Der Verein «Stiller Protest» hat den Widerstand gegen die Coronamassnahmen in der Schweiz früh geprägt. Am Samstag bei der nicht bewilligten Kundgebung in Altdorf fehlten die weissen Gestalten. Was heisst das grundsätzlich - und bezogen auf eine geplante Kundgebung in Rapperswil-Jona?
Gegen aussen mag der Widerstand gegen die Coronapolitik des Bundes homogen wirken. Hinter den Kulissen hingegen brodelt es immer wieder. Jeder und jede hält seine Form des Kampfs für die richtige, nicht alle wollen gleich weit gehen, und hin und wieder fliegen in den sozialen Medien die Fetzen.
Zum Beispiel nach Altdorf. Für viele war es eine Ehrensache, in die Zentralschweiz zu fahren, obwohl die geplante Kundgebung nicht bewilligt war. Das Verbot ist umstritten, eine Beschwerde dagegen liegt beim Obergericht des Kantons Uri, und je nach Schätzung befanden bis zu über 2000 Personen, dass sie sich nicht von einer angeblichen Illegalität stoppen lassen wollten.
Prominente Abwesende waren die Vertreter von «Stiller Protest», den wohl augenfälligsten Figuren des Widerstands, die jeweils in weissen Ganzkörperanzügen auftreten. Sie hielten sich von Altdorf fern. Was bei vielen, die dort waren, Fragen oder Kritik auslöste.
Nun nimmt der Verein «Stiller Protest» Stellung. Man halte das Verbot der Kundgebung in Altdorf für widerrechtlich, sei aber vor einer grossen Herausforderung gestanden. «Die Urner Behörden zogen vor der Kundgebung eine Drohkulisse unbekannten Ausmasses auf», heisst es in einer Stellungnahme. «Die Sicherheitsbehörden kündigten an, dass sie die Kundgebung «mit allen Mitteln» verhindern würden. Mit allen Mitteln… das schliesst nichts aus! Auch nicht den Gebrauch von Schusswaffen!»
Der Verein sah habe den Einsatz massiver Gewalt gefürchtet gegen jene Menschen, die an der Kundgebung teilnahmen. Deshalb riet «Stiller Protest» von einer Teilnahme an der Kundgebung ab. Danach gab es zwar Gummischrot und Tränengas, aber immerhin nichts darüber hinaus.
Doch jetzt will «Stiller Protest» nach vorne schauen. Denn «nach Altdorf» heisst «vor Rapperswil-Jona». Dort haben die Behörden eine geplante Kundgebung untersagt. Und zwar unterm Strich mit der gleichen Begründung wie in Altdorf. Zwar sind politische Kundgebungen ungeachtet der Teilnehmerzahl trotz Versammlungsverbot erlaubt, die Behörden verstecken sich aber hinter der eigenen Überforderung: Sie sagen, mittlerweile seien einfach zu viele Leute an solchen Anlässen, man könne die Maskenpflicht nicht durchsetzen und damit die öffentliche Sicherheit und Gesundheit nicht gewährleisten. Setzt sich diese Begründung durch, wären faktisch gar keine Kundgebungen mehr möglich.
Das sieht auch «Stiller Protest» so und spricht von einer «Verletzung der Grundrechte gemäss Bundesverfassung, insbesondere hinsichtlich der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit.» Als Veranstalter könne und dürfe man eine Maskenpflicht gar nicht durchsetzen. Allein schon, weil es nach wie vor Leute gibt, die von der Maskenpflicht befreit sind und diese Ausnahmefälle einzeln geprüft werden müssen – ein Ding der Unmöglichkeit.
Inzwischen hat der Vereinsvorstand gegenüber den Behörden in Rapperswil-Jona seine schriftliche Stellungnahme mit dem erneuten Antrag auf Bewilligung der Demonstration und Kundgebung am 24. April 2021 eingereicht. Er stösst sich auch daran, dass die Stadt zwar eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt hat, als sie keine Bewilligung aussprach, aber am gleichen Tag bereits die Medien darüber informierte, dass die Kundgebung nicht stattfinden dürfe. Bis zum 19. April sollte die Stadt laut «Stiller Protest» einen Entscheid fällen.
Was aber, wenn es beim Verbot bleibt, wird «Stiller Protest» dann wie in Altdorf wirklich still bleiben? Man habe «in einer kurzfristig zu entscheidenden Situation von der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration abgeraten», heisst es in der Stellungnahme. Aber man habe zwischenzeitlich erkannt, «dass wir keine Grundlagen mehr haben anderen, Menschen präventive Empfehlungen abzugeben, welche innerhalb deren Entscheidungsgewalt liegen. Wörtlich heisst es weiter: «Die Menschen erobern sich ihre Freiheit zurück. Es liegt jetzt an den Behörden den gewaltfreien Weg dorthin freizugeben.»
Das ist schon fast die hohe Kunst der Diplomatie. «Stiller Protest» ruft nicht dazu auf, im Fall einer nicht erfolgten Bewilligung nach Rapperswil-Jona zu kommen, sagt aber auch: Wenn sie es tun, können wir auch nichts dagegen machen. Man hoffe, dass sich die Stadt «nicht in die Reihe der Verweigerer der Grund- und Verfassungsrechte einreihen wird, sondern den demokratischen Dialog mit dem Verein sucht und die geplante Veranstaltung gesetzeskonform bewilligen wird.»
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.