Zwei Berufe gewinnen immer und überall: Bonus-Banker und Anwälte. Während am Dienstag die letzte Aktionärsversammlung der Credit Suisse stattfand, stapeln sich bereits die Klagen bei Gericht.
Wer meint, eine Transplantation einer international tätigen Riesenbank in eine andere könne innert Wochenfrist zusammengenagelt werden, täuscht sich schwer. Laut glaubwürdigen Quellen soll das Endspiel der CS am Mittwoch, 15. März begonnen haben.
Rund 120 Stunden später wurde dann in einer denkwürdigen Pressekonferenz der Rausverkauf der einstmals stolzen Bank bekannt gegeben. Völlig klar, dass in so kurzer Zeit geholzt und improvisiert werden musste. An eine Due Diligence, also eine vertiefte Überprüfung und Bewertung der Bank, war nicht zu denken.
Das war aber das kleinste aller Probleme. Denn die Käuferin hatte eigentlich alle Vorteile auf ihrer Seite. Ihr war der feste Wille der Schweizer Regierung übermittelt worden, dass nur diese Art der Problemlösung angestrebt werde. Mögliche Alternativen – es lag ein Angebot arabischer Investoren auf dem Tisch, ein Ankauf durch die Schweizerische Nationalbank wäre durchaus denkbar gewesen – wurden nicht einmal ernsthaft geprüft, bevor sie verworfen wurden.
Deshalb legte die UBS zunächst ein Angebot von einer Milliarde auf den Tisch. Eine Frechheit, aber bestens geeignet, als Testballon zu funktionieren. Zudem hatte die UBS noch einen weiteren Vorteil. Sie wusste nicht erst seit einigen Tagen um den Zustand der CS. Wohl nicht nur aus den Angaben, die öffentlich gemacht wurden.
Es kann ja kein Zufall sein, dass das gesamte Führungspersonal in der letzten Phase der CS aus Bankern bestand, die zuvor jahrelang bei der UBS gearbeitet hatten. VR-Präsident Axel Lehmann war zuvor in leitenden Positionen in der UBS Group AG tätig. CEO Ulrich Körner begann bei McKinsey, wechselte dann zur CS, stieg schliesslich als Group Chief Operating Officer zur UBS um, um dann CEO der CS zu werden.
Markus Diethelm schliesslich ist der Group General Counsel der CS und Mitglied der Geschäftsleitung. Die gleiche Position hatte er seit 2008 bis 2022 bei der UBS inne. Als juristischer Oberaufseher schaukelte er die vergleichsweise milde Bestrafung der UBS im Steuerstreit über die Ziellinie und managte zuvor die Notrettung durch den Staat.
Also drei UBS-Schlachtrösser an entscheidenden Positionen in der CS. Es ist natürlich völlig ausgeschlossen, dass sie in Kontakt mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber blieben. Um es so vorsichtig zu formulieren, dass der klagewillige Diethelm nicht zu einer seiner letzten Amtshandlungen greift. Schliesslich hat er bereits den Finanzblog «Inside Paradeplatz» mit einer 265-seitigen Klageschrift abgewatscht, weil ihm dessen kritische Berichterstattung nicht passte.
Dass die UBS als strahlender Sieger vom Schlachtfeld schritt, ist unbezweifelbar. Ob sie das auch bleibt, muss hingegen stark bezweifelt werden. Aus mindestens vier Gründen. Zunächst stellt sie mit ihrer schieren Grösse ein dermassen beängstigendes Klumpenrisiko für die Schweiz dar, dass ihr Fesseln angelegt werden müssen, dass sie so streng wie nie zuvor reguliert werden muss. Ob das ihrem machtbewussten VR-Präsidenten passt, ist kaum anzunehmen. Konflikt vorprogrammiert.
Die USA als immer noch bestimmende Wirtschafts- und Finanzmacht hatten höchstes Interesse, dass die Krise der CS nicht zum Flächenbrand wird. Nachdem diese Gefahr gebannt ist, haben sie ein weiteres Interesse: wie kann man aus der UBS nach bewährter Manier so viel Geld wie möglich herausmelken. Stichwort russische Vermögen in der Schweiz. Nimmt man den Steuerstreit als Massstab, wird das schweineteuer werden.
