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Gastbeitrag

Das Zertifikat und die Einsamkeit

Die Schweiz ist nicht mehr die Schweiz, die wir kennen und lieben. Die Zeit, die wir gerade erleben, scheint sehr aussergewöhnlich. Für Gross und Klein. – Ein Gastbeitrag von Madleina Manetsch.

Madleina Manetsch am 15. September 2021

Ich denke an Frau E.. Eine hübsche und sehr nette Dame um die 85 Jahre alt, die täglich mit dem Hund spazieren geht.

Frau E. ist in Zürich geboren und lebt noch heute da. Sie liebt Kaffee und Gipfeli nach dem Spaziergang. Heute sitzt sie auf der Terrasse eines hübschen Cafésim Seefeld. Sie sieht mich und winkt. Ich gehe kurz zu ihr. Ich frage, wie es ihr geht. Ihr Blick wird etwas düster.

«Wissen Sie», sagt sie, «ich werde meine Besuche im Café sehr vermissen. Es ist nicht einfach Kaffee trinken. Es ist viel mehr.»

Ich kenne Frau E. schon länger. Sie erzählt mir gerne und viel aus ihrem interessanten Leben. Leider wurde Frau E. früh Witwe. Ihre Tochter lebt schon lange im Ausland.

«Einige Gäste im Café sind meine Freunde geworden. Wir treffen uns drei bis vier mal die Woche im Café. Immer um die gleiche Zeit. Wir trinken Kaffee zusammen, geniessen ein Gipfeli und tauschen uns aus.»

Frau E. wirkt nachdenklich. Sie wirkt aber auch traurig.

«Ich weiss nicht wie es mir gehen wird, in der kalten Jahreszeit. Ich werde das hier vermissen», sagt Frau E. und zeigt auf ihre Kaffeetasse.

Die Covid19-Impfung hat sie schon früh abgelehnt. Bewusst. Denn Frau E. hat früher als Laborantin gearbeitet und traut diesem Impfstoff nicht. Der sei nämlich zu wenig geprüft worden, erklärte sie mir.

Frau E. trägt nur dort eine Maske, wo sie unbedingt muss. Die Gesichtsmaske bereitet ihr Mühe. Sie leidet öfters an Atemnot. Mit der Gesichtsmaske bekommt sie dann Angst. Vor dem Virus hat sie keine Angst.

«Werden Sie mich besuchen, wenn Sie mich hier nicht mehr antreffen?», fragt Frau E. und schaut mich aufgewühlt an.

«Ich werde Sie sehr gerne besuchen. Wenn Sie nicht mehr Kaffee trinken gehen können, kommt der Kaffee zu Ihnen», antworte ich ernst. Denn ich meine das auch so.

Frau E. lacht.

Mit Menschen in Kontakt zu sein, stärkt das Wohlbefinden. Einsamkeit ist kein Zustand, sondern ein Gefühl.

Die Coronamassnahmen haben das Gefühl der Einsamkeit gerade für viele ältere Menschen noch verstärkt.

Ältere Menschen haben aus Sorge vor Ansteckung mit dem Coronavirus mehrere oder sogar alle sozialen Kontakte abgebrochen.

Viele Veranstaltungen für Seniorinnen und Senioren sind schon länger oder wieder weggefallen.

In einigen Pflegeheimen ist nicht mal das gemeinsame Mittagessen erlaubt. Ungeimpfte Bewohnerinnen und Bewohner dürfen das Zimmer nicht verlassen. Zum eigenen Schutz, heisst es.

Die Coronakrise ist für alleinlebende, ältere Menschen zusätzlich eine besonders grosse Herausforderung. Und die Menschen, die gegen eine Covid19 Impfung entscheiden, müssen nun auf sehr vieles verzichten.

Bald kommt der Herbst. Und danach kalte Wintertage.

Das trübe, dunkle und kühle Herbstwetter fördert Depressionen. Das kann vor allem älteren Menschen, die einsam oder krank sind, schnell den Boden unter den Füssen wegziehen.

Den ungeimpften, älteren Menschen wird nun der für viele Seniorinnen und Senioren einzige Kontakt zur Aussenwelt verboten.

Kein Zertifikat ? Kein Essen im Restaurant. Kein Theaterbesuch. Die Enkelkinder können nicht mit den Grosseltern in den Zoo oder zum Glacé essen.

Die Massnahmen machen nun ungeimpfte Menschen zur Randgruppe. Einsamkeit kann zu Depressionen führen. Der Blutdruck verändert sich. Wir schlafen dann nicht mehr gut.

Einsamkeit auf Dauer - ein ernsthaftes Problem für die Gesundheit.

Und das, um gesund zu bleiben, wie uns gesagt wird.

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Autor/in
Madleina Manetsch

Madleina Manetsch (*1973), Fachfrau Gesundheit EFZ, arbeitet in der Langzeitpflege und - betreuung in einer privaten Spitex im Kanton Zürich.

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