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Schlappe für den Staatsanwalt

Das Verfahren gegen Vincenz wird immer fragwürdiger

Vincenz? Pierin Vincenz? Genau, da war doch mal was, nur was genau? Eine Beschuldigung, ein Sturz, üble Verdächtigungen. Was ist eigentlich seither geschehen - und was ist von all dem geblieben? Unter anderem eine üble Klatsche für die Staatsanwaltschaft.

«Die Ostschweiz» Archiv am 16. März 2019

Inzwischen ist es ein Jahr her, dass der ehemalige Boss der Schweizer Raiffeisen und sein engster Geschäftspartner nach Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Befragungen in Untersuchungshaft genommen wurden.

Ein tiefer Fall des bodenständigen Lieblings der Bankenszene, der mit seinem Berglercharme, Charisma und Eloquenz die ehemalige Bauernbank zur Nummer drei unter den Schweizer Finanzhäusern gemacht hatte. Sein Stellvertreter und Nachfolger Patrik Gisel konnte noch letztes Jahr den besten Jahresabschluss aller Zeiten für 2017 verkünden – bis auch er seinen Stuhl räumen musste. Alleine die Nähe zu Vincenz genügte dafür – und eine Medienkampagne gegen Vincenz, Gisel und die Raiffeisen als solche.

Über drei Monate schmorten der ehemalige Superstar der Schweizer Bankenwelt und sein Kompagnon in U-Haft. «Ungetreue Geschäftsbesorgung», lautete die Anschuldigung, auf Deutsch: Vincenz habe auf Kosten der Bank mittels seines Kompagnons als Strohmann beim Ankauf von Firmen in den eigenen Sack gewirtschaftet.

Das wäre nicht nur unfein, sondern natürlich auch strafbar. Aber schwer zu beweisen, denn für eine Verurteilung braucht es den Nachweis der Bereicherungsabsicht und der Schädigung der Firma, deren Geschäfte besorgt wurden.

Obwohl der Tamedia-Konzern nicht müde wurde, die angeblich umfassende und profunde Untersuchung des Falls durch einen einschlägig bekannten Staatsanwalt zu begleiten, zu loben und eine Anklageerhebung mehrfach anzukündigen, ist bislang – weiter nichts passiert. Eine Anklage erfolgte weder im Herbst 2018 noch Ende Jahr, und ob es tatsächlich dazu kommt, wird immer fraglicher.

Ist das auch eine haltlose Prognose wie diejenigen von Tamedia? Nein, es gibt etwas Neues zu vermelden. Eigentlich etwas Altes, aber das entsprechende Urteil des Bundesgerichts vom März letzten Jahres wurde erst unlängst veröffentlicht.

Die 1. öffentlich-rechtliche Abteilung des obersten Schweizer Gerichts hatte darüber zu befinden, ob von der Staatsanwaltschaft Zürich beantragte Telefonüberwachungen gegen Vincenz und seinen Kompagnon zu Recht vom Zürcher Obergericht abgeschmettert wurden.

Bei diesem Eingriff in die Privatsphäre müssen belastbare Gründe angeführt werden, damit das sogenannte Zwangsmassnahmengericht einem Antrag auf Abhören zustimmt. Um Zufallsfunde zu verhindern, müssen nicht nur die Gründe ausgeführt werden, sondern auch die Themenbereiche, in denen abgehörte Gespräche dann allenfalls bei der Strafuntersuchung und der Gerichtsverhandlung verwendet werden können.

Wenn also beispielsweise einer der Geldwäscherei verdächtigt und deshalb sein Telefon abgehört wird, können die Strafverfolgungsbehörden nicht ohne Weiteres Aussagen verwenden, die sich auf eine vorher unbekannte Verwicklung in Drogenhandel beziehen. Einem solchen Beifang sind enge Grenzen gesetzt.

Deshalb erlaubte das zuständige Gericht das Abhören nur in Zusammenhang mit einem spezifischen Sachverhalt, die anderen Anträge des Staatsanwalts lehnte es ab. Und das Bundesgericht stützt diese Ablehnung und zerreisst die Argumente in der Beschwerde des Staatsanwalts in der Luft.

Man habe mittels Telefonüberwachung «synchron und gut vorbereitet» auf die Beschuldigten losgehen wollen, begründet der Staatsanwalt. Dagegen führt das Bundesgericht an, dass kurz nach dem Gesuch Vincenz und sein Kompagnon in U-Haft genommen wurden: «Ein synchroner und gut vorbereiteter Zugriff auf die beiden Beschuldigt6en war also offenbar auch ohne die Erkenntnisse aus der nicht genehmigten Überwachung möglich.»

Eine weitere Klatsche für den glücklosen Staatsanwalt, dazu noch mit einem ironischen Ton serviert, mit dem das Bundesgericht offensichtlich durchblicken lässt, dass es sowohl die Anträge auf Telefonüberwachung wie die Beschwerden gegen ihre Ablehnung für völlig überflüssig hält.

Damit ist natürlich keineswegs erwiesen, dass Vincenz und sein Kompagnon unschuldig sind. Es ist hingegen seit einem Jahr erwiesen, dass die gesetzlich geforderte Unschuldsvermutung für sie beide, spätestens nach der Untersuchungshaft, nicht mehr gilt. Es ist auch erwiesen, dass der ermittelnde Staatsanwalt einmal mehr Gefahr läuft, zwar den Ruf eines erfolgreichen Managers ruiniert zu haben, aber letztlich auch diesen Fall nicht zur Anklage, geschweige denn zu einer Verurteilung zu bringen.

Während die Kampagnenpresse, die monatelang aus Interna und ihr zugesteckten Unterlagen zitierte, diese Niederlage des Staatsanwalts mit Schweigen übergeht.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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