Unser Gesundheitssystem befindet sich im Wandel. Gefragt sind innovative Lösungsansätze. Mit «MiSANTO» verfolgt Gründer Thomas Krech genau das. Die kostenlose App ermöglicht es dem Benutzer, seine persönlichen medizinischen Daten stets bei sich zu tragen.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.
MiSANTO haben Sie 2016 als Ein-Mann-Betrieb gegründet. Heute arbeiten bereits 30 Mitarbeiter in verschiedenen Bereichen und Ihr Start-Up ist vollständig eigenfinanziert. MiSANTO verspricht, die Gesundheit in der eigenen Tasche zu haben. Das tönt vielversprechend.
Thomas Krech: Das ist so. Zentraler Baustein ist eine kostenlose App für Android und iOS. Damit kann der User bei Bedarf seine Symptome erfassen; der Symptom-Checker führt mittels Fragen und Antworten automatisch zu einer Verdachtsdiagnose. Der User wird sodann eingeladen, mit einem MiSANTO-Arzt zu chatten. Dem Arzt stehen die jeweiligen Eingaben sofort zur Verfügung; somit ist keine langwierige Anamnese mehr notwendig, und wenn der Patient dann doch mal einen Arzt sehen muss, kann der User seine Daten direkt auf den Bildschirm des Arztes «beamen». Die User können auch eigene Daten, zum Beispiel Vitalwerte wie Blutdruck und Blutzucker, über eine Schnittstelle in der App erfassen. Diese Daten werden mittels künstlicher und humaner Intelligenz laufend analysiert; Abweichungen und Auffälligkeiten werden frühzeitig erkannt und auf das Smartphone des Users zurückgemeldet. Krankheiten und Entgleisungen von chronischen Erkrankungen können so frühzeitig erkannt werden.
Welche zusätzlichen Dienste gibt es?
Thomas Krech: Diese beinhalten Zweitmeinungen, das Einholen von Gesundheitsdokumenten, Checkup, Interpretation von Arztberichten, Laborbefunden und Röntgenbildern, Reiseberatung, Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit und Medikamentenverschreibung. Folglich ist die App auch eine portable Krankengeschichte, die auf einfache Art mit einem Arzt oder einer Ärztin geteilt werden kann. Damit entfallen Mehrfachuntersuchungen, die oft dann angeordnet werden, wenn Informationen fehlen. MiSANTO erweitert sein Angebot laufend.
Sieben Jahre Konzeptarbeit waren dafür nötig, bis Sie Ihr Start-Up gründen konnten. Wie kamen Sie auf die Idee von MiSANTO?
Thomas Krech: Ich hatte mich schon früh für Dienstleistungen interessiert, die der Patient direkt und ohne weitere Belastung der Krankenversicherung in Anspruch nehmen konnte. Mit meiner Tochter Carol habe ich schon vor 15 Jahren ein damals neuartiges Internet-Angebot ins Leben gerufen. Bürger konnten mit von uns geliefertem Probenentnahme-Material selbst entnommene Proben bei uns im Labor analysieren lassen, beispielsweise auf Gebärmutterhalskrebs. Nachdem ich mein Firmenpaket verkauft hatte, begann ich im Rahmen meiner Arztpraxis darüber nachzudenken, wie sich möglichst unkompliziert und zeitnah digitalisieren liesse, was ich 40 Jahre lang als Arzt «analog» gemacht hatte. Als Labormediziner hatte ich einige Erfahrung in der Digitalisierung, denn Laborbetriebe sind heute hochgradig IT-getrieben. Und als praktizierender Arzt hatte ich mit Praxis-Systemen zu tun, die relativ mühsam zu bedienen waren.
Weshalb?
Thomas Krech: Wenn man darüber nachdenkt, wie der Patient aus der Digitalisierung Nutzen ziehen kann, dann kommt man zum Schluss, dass man ihn ins Zentrum stellen muss. Das heisst auch, dass man ihm die Kontrolle über seine Gesundheitsdaten an die Hand gibt. Er soll sie teilen können, wann immer und wo immer und mit wem immer er will; teilen mit seinem Smartphone oder Tablet. MiSANTO erfüllt diese Anforderungen, indem der User mit der MiSANTO-App auf dem Smartphone jederzeit auf seine Daten Zugriff hat. Daten, die im telemedizinischen Kompetenzzentrum von MiSANTO von den angestellten Ärztinnen laufend analysiert werden. Das Resultat wird bei Handlungsbedarf an den User zurückgemeldet. So werden medizinische Daten nicht nur abgelegt, sondern es wird ein Nutzen aus ihnen generiert.
