Die SVP will einen zweiten Sitz in der St.Galler Regierung erobern. Mit wem, das entscheidet sich am 12. Dezember. Es wäre allerdings eine grosse Überraschung, wenn nicht Fraktionspräsident Michael Götte nominiert wird. Das Hauptargument dürfte sein: Der Gegenspieler hat noch viel Zeit.
Parteien - und zwar alle - betonen stets, über ein fast unermessliches Reservoir an fähigen Persönlichkeiten für jedes Amt zu verfügen. Wird es dann konkret, suchen sie fieberhaft nach valablen Kandidaturen, die qualifiziert sind, die antreten wollen und die vor allem auch Wahlchancen haben. Und was übrig bleibt, ist meist ein dünnes Feld. Denn es müssen eben alle Kriterien erfüllt sein.
Das gilt auch jetzt, wo es für die SVP um die Kür des Regierungsratskandidaten geht. Am 12. Dezember stehen sich Michael Götte und Ivan Louis gegenüber, zwei, die in vielen Punkten vergleichbar, in anderen aber denkbar unterschiedlich sind. Was sie eint, ist ihre gemässigte Haltung und konziliante Art, die sie von manchem «SVP-Rabauken» trennt. Punkto Werdegang und auch politischer Laufbahn trennt sie aber auch einiges.
Jemand wie Michael Götte, Tübacher Gemeindepräsident, langjähriger Kantonsrat und Chef der SVP-Fraktion, ist bei der SVP in aller Regel gesetzt, wenn Kandidaten gesucht werden. Er will, und er erfüllt die Voraussetzungen. Am Willen besteht ohnehin kein Zweifel. Bereits 2012 kandidierte Götte für die St.Galler Regierung, bei den jüngsten Nationalratswahlen legte er grosse Ambitionen an den Tag. In den Jahren dazwischen wurde sein Name so gut wie immer genannt, wenn es um wichtige Ämter geht.
Was natürlich auch Risiken birgt. Sollte es im März mit der Wahl nicht klappen, stellt sich die Frage, ob Götte es auf Belieben weiterhin mit Kandidaturen für die Regierung weitertreiben kann. Ein dritter Anlauf könnte für manchen nach Zwängerei aussehen. Dabei ist der Tübacher erst 40, wäre also auch in vier oder acht Jahren im besten Alter.
Anders sieht die Lage aus bei Ivan Louis. Der Toggenburger ist seit vier Jahren im Kantonsrat, steckt also in seiner ersten Legislatur - und hat das Parlament in dieser Zeit bereits präsidiert. Das ist ziemlich aussergewöhnlich und zeigt, dass der IT-Unternehmer im Kantonsrat breit getragen wird. Dass er zarte 29 Jahre alt ist, merkt man ihm nicht an, er ist weder ein Heisssporn noch ein übertriebener Visionär.
Das heisst, dass auch Louis für die SVP einen Glücksfall darstellt. Aber vermutlich einer, den man sich für spätere Gelegenheiten «aufsparen» will. Das Beispiel von Beat Tinner bei der FDP zeigt, dass eine Partei nicht ohne Not ihren Fraktionspräsidenten bei einer Nomination im Regen stehen lässt, das ist Göttes Vorteil. Und Ivan Louis, das wird SVP-intern schon heute in kleinen Kreisen diskutiert, dürfte ein Versprechen für die Zukunft sein, zum Beispiel nach vier weiteren Jahren im Kantonsrat. Ebenfalls hinter vorgehaltener Hand wird spekuliert, dass SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker nach einer Wiederwahl möglicherweise seine letzte Legislatur antritt, bevor er sich neuen Aufgaben zuwendet - beispielsweise einer Ständeratskandidatur. Irgendwann geht die Suche also von Neuem los.
Am 12. Dezember werden die SVP-Delegierten daher in verschiedene Gruppen gespalten sein. Die Toggenburger stellen sich wohl hinter Ivan Louis, die Achse St.Gallen-Rorschach dürfte Michael Götte den Vorzug geben. Aber entscheidend wird die dritte Gruppe sein: Diejenigen, die beide für fähig halten, aber langfristig strategisch denken. Ganz im Sinn von: Jetzt mit Götte, später mit Louis.
Dazu kommt ein weiterer Aspekt, einer, der die Wahlchancen nach der Nomination beeinflusst. Michael Götte hat einen sehr aufwändigen Nationalratswahlkampf geführt, von dem er nun profitieren kann. Ivan Louis hat bewusst auf einer «Nebenliste» kandidiert und klar festgehalten, dass er keine Ambitionen in diesem Wahlkampf hat. Entsprechend war er viel weniger präsent. Diesen Schwung wollen vermutlich viele SVP-Delegierten mitnehmen, wenn es um die Regierung geht.
Die Zeichen stehen heute also eher auf Michael Götte. Aber Ivan Louis hat wohl erst angefangen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.