Im Mittelpunkt des diesjährigen Mediengesprächs der Pädagogischen Hochschule St.Gallen stand die rasante technologische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf Schule und Bildung.
- «Um die Herausforderungen erfolgreich meistern zu können, braucht es genügend Fachkräfte mit MINT-Kompetenzen», sagte Stefan Kölliker, Bildungsdirektor und Präsident des Hochschulrats. Das neue MINT- Zentrum im Hadwig leistet hierfür einen wichtigen Beitrag.
Die Entwicklungen in den technologischen, digitalen und wissenschaftlichen Bereichen schreiten zügig voran und werden die Gesellschaft nachhaltig verändern. «Auch die Schule wird sich wandeln und ihre Funktion und wirksame Realisierung neu ausrichten müssen», sagte Rektor Horst Biedermann am diesjährigen Mediengespräch der PHSG vom Mittwoch, 16. Juni 2021. Nicht ändern werde sich dabei aber die Tatsache, dass nachfolgende Generationen weiterhin auf ein eigen- und gemeinschaftsverantwortliches Leben im Erwachsenenalter vorbereitet werden müssen. «Damit bleibt die Schule ein Ort der Weltbegegnung», sagte Biedermann. Diese kann auf unterschiedliche Weise stattfinden: kognitiv-instrumentell über Mathematik, Informatik und Naturwissenschaft, ästhetisch- expressiv über Musik, Kunst und Literatur, normativ-evaluativ über Geschichte, Ökonomie und Politik oder konstitutiv-rational über Philosophie und Religion. «Dabei ist wichtig», so der Rektor, «verschiedene Erfahrungen zu sammeln, sie kritisch-konstruktiv zu reflektieren und in vielfältige Anwendungsbereiche zu transformieren».
Stefan Kölliker, Bildungsdirektor und Präsident des Hochschulrats der PHSG, betonte, dass die Herausforderungen des technologischen und digitalen Wandels nur erfolgreich gemeistert werden können, wenn es genügend Fachkräfte mit ausgeprägten MINT- Kompetenzen gibt. «Momentan ist dies in der exportorientierten Ostschweizer Wirtschaft nicht der Fall», sagte er. «Der Fachkräftemangel ist in den letzten Jahren stetig gestiegen.» Mit der IT-Bildungsoffensive, die vor eineinhalb Jahr gestartet wurde, will man dem entgegenwirken. Das Interesse an den MINT-Berufen müsse bereits während der Schulzeit geweckt werden und nicht erst bei der Suche nach einer Lehrstelle oder der Wahl des Studienfachs. Hier setzt die PHSG mit ihrem neuen MINT-Zentrum an. «Von der innovativen Infrastruktur des MINT-Zentrums profitiert die gesamte Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen», sagte Kölliker. «Damit kann die PHSG einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Fachkräfte von morgen und zur Stärkung der Ostschweizer Wirtschaft leisten.»
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Jahresmediengespräch 2021 an der PHSG (von links): Stefan Kölliker, Regierungsrat und Präsident des Hochschulrats der PHSG; Nicole Bruderer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut Professionsforschung & Kompetenzentwicklung; Prof. Dr. Horst Biedermann, Rektor der PHSG; Dr. Lena Hollenstein, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut Lehr-Lernforschung, Institut Professionsforschung & Kompetenzentwicklung; Daniela Schriebl, Studienbereichsleiterin Mathematik, Natur- und Geisteswissenschaften; Prof. Dr. Nicolas Robin, Leiter Institut Fachdidaktik Naturwissenschaften und Fachleiter Biologie
Zeitgemässe Lehr- und Lernräume
Die Bauarbeiten für das neue MINT-Zentrum am Standort Hadwig sind seit wenigen Wochen in vollem Gange. Geplant ist, dass es im September 2022 in Betrieb genommen werden kann. In den neuen Räumen sollen künftige Lehrpersonen unter zukunftsgerichteten Bedingungen, die das Arbeiten an aktuellen naturwissenschaftlichen und technischen Fragestellungen gewährleisten, ausgebildet werden. Die Lehr- und Lernräume setzen ein fundiertes fachdidaktisches Konzept um, das sich unter anderem durch eine bereits
bewährte Raumgestaltung, insbesondere durch Experimentierinseln ausdrückt. Zudem ist es wichtig, dass sich Studierende, Expertinnen und Experten aus Fachwissenschaften, Fachdidaktiken sowie fachdidaktischer Forschung und Entwicklung an einem Ort austauschen und zusammenwachsen können. Der Transfer zwischen Forschung und Lehre ist somit gewährleistet. «Gemeinsam schaffen sie eine Aus- und Weiterbildung, die zum einen aktuelle Forschungs- und Entwicklungsbemühungen einbezieht, zum anderen projektartig und fächerübergreifend die Lehre gestaltet», sagte Nicolas Robin, Leiter Institut Fachdidaktik Naturwissenschaften, Fachleiter Biologie. Umgekehrt werden Forschung und Entwicklung durch die unmittelbare Nähe zur Lehre befruchtet.
