Island
Gigantische Eisberge, wilde Grizzlybären und tobende Schneestürme – alles, was die Natur hergibt, hält Stefan Forster mit seiner Fotokamera fest. Und geht dabei immer wieder aufs Neue an seine Grenzen, manchmal auch darüber hinaus. Der Ostschweizer lebt als Naturfotograf am Limit.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.
Island
Stefan Forster, Ihre Profi-Kamera haben Sie sich mit dem Geld gekauft, das Sie mit dem Verkauf eines Bildes – die Aufnahme des seltenen Kugelblitzes – verdient haben. Wie entstand das besagte Bild?
Es war ein magischer Moment, der Beginn meiner «Fotografenkarriere» – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Kaum war das Foto publik, kam ich zum ersten Mal mit der «Dunklen Macht» in Kontakt. Viele warfen mir vor, eine Hagelgranate fotografiert zu haben, zu lügen. Doch ich kann mich an jene Sekunden erinnern, in denen sich diese Kugel in der Luft bewegt hat und die Tesla-Fäden aus ihr hinaus geschlängelt sind.
Dieser «magische Moment» ist mittlerweile einige Jahre her. Wie haben sich seither Ihre Bilder entwickelt und auch verändert?
Ich habe seither nie wieder Blitze fotografiert. Der Kugelblitz war schlicht ein Glückstreffer. Aber die seltenen Wetterphänomene und Stimmungen sind geblieben. Diese liebe ich noch immer heiss. Ein sonniger Tag mit blauem Himmel ist für mich schlimmer als ein Regentag. An jenen Tagen, an denen die Menschen in Massen an die frische Luft gehen, bleibt meine Kamera meist zuhause. Ich reise aktuell rund die Hälfte des Jahres. Aber nicht immer alleine. Meist als Reiseleiter und Fotograf einer meiner Gruppen.
Viele versuchen sich an der Fotografie. Nur wenige können jedoch davon leben.
Seit die Fotografie so «einfach» geworden ist und Smartphones unglaublich gute Bilder schiessen, reicht es nicht mehr, sehr gute Bilder zu produzieren. Mein Geheimnis sind und waren die Diversifikation und hohe Investitionen in neuartige Technologien. So war ich einer der ersten Fotografen der Welt, die professionell mit grossen Drohnen fotografiert haben. Ebenfalls ist es ein Mix aus allen möglichen Tätigkeiten, die den Monatslohn schaffen. Ich referiere in der Schweiz, Deutschland und Österreich, verkaufe Bilder für Kalender, Bücher, Karten, unterrichte in Fotografie und führe ein Reisebüro für Fotografen und Fotoreisen. Das alles zusammen sorgt dafür, dass ich meine Rechnungen bezahlen kann. Reich wird man damit nicht.
Alaska
Warum haben Sie sich damals für die Naturfotografie entschieden? Sie hätten auch Menschen ablichten können.
Meine Liebe galt auch unabhängig von der Fotografie immer der Natur. Statt in meiner Jugend an Partys zu gehen, zeltete ich alleine im Wald, pirschte mich an Rehe und Füchse heran und genoss die frische Luft in der Natur. Den Menschen ging ich eigentlich meistens aus dem Weg. Ich bin zwar ein sehr geselliger Mensch, aber Interaktion mit Mitmenschen braucht für mich sehr viel Energie. Energie, die ich in der Natur und im Alleine-sein wieder finde.
Was fasziniert Sie an der Natur so sehr?
Die Ruhe, die Möglichkeit, dem Wind zu lauschen, zu beobachten und herunterzufahren. Ich wohne im zwischen zwei Autobahnen eingeklemmten Ort Diepoldsau. Die permanente Lautstärke wird von Tag zu Tag mehr. Umso mehr zieht es mich in den Alpstein, in die Ruhe der Berge.
Was ist rückblickend das schönste und speziellste Foto, das Ihnen je gelungen ist? ?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Mir gefallen alle Bilder gleichermassen, einzig jene aus meiner ersten und letzten China-Reise lassen mit nicht so positiv zurückblicken. Ich war schockiert von den Massen an Menschen, dem Smog, der Lautstärke und der Zerstörung der Natur.
Ein Foto ist immer eine Momentaufnahme. Wie viele Stunden müssen Sie aufwenden, bis das Resultat ersichtlich ist? ?
Ich sage immer: Ein gutes Bild entsteht, wenn man so oft an einen bestimmten Ort reist, bis die Aufnahme perfekt ist. Da ich das noch nie geschafft habe, reise ich weiterhin jährlich zu denselben Orten. Ich bin auch nicht der stereotypische Fotograf, der stundenlang mit Stativ vor Ort steht. Ich bin ständig in Bewegung. Wenn ich drei Minuten am selben Ort verweile, hat das schon fast Seltenheitswert. Ich werde oft als Eichhörnchen auf Red Bull bezeichnet.
Island
Betrachtet man Ihre Bilder, erscheint es nahezu unmöglich, dass hier wirklich nicht getrickst wurde.?
Wer mich bei meinen Reisen beobachtet und erlebt hat, glaubt mir. All jene, die mir Tricks vorwerfen, kann ich sowieso nicht eines Besseren belehren. Ich geniesse unter den Fotografen den Ruf eines Puristen, da ich Stimmungen nie fälsche. Ich reise so oft an einen Ort, bis das Licht einzigartig ist. So entstehen gute Bilder. Weil aber heute viele Fotografen keine Geduld und Zeit mehr dafür aufbringen, wird viel getrickst und es werden Bilder aus verschiedenen Tageszeiten und Orten zu einem farbigen «Kunstwerk» zusammengefügt. So etwas bezeichne ich nicht als Fotografie.
Sie haben vorhin auch das Thema Umweltschutz angesprochen. Ihr Beruf verlangt jedoch das Reisen…
Mein Beruf ist schlicht und einfach Umweltzerstörung. Autofahren, Fliegen, Schiff fahren, teure Ausrüstung herumtragen, Akkus für allerlei Geräte, etc. Das, was ich machen kann, ohne den Beruf aufgeben zu müssen, mache ich. Obschon ich eine Frau und einen kleinen Jungen habe, die mich gerne zwischen den Reisen sehen würden, fliege ich oft nicht mehr nach Hause, sondern hänge Reisen zusammen. So habe ich fast 60 Prozent meiner Flüge reduzieren können.
Namibia
Sie fotografieren bei eisiger Kälte, strömendem Regen und hohen Temperaturen. Wie halten Sie solche Extremsituationen aus? ?
Ich liebe solche Extremsituationen. Die Kälte jedoch deutlich mehr als die Hitze. Anziehen kann man immer, ausziehen ist beschränkt möglich. Ich blühe in Stürmen richtig auf. Wenn andere fliehen, beginnt mein Gesicht zu strahlen.
Ihr Job ist nicht gerade ungefährlich. In Ihrem Blog beschreiben Sie Schneestürme, vor denen sie fliehen mussten. Sie sind in einsamen Gewässern mit deinem Kajak unterwegs, klettern alleine auf Berge… Wie gehen Sie mit der Angst um?
Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich solche Situationen teils nicht auch suchen würde – aber definitiv keine lebensgefährlichen Situationen. Seitdem ich Vater bin, hat sich meine Risikobereitschaft auf ein Minimum reduziert. Und doch sage ich immer: Lieber mit 50 Jahren bei dem sterben, was man liebt, als mit 85 Jahren mit einer Liste voller Dinge zu sterben, die man immer hätte tun wollen und trotzdem nie umgesetzt hat. Ich lebe effektiv jeden Tag so, als wäre es mein letzter.
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Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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