Patrik Wermelinger, Leiter Investment Promotion bei Switzerland Global Enterprise.
Der Begriff «Mostindien» hilft nicht gerade bei der Vermarktung als Wirtschaftsstandort. Dabei hätte der Thurgau den interessierten Unternehmen viel zu bieten. Das sagt Patrik Wermelinger von Switzerland Global Enterprise im Interview.
Switzerland Global Enterprise (S-GE), früher als Osec bekannt, vermarktet den Standort Schweiz im Ausland. Für die eigene Standortförderung sind die Kantone zuständig. Dennoch muss man bei S-GE über die Vorteile und Ausgangslagen der Kantone Bescheid wissen. Patrick Wermelinger, Leiter Investment Promotion bei Switzerland Global Enterprise, im Gespräch über den Standort Thurgau und seine breite wirtschaftliche Vielfalt:
Patrick Wermelinger, inwieweit nehmen Sie als nationale Standortpromotion die Interessen einzelner Kantone wahr? Leiten Sie beispielsweise passende Anfragen weiter oder empfehlen Sie Interessenten aufgrund bestimmter Kriterien einen einzelnen Standort?
Switzerland Global Enterprise ist mandatiert vom Bund und von allen Kantonen der Schweiz. Wir kommunizieren im Ausland ganz neutral die Vorteile des gesamten Standortes. Sobald ein Unternehmen Interesse zeigt, prüfen wir das potentielle Projekt und leiten es anschliessend an alle Kantone bzw. Areas gleichzeitig weiter. Diese können dann entscheiden, ob sie das Projekt weiterverfolgen. Die Entscheidung für eine Region liegt letztlich beim ausländischen Unternehmen.
Gibt es Zahlen und Fakten aus Ihrer Arbeit, aus denen man über den Kanton Thurgau als Ansiedlungsstandort etwas sagen können? Wo sehen Sie aus der täglichen Arbeit mögliche Stärken und Vorteile des Thurgaus?
Zum einen in der unmittelbaren Nähe zum Wirtschaftszentrum Zürich und als Teil des Dreiländerecks Deutschland – Österreich – Schweiz, aber auch in der hervorragenden Verkehrsanbindung zur Metropole Zürich, zum Flughafen Zürich oder in Richtung Stuttgart, und dies kombiniert mit relativen Kostenvorteilen, beispielsweise bei den Immobilien und Löhnen. Zudem weist der Thurgau ein substantielles Einzugsgebiet hinsichtlich Personalaufbau mit Zugang zu anerkannten und renommierten Hochschulen und Fachhochschulen wie ETH, Uni ZH, ZHAW, HSG, FH St. Gallen, FH Rapperswil, Uni Konstanz auf. Dazu kommt die Lebensqualität mit ausgeprägt naturbezogenem Freizeitwert - ländliche Strukturen, Bodensee, Alpstein -, bezahlbarem Wohnraum und ausgewiesen tiefen Lebenshaltungskosten.
Patrik Wermelinger, Leiter Investment Promotion bei Switzerland Global Enterprise.
Wie würden Sie die heutige wirtschaftliche Landschaft im Kanton Thurgau umschreiben?
Sie weist generell eher breite wirtschaftliche Vielfalt mit entsprechendem Potenzial an Partnern und Zulieferern und spezifisch ausgeprägten Anteilen auf, zum Beispiel in den Bereichen MEM – insbesondere Präzisionstechnologie, Spitzentechnologie – oder ICT, insbesondere Software und Datencenter. Es gibt attraktive räumliche Entwicklungspotentiale zu moderaten Preisen, und die Steuerbelastung für juristische Personen liegt im vorderen Drittel der Kantone. Ausserdem ist der Kanton Teil der St. Gallen Bodensee Area.
Ausländische Interessenten dürften oft vor allem die Metropolen der Schweiz kennen. Geht da der Thurgau tendenziell eher unter oder kennt man ihn, beispielsweise aufgrund der grenznahen Lage?
Switzerland Global Enterprise ist mit der Standortpromotion aktiv in zehn Märkten: China, Japan, USA, Russland, Indien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Brasilien, Italien. Die Entfernungen zwischen den Schweizer Regionen spielen insbesondere in grösseren Ländern kaum eine Rolle, dort ist man sich schon innerhalb der grossen Städte ganz andere Dimensionen gewöhnt. Umso wichtiger ist es für uns, immer den ganzen Standort in den Mittelpunkt zu stellen und nicht nur einzelne bekannte Regionen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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