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Zeyer zur Zeit

Der Sturmvogel aus dem Nichts

Jan-Egbert Sturm ist ein Tausendsassa. Professor, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH – und natürlich führendes Mitglied der Task Force. Nur von Wirtschaft oder Pandemie hat er keine Ahnung.

«Die Ostschweiz» Archiv am 15. Dezember 2020

Der Wirtschaftswissenschaftler Sturm ist ein wohlbesoldeter Staatsangestellter. Das ist noch nichts Ehrenrühriges. Er hat sich sein ganzes Leben lang nur theoretisch mit der Wirtschaft beschäftigt. Da fangen die Probleme schon an.

Auch Sturm möchte sich ab und an seine 15 Minuten Ruhm abholen. Da wird er von den Epidemiologen regelmässig abgeklatscht, aber er weiss sich zu wehren. Denn schliesslich ist er einer der vielen Leiter der Task Force to the Bundesrat. Grosses Fachwissen, grosse Geister, hier sprüht die Kompetenz.

Nun ja. Nachdem sich die Task Force zunehmend lächerlich und unglaubwürdig gemacht hatte, indem sie eins ums andere Mal den Teufel an die Wand, das Virus in jedem Schweizer und auch das Ende der Gesundheitsversorgung ausgemalt hatte, legte sie sich selbst ein Schweigegelübde auf. Nicht ganz freiwillig; der sehr geduldige Bundesrat Berset schaute länger einfach zu, als sich die Task Force anmasste, seine Entscheidungen zu kritisieren und verantwortungsfrei Forderungen aufzustellen.

In der Schweiz entscheiden immer noch die Regierungen und der Bundesrat, musste Berset dann klarstellen, als die Task Force mal wieder am Hyperventilieren war. Damals, noch nicht so lange her, wurde auch nochmals versprochen, dass eine Expertengruppe, die den Bundesrat beraten soll, weder die Aufgabe noch die Erlaubnis dafür hat, sich via Medien direkt mit der Bevölkerung in Verbindung zu setzen, um die zu erschrecken.

Seither wurde es etwas ruhiger, aber genau darin sieht Sturm natürlich seine Chance, Wind zu machen. «Es braucht einen Lockdown, und zwar subito», kräht er im «Blick». Denn die Taskforce hat mal wieder einen Brief voller Forderungen an den Bundesrat geschrieben, und das will Sturm doch nicht der Öffentlichkeit vorenthalten.

«Drastische Massnahmen, dramatische Appelle der Spitaldirektoren, jetzt geht es nicht mehr anders, Bundesrat unmissverständlich zum Handeln aufgefordert.» Na toll, und wieso gerade jetzt? Auch da hat der Riesenökonom ein Argument zur Hand: Auch wenn das für Tourismus und Gastronomie hart sei, gesamtwirtschaftlich gäbe es keinen günstigeren Zeitpunkt für einen Lockdown als jetzt.

Mit Verlaub: Es gibt keinen günstigeren Zeitpunkt als jetzt, Stürm zu feuern. Oder gleich die ganze Task Force aufzulösen. Schon alleine deswegen, weil ihre Mitglieder nicht in der Lage sind, der klaren Weisung zu folgen, dass sie endlich mal die Schnauze halten sollen.

Aber nicht nur deswegen. Für wen wäre das hart? Doch wohl für alle, ausser Beamte. Für den Detailhandel, für die Logistik, selbst für den ÖV, für private Weihnachtsfeiern auch. Denn Dezember ist der günstigste Zeitpunkt, um Umsatz zu machen; normalerweise bis zu 30 Prozent des gesamten Jahresumsatzes.

Das wäre nicht hart, das wäre tödlich für Tausende von KMU. Das würde nochmal Multimilliarden kosten, um die sich aber ein professoraler Theoretiker keine Sorgen machen muss; schliesslich wird auch er mit Steuergeldern finanziert.

Und die Dramatik an den Spitälern? Der gesundheitspolitische Laie Sturm zeigt auch hier, dass er keine Ahnung hat. Aber eine klare Meinung. Die Plätze auf Intensivstationen kosten ein Heidengeld. Unabhängig davon, ob sie belegt sind oder nicht. Deshalb ist jedes zur Wirtschaftlichkeit verpflichtete Spital darauf bedacht, nur eine möglichst kleine Notreserve bereit zu halten.

Das sind im Schnitt 25 Prozent oder noch weniger. Kommt es nun zu einem starken Anstieg der Belegung, passiert das Gleiche wie im Frühling dieses Jahres. Während Spitaldirektoren und Intensivmediziner Untergang krähen, werden einfach die Nottfallbetten kräftig aufgestockt. Damals von etwas über 1000 auf 1600. Und während der Bevölkerung damit Angst eingejagt wurde, dass bereits über 98 Prozent aller Betten belegt seien, musste sogar das BAG richtigstellen, dass so nur die zertifizierten Betten gezählt würden; in Wirklichkeit liege die Belegung bei etwas über 50 Prozent, dank Aufstockung.

Um der Unverschämtheit noch das Sahnehäubchen aufzusetzen, schnattert Sturm via «Blick» zwei Tage vor den nächsten Entscheidungen des Bundesrats drauflos. Damit begibt er sich in die Pole-Position. Entweder deren Köpfe tätscheln und gönnerhaft sagen: prima, genau richtig, habe ich ja gefordert. Oder aber, im Falle des anhaltenden Ungehorsams und abwegiger Ideen wie der, dass in der Schweiz die Regierung die Verantwortung trägt und deshalb entscheidet, kann er ein scharfes Verdikt raushauen: Mit Besorgnis und Unverständnis nehmen wir zur Kenntnis, dass der Bundesrat in fahrlässiger Verkennung der Sachlage, Blabla.

Es ist wirklich unverständlich, wieso der Bundesrat hier noch nicht durchgegriffen hat und diese Dummschwätzer mindestens verwarnt: nochmal so einer, und ihr könnt wieder Video-Vorlesungen geben.

Obwohl man sich auch da bezüglich Qualifikation so seine Gedanken machen muss.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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