Die Eidgenossenschaft, also natürlich der Steuerzahler, steht zurzeit mit bis zu 259 Milliarden Franken im Risiko. Ob das ganze Geld tatsächlich zurückkommt, steht zurzeit in den Sternen. Es auch denkbar, dass es einen kräftigen Abschreiber darauf absetzt. Sollte die UBS zusätzlich ins Wanken geraten, bei einem Bilanzvolumen von 1,6 Billionen Franken, dann gilt nur noch: «Betet, freie Schweizer, betet».
Viertens: Bereits hagelt es Klagen von rasierten Investoren und Aktionären. Dass die Finanzaufsicht FINMA mit einem Federstrich sogenannte CoCos, Zwangswandelanleihen im Buchwert von 16 Milliarden Franken, auf null abgeschrieben hat, wird noch jahrelange Rechtshändel mit Grossinvestoren nach sich ziehen, die sich das natürlich nicht einfach bieten lassen. Und Giganten wie Blackrock verfügen über eine Kriegskasse, die eher grösser als die des Schweizer Staates ist. Zudem kommen Klagen und Strafanzeigen – wie gerade «Inside Paradeplatz» berichtet – wegen «ungetreuer Geschäftsbesorgung» oder unwahren kaufmännischen Angaben. Und im Gegensatz zum Fall Vincenz ist hier durchaus Fleisch am Knochen.
Das haben sich die führenden CS-Manager durch eine mehr als ungeschickte Kommunikation selbst eingebrockt. Natürlich werden diese Klagen keine nennenswerten finanziellen Folgen haben; die Manager sind weitgehend haftungsfrei, den Rest erledigt ihre Haftpflichtversicherung. Aber sie erschüttern zusätzlich das Vertrauen in die Seriosität des Schweizer Finanzplatzes.
Womit wir beim grössten Kollateralschaden wären. Diese dilettantische Abwicklung der zweitgrössten Bank der Schweiz, die publizistische Wellen bis in die hintersten Winkel der Welt geworfen hat, richtet einen Schaden an, der zurzeit kaum zu ermessen ist. Angefangen damit, dass angeblich seriöse Schweizer Bankchefs in der gleichen Woche zuerst mit treuem Augenaufschlag versichern, dass sie keinerlei Staatshilfe bräuchten. Dann doch gerne die Kreditlimite von 50 Milliarden bei der SNB in Anspruch nehmen möchten. Dann noch eigene Schuldscheine zurückkaufen und behaupten, die Transformation laufe prächtig. Um schliesslich wie begossene Pudel auf dem Podium zu hocken, als das Ende ihrer Bank verkündet wird.
Wie eine Muppet-Show wirkte dann die Vorstellung der beiden Bundesräte, deren finanztechnisches Wissen von Karin Keller-Sutter perfekt auf den Punkt gebracht wurde, indem sie verkündete, dass sie dann auch ein Konto bei der CS habe, im Fall.
Am verheerendsten ist aber die Vernichtung von 16 Milliarden Franken investiertes Kapital. Völlig egal, ob das legal, halblegal oder illegal war: damit verabschiedet sich der Finanzplatz Schweiz aus der vertrauenswürdigen und seriösen Geldwelt. Wieso man dieses Geschenk der UBS machte, ist völlig unverständlich.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: die CS war nicht bankrott. Sie hatte noch genügend Eigenkapital. Sie hatte kein Solvenz-, aber ein Liquiditätsproblem. Im kurz vor der Bankrotterklärung veröffentlichten Jahresbericht wies die CS noch eine «Shareholder’s Equity» von 45 Milliarden aus. Auf Deutsch: jede Aktie hatte einen Wert von 11 Franken. Alleine die Schweizer Tochter stellte einen Wert von schätzungsweise 10 bis 15 Milliarden dar. Ein Kauf für 3 Milliarden plus die Übernahme von 19 Milliarden CoCos wäre immer noch ein Schnäppchen für die UBS gewesen. Die Risiken von Leichen im Keller werden ja – zu einer Liquiditätsspritze von 250 Milliarden hinzu – vom Steuerzahler abgedeckt.
Es ist also ein Bankerversagen. Ein Regierungsversagen. Ein Systemversagen mit unabsehbaren Folgen für den Finanzplatz Schweiz. Für die Schweiz insgesamt.
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