logo

Zeitreise

Der 18. November 2020: Ein Rückblick in Schlagzeilen

Wo standen wir vor exakt einem Jahr in der Coronasituation? Worüber wurde gesprochen und geschrieben am 18. November 2020? Eine Reise durch die Zeit in Schlagzeilen. Erhellend, vielsagend – und beunruhigend.

Stefan Millius am 17. November 2021

Wir schreiben den 18. November 2020. Heute vor einem Jahr. Die Zeitungen waren voll von Corona. So wie heute. Aber einiges war anders. Begeben wir uns auf die Zeitreise.

20 Minuten online:

«Ich dachte, Corona sei eine erfundene Sache, dann erkrankte ich selbst»: Drei Skeptiker berichten, wie sich ihre Meinung zur Corona-Pandemie verändert hat.

So beginnt der Artikel von exakt vor einem Jahr. Ein Abziehbild von heute. Eben erst wurde uns ein «Impfgegner» präsentiert, der nun an Corona erkrankt ist und alles zurücknehmen will. Der Einzelfall wird zur Botschaft. Aber mit anderen Vorzeichen. Vor einem Jahr gab es noch keine Impfkampagne. Heute wissen wir, dass dieselbe Story auch ein Geimpfter durchleben könnte. Aber das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur: Leute vorzuführen, die «skeptisch» waren und nun geläutert sind.

blick.ch:

2000 Polizisten: Corona-Skeptiker-Demo in Berlin eskaliert.

Der Titel zieht. Aber worin bestand die Eskalation? In erster Linie darin, dass kaum jemand Maske trug. Einige Personen wurden verletzt. Unter welchen Umständen: Wir erfahren es nicht. Vielleicht lag der Fehler darin, dass 2000 Polizisten eingesetzt wurden, um – laut Bericht – einige hundert Massnahmenkritiker in Schach zu halten. Wovon sollten sie abgehalten werden? Von der freien Meinungsäusserung? Ein Jahr später sieht es nicht anders aus, Stichwort Bern. Lerneffekt: Null. Aktion provoziert Reaktion.

«Der Bund»:

Bussen für Maskenverweigerer: Ueli Maurer hält den Corona-Rebellen eine Standpauke

Unser Ueli ganz hart. Vor einem Jahr hinterfragte er nichts und befand schlicht und einfach: Regel ist Regel. Ob es nun den Strassenverkehr betrifft oder die Coronamassnahmen. Wenn die Maske vorgeschrieben ist, hat man sie zu tragen, basta. Weniger als ein Jahr später fotografierte man ihm im Trychler-Hemd. Eine erstaunliche Wandlung. Vom braven Mitglied eines Kollegiums zum Ausscherer. Schön.

Walliser Bote:

Kinder fordern: «Corona, geh weg!»

Die einzige Tageszeitung im deutschsprachigen Wallis hörte sich in einem Kindergarten in Visp um: Wie betrifft die Situation die Kinder? Ein löbliches Vorhaben. Allerdings war im ganzen Artikel die Rede davon, wie sehr Corona die Kindergärtler betreffe. Dabei waren es wohl in erster Linie die Massnahmen, unter denen sie litten. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien im Land platzen aus allen Nähten. Und dafür ist kein Virus verantwortlich. Sondern der «Kampf» gegen dieses.

blick.ch:

Ausstattung eines Intensivbetts: Es kostet 200'000 Franken. Knapp 80 Prozent der 1142 Intensivbetten in Schweizer Spitälern sind belegt – 60 Prozent davon mit Corona-Patienten.

Der «Blick» nimmt sich dem Thema Intensivbetten an. In einem für seine Verhältnisse langen Artikel hinterfragt er aber nicht, warum sich die reiche Schweiz mit so wenig Ressourcen im Intensivpflegebereich zufrieden gibt. Er kolportiert einfach eine Zahl, der eine vorangegangene Reduktion zugrunde liegt – und schürt die Panik damit weiter.

Schaffhauser Nachrichten:

Schweden hat zurzeit die Nase vorn mit seiner Corona-Strategie

Die Lokalzeitung rechnet vor, dass Schweden bezüglich Fall- und Todeszahlen vor der Schweiz liegt, obschon Schweden früh deklariert hat, den Massnahmenwahnsinn nicht mitzumachen. Eine löbliche Ausnahme, Schweden wird seit Ewigkeiten totgeschwiegen. Ein Land, das sich dem «zero Virus»-Motto nicht anschliessen mag und Corona wie jede andere Virenerkrankung behandelt: Das darf einfach nicht funktionieren. Und wenn doch, darf es keine Schlagzeilen machen.

Thuner Tagblatt:

Corona-Ausbruch in 61 Altersheimen:  Pflegeinstitutionen am Anschlag Berner Alters- und Pflegeheime sind erneut ein Pandemie-Hotspot. Dort sterben täglich ein halbes Dutzend Personen am Virus. Es herrscht Personalnotstand.

