Die Fraktion der Staatsabhängigen hat heute über alle politischen Parteien hinaus einen zahlenmässigen Umfang, der ihr bei Abstimmungen zu staatsnahen Vorlagen und zunehmend auch bei Wahlen eine Mehrheit garantiert.
Dies gelesen: «Bern, so muss man wissen, verwöhnt seine Beamten schon heute auf eine Weise, von der man in der Privatwirtschaft meist nur träumen kann.» (Quelle: www.nzz.ch, 30.5.2023)
Das gedacht: Am vergangenen Sonntag knallten vielerorts die Champagnerkorken. Am lautesten wohl in den Räumlichkeiten der Initianten der Gletscher-Initiative. Einmal mehr hat eine linke Lobby-Organisation die direkte Demokratie in ein funktionierendes Geschäftsmodell umgebaut. Mit den richtigen Themen und der richtigen Kommunikationsstrategie lassen sich im grossen Stil Spendengelder beschaffen und eigene Leistungen finanzieren.
Wenig überraschend kündigten die Geschäftsführerinnen noch am Abstimmungssonntag die nächste Initiative an. Niemand schlachtet ein Huhn, das goldene Eier legt. Bemerkenswert aber auch die strategische Überlegenheit, mit der die Gletscher-Frauen die bürgerlichen Mitteparteien vor sich hertrieben.
Viel zu feiern gab es auch bei den Eigentümern von Mehrfamilienhäusern und Wohnblöcken sowie bei allen Unternehmen, die Heizungen installieren und Gebäudehüllen sanieren. Sie alle kommen in den Genuss von Milliarden an Subventionsgeldern. Finanziert vom Mann und der Frau von der Strasse.
Korken knallten auch in der Stadt Bern. Das neue Personalreglement für die städtischen Angestellten wurde an der Urne angenommen, die Privilegien der Beamtenschaft ausgebaut. Künftig gibt es einen automatischen Teuerungsausgleich. Jungväter können acht Wochen bezahlt zu Hause bleiben. Zusätzlich zu einer Elternzeit von sechs Wochen. Und dies alles bei Rentenalter 63, einer 40-Stunden-Woche und 5-½ Wochen Ferien.
Nun kann man diesen lokalen Wahnsinn als ein weiteres Kapitel in der Wohlstandsverwahrlosung der notorisch defizitären und hochverschuldeten Stadt Bern abtun, ohne einen Bezug zur Ostschweiz. Aus demokratietheoretischer Sicht handelt es sich jedoch um ein Ereignis, das in seiner grundsätzlichen Problematik weit über die Buebetrickli hinausgeht, mit denen man das Klimaschutz-Gesetz mehrheitsfähig machte.
Bern ist die am weitesten links stehende Stadt der Schweiz. Und dies nicht etwa, weil sich hier die Proletarier aller Länder vereinigen. Im Gegenteil. Bern war nie eine Arbeiterstadt.
Die Macht der Linken resultiert vielmehr aus der Tatsache, dass sich in der Stadt Bern die Angestellten der Bundes-, Kantons- und Stadtverwaltung sowie die Mitarbeitenden der Spitäler und Schulen die Klinke in die Hand geben. Gemeinsam gewinnen sie jede Abstimmung, bei der es um die eigenen Privilegien geht.
Eine Fehlentwicklung, die zunehmend auch die nationale Politik prägt. Gemäss einer Studie des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern arbeiten in Vollzeitäquivalenten rund 600'000 Personen für den Staat und die öffentlichen Unternehmen.
Diese Zahl widerspielt jedoch die gesellschaftspolitischen Realitäten nur bedingt. In der öffentlichen Verwaltung kommt der Teilzeitarbeit eine grosse Bedeutung zu. So arbeiten beispielsweise in der Bundesverwaltung vier von zehn Personen in einem Teilzeitpensum.
Die Anzahl der im öffentlichen Sektor Beschäftigten wird daher deutlich höher sein. Zudem dürften viele dieser Staatsangestellten einen Lebenspartner oder eine Lebenspartnerin haben, der oder die am Familieneinkommen partizipieren.
Auch wenn keine gesicherten Zahlen vorliegen, so ist doch davon auszugehen, dass in der Schweiz deutlich über eine Million Menschen direkt von staatlichen Lohnzahlungen profitiert. Dazu kommen Hundertausende des privaten Sektors, die Transferzahlungen oder Subventionen erhalten.
Die Fraktion der Staatsabhängigen hat heute über alle politischen Parteien hinaus einen zahlenmässigen Umfang, der ihr bei Abstimmungen zu staatsnahen Vorlagen und zunehmend auch bei Wahlen eine Mehrheit garantiert. Reformen, die auf die eine oder andere Weise die Ansprüche des öffentlichen Sektors tangieren, haben unter diesen Voraussetzungen keine Chance.
Machen wir uns aber keine Illusionen. Politische Entscheidungen wie die aktuelle Abstimmung in der Stadt Bern, bei denen sich Staatsangestellte dank ihrer zahlenmässigen Überlegenheit zu Lasten der Allgemeinheit die Taschen füllen, gefährden den sozialen Frieden.
Auch in diesem Zusammenhang macht die Dosis das Gift. Wir haben deshalb alles Interesse daran, diese Negativspirale zu durchbrechen. Der Weg dazu führt über einen Ausgaben- und Personalstopp. Dies nicht zuletzt im Interesse der zahllosen Beschäftigten des öffentlichen Sektors, die tagtäglich einen tollen Job machen und die Bürgerinnen und Bürger zuvorkommend bedienen.
Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.
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