Kinder interessieren sich für digitale Themen
Mit der digitalen Bildung sollte jedoch bereits im Kindergarten begonnen werden. Die PHSG hat zwei Projekte erprobt, welche die digitale Bildung von Kindern im Kindergarten fördern. Dabei handelt es sich zum einen um das Entwicklungsprojekt «Wir spielen die Zukunft – Gendersensible Freispielimpulse im Kindergarten zur digitalen Transformation», zum anderen um «Tech Toy: Grow, Develop, Play – Zeit am Bildschirm in sinnvolle Lernzeit umwandeln». Beide Projekte fokussieren auf das Freispiel im Kindergarten. Das heisst, es beinhaltet keine geführte Sequenz von Lehrpersonen. «Mit den Projekten sollten sich die Kinder als aktiv Handelnde im Kontext von digitalen Themen erfahren und Identifikation mit sowie Interesse an diesen Themen entwickeln», sagte Lena Hollenstein, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Lehr-Lernforschung und Lehrbeauftragte Natur, Mensch, Gesellschaft auf der Kindergarten- und Primarstufe. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen: Die digitalen Themen sind schon heute in der Lebenswelt der Kinder enthalten, und die Kinder sind motiviert und interessiert daran, sich mit diesen Themen spielerisch auseinanderzusetzen. Dabei üben sowohl Mädchen als auch Buben wichtige Fähigkeiten, um später ihre Zukunft aktiv mitgestalten zu können.
Junge Erwachsene und ihr Smartphone
Ein anderes Forschungsprojekt der PHSG, das im Rahmen des von der Internationalen Bodenseehochschule IBH unterstützten Kooperationsprojekt «Digitale Bildung» durchgeführt wurde, hat sich mit jungen Erwachsenen und dem Zusammenhang von digitaler Aktivität, sozialer Kompetenz und gesellschaftlichem Engagement auseinandergesetzt. Rund 3500 Lernende im Kanton St.Gallen nahmen an der Studie teil. Ausgewertet wurden die Daten von 1537 volljährigen jungen Erwachsenen. 65 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sich ihre digitale Aktivität seit dem ersten Lockdown erhöht, aber nicht verdoppelt habe. «Am häufigsten nutzen sie ihr Smartphone, um sich mit anderen zu vernetzen und sich zu informieren», sagte Nicole Bruderer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Professionsforschung & Kompetenzentwicklung. Gleichzeitig setzen sie ihr Smartphone auch für ihr Engagement ein: So nutzen sie zum Beispiel die App «Too Good To Go», um Lebensmittel vor der Verschwendung zu retten, oder organisieren über eine andere App Ferienlagerwochen für Jugendgruppen. Überrascht hat die Forschenden das «feine Gespür» der Lernenden für den Umgang mit dem Smartphone. «Sie wissen genau, was sich etwa in der Öffentlichkeit, der Schule oder zuhause am Esstisch gehört», sagte Bruderer. In einem nächsten Schritt werden nun Bezüge zwischen Sozialkompetenz, freiwilligem Engagement und digitaler Aktivität vertieft untersucht, um sie jeweils als Ressource für Lernende zu stärken.