im Jahr 2020 die «Fischgängigkeit» Nachweisen - siehe dazu die Zusammenfassung des HTW-Bericht. *2
Das Wasser wird über das abgerundete Blech, kurz vor dem eigentlichen Rechenteil (Spaltsieb) beschleunigt, so wird die Wegführung von Geschiebe gewährleistet und in kalten Perioden die Vereisung vermindert. Ein kleiner Nachtteil liegt darin, dass für Anlagen mit wenig nutzbarer Fallhöhe, wegen des Höhenverlust über die Schwelle, etwas an Potential verloren geht.
Je kleiner die Fallhöhe der Anlage, desto stärker fällt die fehlende nutzbare Schwellenhöhe vom Coandasieb ins Gewicht. Die Minimale Schwellenhöhe von Coandarechen liegt bei 50cm *4, so wäre es bei einer Anlage mit 5m Fallhöhe rund 10% Leistungsverlust, bereits ab 20m Fallhöhe ist die Schwellenhöhe des Coanda vernachlässigbar.
Die Einsatzgebiete von Wasserfassungen mit Coanda -Spaltsieben sind Bäche, kleinere und grosse Flüsse, sowie auch Abflussstellen von stehenden Gewässern (Weiher) und in Zukunft, wie in der Einleitung schon erwähnt: Abwasserfilterung zwecks Turbinierung für Stromerzeugung oder vielleicht auch noch bisher nicht geprüfte andere Anwendungszwecke.
Links: Standard Coadasieb Profilstäbe im Querschnitt, rechts: Auszug aus Patentschrift Profilstäbe im Querschnitt vom Quellfrosch Coandasieb.
Die St.Galler Firma Quellfrosch ist einer von wenigen Hersteller von Coandasieben in Europa. Das von innovative weiterentwickelte und mittlerweile patentierte Quellfrosch Spaltsieb ist robust und kann wegen der erhöhten Geschwindigkeit, mit der es das Wasser über die Rundung der einzelnen Viertelrundprofile (Bild 4 links) absaugt, bei minimaler Schwellenhöhe die Hauptfunktion erfüllen: Selbstreinigendes, Wassertiere schonendes Ableiten des Wassers in den Sammelschacht.
Vom Schacht aus geht es dann weiter zur Turbine, die mit Wasserkraft einen Generator zur Stromerzeugung antreibt. Ein weiterer Unterschied vom ostschweizer Coandasieb gegenüber anderen Produkten sind die Viertelrundprofile. Sie bilden das eigentliche Spaltsieb und sind mit 5.5mm Radius verhältnismässig ziemlich grob «designt».
Andre Hersteller verwenden wesentlich dünnere Profilstäbe (Bild 4 rechts), somit ergeben sich dort auf der aktiven Abflussfläche fast doppelt so viele Spälte wie auf dem Quellfrosch - Sieb. Im ersten Gedanken könnte man meinen, dass es dann auch doppelt so viel Wasser absaugt, doch das trügt. Weil die Rundung des Viertelrundprofils das Wasser über den Spalt zusätzlich beschleunigt, entsteht ein Sog, welcher eine höhere Abflussmenge pro Spalt zur Folge hat. Die minimale «Schluckmenge» pro Quadratmeter Siebfläche beläuft sich auf rund 150 Liter pro Sekunde, die feinsten Rechen garantieren rund 200l/s.
Ein weiterer Vorteil dieser Robusten in der Schweiz und Österreich patentierten Viertelrundprofil Variante ist, dass es im Gegesatz zu den feineren Rechen keinen groben Überrechen braucht. Er wird meistens in Hügelregionen und bei Bergbächen eingesetzt, zwecks Stein- und Holzschlagsfestigkeit. Nebst dem Mehraufwand an Kosten birgt der Überrechen Gefahren für die Wassertiere, daher lohnt sich der Einsatz des robusteren Quellfrosch Coanda (Bild 5) durchaus: Auch wenn dabei rund 25 Prozent weniger Wasser pro Flächeneinheit abgesaugt werden kann, ist es normalerweise kein Umstand den Rechen im Gegenzug etwas grösser zu dimensionieren.
_Coandasieb bei einem Bergbach oberhalb von Kerns (OW) im Einsatz. _
In der Ostschweiz hergestellte Coandarechen.
Die Firma Quellfrosch fertigt die Coanda-Wasserfassungselemente in der Metallbauwerkstatt im Gewebezentrum Strahlholz in Gais (AR). Als Baustoff wird Stahl verwendet. Die Elemente können eine beliebige Breite im Bach annehmen und sind für Schwellehöhen von 50cm bis 1.5m geeignet.
Erläuterungen
*1: Jahrhundertelang war die Wasserkraft die meistgenutzte Energieform und die bildende Kraft vom Mittelalter über das vorindustrielle bis hinein ins industrielle Zeitalter auf dem Weg zur modernen Gesellschaft.
*2: Geprüfte Fischgängigkeit HTW Chur / ETH Zürich
*3: Coanda als Abwasserfilter
*4: Die meisten Coandaanbieter geben eine minimale Schwellenhöhe von 75cm oder gar 1m an. Quellfrosch Siebe funktionieren, aufgrund der schnelleren Wasser Absauggeschwindigkeit über die Spälte jedoch schon bei 50m Schwellenhöhe (Bild 7).
*5: Auf die Coandasieb mit Viertelrundprofilen hat die Firma Quellfrosch folgende Patente: A224/2018 und CH713881.
_Quellfrosch Coandasieb – Entwicklungsstufe II – «bec de canard» 3D Modell mit minimaler Schwellenhöhe von 52cm. _
Alle Bilder: pd
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