Wenn am Freitag der Schweizer Filmpreis verliehen wird, hat der Thurgauer Komponist Kurt Uenala während der vergangenen Wochen das Audio-Design neu adaptiert. Weshalb kurz vor der Premiere sein Stresslevel trotz fehlender Nervosität hoch ist.
Einige Male musste hin- und hergeschrieben werden, bis ein passender Interviewtermin feststand. Das Telefon erreicht Kurt Uenala kurz vor seiner Abreise in die Schweiz. Blickt er währenddessen aus dem Fenster, wirbeln dicke Flocken vom Himmel. Während in der Schweiz ganz langsam der Frühling Einzug hält, lässt sich in seiner Wahlheimat Island die eisige Jahreszeit nicht so einfach vertreiben.
Zwischen Kofferpacken und dem letzten Schliff an den Melodien für den Schweizer Filmpreis findet der Thurgauer Zeit, um über seine Arbeit zu sprechen. «Meine Tochter ist jetzt viereinhalb Jahre alt – da ist es natürlich aufwendiger, die Koffer zu packen, als wenn ich alleine in die Schweiz reise», sagt er und lacht. Ausserdem ist er auch wenige Tage vor dem Schweizer Filmpreis noch am Feilen der einen oder anderen Note. «Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden – und bin gespannt, wie es in der Halle tönen wird.»
Viel Spass
Nervosität sucht man bei dem Thurgauer aber vergebens. «Es geht beim Event ja schliesslich nicht um meine Person, ich sitze nur im Publikum, und drücke auch keinen Knopf. Ich hoffe, dass technisch nichts schief läuft.» In diesem Jahr das Audio-Design für den Schweizer Filmpreis neu adaptieren zu dürfen, sei eine grosse Ehre. Es habe viel Spass gemacht, der Melodie neues Leben einzuhauchen. Doch keinesfalls dürfe sie so stark verändert werden, dass das Original nicht mehr erkennbar sei. «Ich möchte die bisherigen Komponisten schliesslich nicht beleidigen», so Uenala.
Auch wenn in der Schweiz sein Name eher unbekannt ist – der Thurgauer hat bereits eine beeindruckende Karriere hingelegt. Er hat mit vielen weltbekannten Musikgrössen zusammengearbeitet. Einer davon ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: die britische Band Depeche Mode. «Ich ging damals mit dem Sänger zwei Stunden lang durch New York, es regnete, und wir mussten Stühle kaufen, weil es keine Sitzgelegenheiten im Studio gab», so Kurz Uenala und lacht. Es gab jedoch nur einen Schirm, und auch dieser wurde brüderlich geteilt. Mit einer solchen Ikone durch New York zu schlendern, daran erinnert er sich auch heute noch gerne zurück. Aus der Bekanntschaft wurde schliesslich eine langjährige berufliche Zusammenarbeit, bei welcher Uenala als kreativer Partner massgeblich zum Sound einer ihrer erfolgreichsten Alben beitrug.
Fahne im Wind
Genau solche Szenen würden ihn immer wieder motivieren und anspornen. Denn das Musikbusiness könne sehr hart sein. Lange Zeit hätte er in New York ums Überleben gekämpft, hatte kein Geld für ein Tonstudio und sich dadurch vieles selber angelernt. «Die Szene verlangt von dir eine grosse Flexibilität, du musst wie eine Fahne im Wind sein.» Er habe ursprünglich eine Jazz-Schule besucht, anschliessend aber auch als Bassist sein Geld verdient. Oder in einem Club mit Livesound. Dazu kam auch das Programmieren für Lichter an einer Show hinzu – und plötzlich ergeben sich aus diesem Arrangement wieder neue Kontakte und Möglichkeiten.
Viele Jahre verbrachte Kurt Uenala in der Grossstadt, bis Covid und die Präsidentschaft von Donald Trump vieles veränderte – für ihn deutlich zum schlechteren. Der Umzug nach Island war für ihn bald beschlossene Sache. «Ich war bereits im Vorfeld viele Male auf der Insel, und habe es immer geliebt, dort zu sein», sagt er. Es gäbe interessante Menschen, alles sei ziemlich unkonventionell, die Musikszene sehr experimentell. «Wenn du nicht viel zu verlieren hast, kannst du auch einiges riskieren», sagt er.
Leeres Konto
Den Schritt bereut hat er deshalb nicht. Dass er zurück in die Schweiz kehrt, das hätte sich nie ergeben. Zudem kenne er – ausser der Familie – kaum noch jemand hier. «Meine Pünktlichkeit ist aber nach wie vor eine typisch schweizerische Eigenheit, die mir auch nach vielen Jahren geblieben ist.»
Die Frage, die hierzulande jedoch häufig gestellt werde, ob er von der Musik leben könnte, vermisst er aber überhaupt nicht – sondern findet sie unnötig. «Klar, das Konto ist manchmal leer, bis sich wieder etwas Neues ergibt. Man muss damit umgehen können, und die Unbeständigkeit ist für viele Künstler streng. Dennoch passt es für mich.»
Und schliesslich steht ein ganz grosser Punkt noch auf seiner Wunschliste: eine musikalische Zusammenarbeit mit der Sängerin Björk. «Ich finde sie äusserst beeindruckend und habe sie bereits einige Male getroffen. Wer weiss, vielleicht habe ich noch einmal grosses Glück wie damals bei Depeche Mode und es passiert?»
Hinweis: Die Verleihung des Schweizer Filmpreises findet am Freitag, 22. März 2024 in Zürich statt.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.