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Initiative für Individualbesteuerung

Der steinige Weg zu einem wertneutraleren Steuerrecht

Seit rund einem Monat sammelt ein überparteiliches Initiativkomitee Unterschriften für die Einführung der Individualbesteuerung. Damit könnte nicht nur die Heiratsstrafe abgeschafft werden. Zugleich würde ein Schritt in die Richtung getan, dass der Staat kein Familienmodell bevorzugt behandelt.

Artur Terekhov am 17. April 2021

Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren fällte das Bundesgericht mehrere Urteile, wonach die steuerrechtliche Ungleichbehandlung von Ehegatten und Konkubinatspaaren – bei genügender Intensität – die Rechtsgleichheit verletze und damit verfassungswidrig sei. Seither wurde zwar viel geredet, aber sowohl bei der Bundessteuer als auch in vielen Kantonen ist die vorerwähnte Diskriminierung noch immer Tatsache. 

Diverseste parlamentarische Vorstösse und auch Volksinitiativen scheiterten – wohl, da sie die Probleme nicht gelöst, sondern nur punktuell verlagert hätten. Nun ist einem überparteilichen, von links bis rechts breit abgestützten Komitee offenkundig die Hutschnur geplatzt. Seit Mitte März sammelt dieses – trotz aller widrigen Covid-Rahmenbedingungen – Unterschriften für eine saubere Lösung: die strikte Individualbesteuerung.

Die Forderung des Initiativtextes, die Neueinfügung eines Art. 127 Abs. 2bis BV, ist äusserst simpel: «Natürliche Personen werden unabhängig von ihrem Zivilstand besteuert.» Viel smarter und effizienter kann man sein Anliegen kaum formulieren. Künftig würde jeder Mensch in der Schweiz – ob verheiratet oder nicht – als Einzelperson beziehungsweise Individuum besteuert. Eine Faktorenaddition von Ehegatten und ein gesonderter Verheiratetentarif bei der Steuerbemessung entfielen vollumfänglich.

Dies würde Gleichheit in beide Richtungen schaffen: Einerseits würden doppelverdienende Ehegatten nicht mehr in einer überhöhten Progressionsklasse landen sowie weit mehr Steuern bezahlen als ein doppelverdienendes Konkubinatspaar. Andererseits würde das traditionelle Familienbild steuerrechtlich nicht mehr privilegiert: Ein Ehepaar, bei welchem die Frau kinderbedingt zu Hause bleibt, müsste künftig ebenso viel Steuern bezahlen wie die einzelnen Partner eines Konkubinatspaars, die wegen Kindern (ein- oder beidseitig) das Erwerbspensum zugunsten unbezahlter Erziehungsarbeit reduzieren.

Mit der Individualbesteuerung jedes Einzelnen – ohne Rücksicht auf sachfremde Kriterien wie den Zivilstand – würde denn auch das Postulat der rechtsgleichen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, immerhin ein verfassungsmässiges Individualrecht, massiv gestärkt (Art. 127 Abs. 2 BV). Denn sachliche Gründe, warum die Leistungsfähigkeit von Konkubinatspartnern und Ehegatten divergieren sollte, bestehen nicht. Gemeinsamer Haushalt ist und bleibt nun einmal gemeinsamer Haushalt (so auch mehrfach das Bundesgericht). Es wäre an der Zeit, diese alten Zöpfe abzuschneiden.

Positiv hervorzuheben ist, dass die systematische Stellung des Initiativtexts (Anpassung von Art. 127 BV, der alle Steuern und nicht nur die nach Art. 129 BV harmonisierten betrifft) verdeutlicht, dass die zivilstandsformunabhängige Besteuerung künftig ein für alle Steuern verbindlicher Verfassungsgrundsatz sein soll. Damit wären nicht nur die am Markteinkommen orientierten Einkommens- und Vermögenssteuern betroffen, sondern auch die kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern. Bei letzteren ist es nämlich nach wie vor in der überwiegenden Mehrheit der Kantone so, dass Konkubinatspartner im Gegensatz zu Ehegatten nicht erbschaftssteuerbefreit sind – womit Konkubinatspartner ab einem gewissen Alter aus Gründen der Nachlassplanung faktisch zum Heiraten «gezwungen» werden. Auch hier schafft die neue Initiative Abhilfe.

Bloss abschliessend angemerkt sei, dass die Individualbesteuerung – wie bereits erwähnt – dazu führt, dass der Staat in steuerlicher Hinsicht kein Familienmodell bevorzugt und insbesondere eine konservative Hausgattenehe nicht länger belohnt. Dies ist aus einer liberal-rechtsstaatlichen Sicht zu begrüssen, hat sich der Staat doch dem Einzelnen gegenüber in grösstmöglicher Neutralität zu verhalten.

Konsequent wäre auf dieser Basis allerdings im Gegenzug auch die Abschaffung sämtlicher staatlicher Subventionen für Kinderkrippen oder weiterer Formen von Fremdbetreuung. Denn dies hat ebensowenig mit Freiheit und Eigenverantwortung zu tun, ist das Kinderkriegen doch noch immer ein privater Entscheid. Ob dies die Linke, welche die Individualbesteuerung ja unterstützt, angesichts des Covid-Schuldenbergs auch endlich einsieht?

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Autor/in
Artur Terekhov

MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.

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