Was für eine Überraschung! So wenig man zu Beginn über Corona wusste, eines war sehr früh klar: Es gibt klar umrissene Risikogruppen, die es zu schützen gilt. Gemacht wurde das so gut wie gar nicht. Das Personal kam von überall her und stand ungetestet an den Betten. Ja, Corona tötet alte Menschen. Die Grippe macht das auch, Jahr für Jahr.  Aber hier dienten die bekannten Fakten zur Unterstützung der These, wie schlimm die Pandemie sei.

Thurgauer Zeitung:

Kein Bett für Corona-Skeptiker? – Gesundheitsökonom Willy Oggier schlägt vor, dass man härter durchgreift gegen Leute, welche die Corona-Massnahmen nicht einhalten.

Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was heute als salonfähig gilt: Schon vor einem Jahr schlug ein Gesundheitsökonom vor, Leute, die sich nicht an die Regeln halten, im Zweifelsfall sterben zu lassen. Noch bevor die Impfung kam. Willy Oggier war ein Vorreiter der Unmenschlichkeit. Er erhielt danach viele böse Zuschriften, aber heute würde kein Hahn mehr danach krähen. Es gilt als akzeptiert, «Regelbrecher» auszugrenzen. Damals waren es Leute, die gegen die Massnahmen verstiessen, heute sind es Ungeimpfte.

Zürcher Unterländer:

«Die Disziplin hat sich enorm verbessert»: Eine Corona-Patrouille der Kantonspolizei zeigt, dass das Verständnis für die Gesundheitsmassnahmen im Zürcher Unterland gross ist.

Die Lieblingsdisziplin jeder Lokalzeitung: Lasst uns mit Polizisten mitfahren und eine Reportage schreiben! Mit dem oben erwähnten Ergebnis. Schonungslos sorgte die Polizei für eine Einhaltung der Regeln. Dass diese nichts brachten, ist ein anderes Thema. Hauptsache, alle spielen mit.

srf.ch:

Biontech-Impfstoff vor Zulassungsantrag: Schutz von 95 Prozent

Wer kann denn da noch zögern? Ein Schutz von 95 Prozent. Wie wir heute wissen, hält dieser Schutz im besten Fall einige Monate an. Dann ist Sense. Aber Pfizer/Biontech soll es recht sein, nur eine erneute Impfung spült Geld in die Kasse. Wäre ja tragisch, wenn es mit zwei Durchgängen erledigt ist. Ein Jahr nach dieser euphorischen Schlagzeile schreit alles nach dem «Booster», der natürlich auch nur Auftakt ist für weitere Runden an der Spritze.

Es ist erstaunlich, wie viel innerhalb eines Jahres passieren kann. Und wie wenig man daraus lernt.

Highlights

Nach Kommentar von Stefan Schmid

Interessenkonflikt beim Tagblatt-Chefredaktor?

am 07. Mai 2024
Lehrperson filmte heimlich

Nach den Übergriffen an der St.Galler «Flade» sagt Psychologe: «Wenn man nicht ernst genommen wird, kommt ein Gefühl von Ohnmacht auf»

am 08. Mai 2024
Lage entspannt sich wieder

Nach Missbrauchsskandal der Kirche sagt Thomas Franck: «Es gab sehr viele Kirchenaustritte, aber nicht so viele, wie ich persönlich befürchtet habe»

am 05. Mai 2024
DG: DG: Politik

Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

am 06. Mai 2024
Banker-Saläre

Es ist völlig in Ordnung, wenn Sergio Ermotti 14 Millionen Franken Lohn erhält

am 03. Mai 2024
Mangelndes Interesse?

Weil das Umfeld nicht vergessen werden darf: In St.Gallen sollen Angehörige psychisch Kranker ein Gehör finden

am 07. Mai 2024
20 Jahre Jubiläum

Bianca Mosimann feiert das Jubiläum ihres Coiffeurgeschäfts in St.Gallen: «Es war eine gute Zeit, und ich würde keinen Tag davon missen wollen»

am 06. Mai 2024
Zoomer Agency

Funktioniert Werbung überhaupt noch? Die St.Galler Werbeagentur sagt: «Hochwertiger Content auf TikTok geht oft unter»

am 09. Mai 2024
Serie «Warbird»

Nach einem Einsatz über Augsburg musste ein Bomber im Rheintal zur Landung ansetzen

am 08. Mai 2024
Serie «Warbird»

Der «Death Dealer»: Erster amerikanischer Bomber landet in der Schweiz

am 05. Mai 2024
Positive Dynamik fortsetzen

So sieht die neue St.Galler Departementsverteilung aus

am 08. Mai 2024
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.