Noch einige Tage lang – voraussichtlich – quält uns Facebook mit Schweizerdeutsch. Was wohl als Gag gedacht war, ist vor allem für St.Galler eine Pein. Denn man verlangt von ihnen, zum Senf zu greifen.
Am 1. August, logisch, war der Auftakt, dauern soll es eine Woche lang, wobei unterschwellig damit gedroht wird, dass die Aktion nicht zwingend nur temporär sein müsse. Die Rede ist von Facebook, das – zumindest in der Desktopvariante und bei Android – auf Mundart setzt. Und zwar bei den Beitragsoptionen.
Neu heisst es nicht mehr «teilen», sondern «wiiterschickä», wir werden nicht gefragt « Was machst du gerade?», sondern «Was machsch grad?», und im Eingabefenster wird man aufgefordert: «Gib din Sänf dezue».
Die öffentliche Reaktion ist nicht eben berauschend. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass eine solche Mission sowieso zum Scheitern verurteilt ist. «Den» Schweizer Dialekt gibt es nicht, viele Landesteile fühlen sich nicht unbedingt vertreten durch die gewählte Version. Aber es gibt auch noch andere Kritikpunkte. Eine Nutzerin fühlt sich beispielsweise bei «Find i guet» (das ersetzt «Gefällt mir») immer unangenehm an Roger Schawinski erinnert, man hört ihn förmlich aus den Worten heraus. Ein anderer beklagt «Brechreiz und Augenkrebs» beim Anblick der zwanghaft lustigen Massnahme in einem sonst hochdeutschen Umfeld.
Am schlechtesten leben mit der Veränderung können vermutlich die St.Gallerinnen und St.Galler, die nun nichts mehr kommentieren können, ohne zum Senf zu greifen, diesem natürlichen Feind der Bratwurst. Jahrelanger Kampf gegen die Verunreinigung der Spezialität durch einen banalen Geschmacksverstärker waren offenbar vergeblich, nun wird uns der Senf regelrecht aufgenötigt.
Kommt dazu, dass die findigen Werber sich offenbar nicht bewusst waren, dass die Redewendung «seinen Senf dazugeben» eher negativ gemeint ist. Sie wird gerne angewendet, wenn sich jemand in ein Gespräch einmischt, ohne dass man ihn dazu aufgefordert hätte.
Aber woher kommt das geflügelte Wort eigentlich? Gemäss verschiedenen Quellen geht es auf das 17. Jahrhundert zurück, eine Zeit, in der Senf noch teuer und vor allem etwas für betuchte Leute war. Damals soll es Wirte gegeben haben, die einen Klecks Senf zu buchstäblich jeder Mahlzeit auf den Teller taten, um das Servierte kostbarer erscheinen zu lassen. Allerdings war das je nach Menü nicht unbedingt eine sinnvolle Wahl. Weil niemand danach gefragt hatte und der Senf ohne Aufforderung auf dem Teller landete, hiess es dann irgendwann eben «den Senf dazugeben», wenn sich jemand ungefragt einmischte.
Bei Facebook für die Aktion zuständig war übrigens ein in Berlin lebender Österreicher. Sein Heimatland sollte sich für den 26. Oktober schon einmal mental vorbereiten. Dann feiert Österreich den Nationalfeiertag. Vielleicht hat der «Communication Manager» ja etwas Ähnliches vor. Die Antwort wäre dann vermutlich ein knappes «Schleich di».
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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