Sie erklären auf der Webseite das Vorgehen anhand eines Beispiels. Der junge Mann leidet unter einem ihm unerklärlichen Gewichtsverlust. Daraufhin gibt er seine Symptome ein. Wir alle wissen jedoch auch, dass wir bei Krankheiten niemals danach googeln sollten. Was unterscheidet Ihr Angebot davon?
Thomas Krech: Ich schätze es in meiner Arztpraxis, wenn ich eine Patientin vor mir habe, die sich vorher schon mit googeln schlau gemacht hat; 50 Prozent aller Patienten tun das vor dem Arztbesuch. Man kann mit diesen «empowered patients» auf gleicher Augenhöhe reden und sie akzeptieren auch, wenn man ihnen sagt, dass sie den falschen Informationen aufgesessen sind oder dass sie richtige Informationen falsch interpretiert haben. Im Gegensatz zu Google wird die Patientin über die MiSANTO-App vom Einstieg in den Symptom-Checker - einem automatisiertes, von unseren Medizinern aufgebautes Triage-System - bis zur Verdachtsdiagnose kostenlos medizinisch geführt, wie wenn sie dem Arzt gegenüber sitzen würde. Erst beim freiwilligen Einstieg in den Chat mit einem unserer Ärzte oder einer unserer Ärztinnen entstehen Kosten. Wenn die Patientin möchte, kann sie schon früher im Ablauf jederzeit in den kostenpflichtigen Arzt-Chat gelangen. Rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr.
Die persönliche Krankenakte verlangt natürlich nach einem hohen Datenschutz.
Thomas Krech: Unsere App entspricht den heutigen Erwartungen an eine moderne Patienten-Arzt-Kommunikation. Wir erfüllen die besonders strengen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit der sensiblen Gesundheitsdaten vollumfänglich. Alle Daten werden verschlüsselt in der Schweiz gespeichert und sind jederzeit unter der Kontrolle des Users. Der Patient muss sich nur zu erkennen geben, wenn er zulasten der Krankenversicherung abrechnen will. Registrierung und Identifizierung erfolgen dann in einem strukturierten, intuitiven Prozess über die App. Nach erfolgreicher Registrierung und Identifizierung hat der Patient die Möglichkeit, über den Dokumenten-Upload seine Gesundheitsakten sicher zu speichern und zu verwalten. Dem behandelnden Arzt kann der Patient online über einen QR-Code Einsicht in seine Daten gewähren. So behält der Patient immer die volle Kontrolle über seine Gesundheitsdaten und entscheidet selbst, mit wem er sie teilen möchte.
QR-Code, Apps, Dokumenten-Upload. Das dürfte die ältere Generation oder technisch weniger versierte Menschen vielleicht verunsichern. Gerade ältere Menschen sind häufig auf Ärzte angewiesen. Wie nehmen Sie diese Berührungsängste?
Thomas Krech: Unser Ziel ist es nicht, mit den Kollegen und Kolleginnen in Konkurrenz zu treten. Wir sehen uns ergänzend zu den etablierten Angeboten im Gesundheitswesen. Dem Patienten können wir allerdings häufig den Weg zum Arzt ersparen, was nicht nur gewonnene Zeit ist, sondern auch die Umwelt entlastet. Zudem braucht es in Anbetracht des sich verschärfenden Ärztemangels – das OBSAN rechnet mit 10 Millionen fehlenden Arztkonsultationen pro Jahr in sieben Jahren – alternative Angebote. Bereits heute haben viele Bürger keinen Hausarzt mehr.
Aber gerade ältere Leute schätzen doch den direkten Kontakt vor Ort?
Thomas Krech: Studien und Befragungen zeigen, dass mittlerweile auch die «Silver Surfer» über 70 Jahre mit dem Smartphone gut zurecht kommen, weil ihnen das Smartphone hilft, mit Familie und Freunden und der Medienwelt in Kontakt zu bleiben. Chronisch Kranke können von MiSANTO begleitet werden, indem wir uns beispielsweise um den Blutzucker kümmern. Ältere Menschen können davon profitieren, dass sie mit der telemedizinischen Unterstützung von MiSANTO länger zuhause bleiben können, statt ins Heim zu gehen. Und junge Gesunde können ihre Fitnesstracker-Daten für eine sportmedizinisches Monitoring an MiSANTO übermitteln.
Wie sieht es im Hinblick auf die Kosten aus? Was übernimmt beispielsweise die Krankenkasse?
Thomas Krech: Symptom-Checker und Dokumentenablage sind kostenlos. Für alle anderen medizinischen Dienstleistungen wird der User an entsprechender Stelle über die Kosten informiert. Die Preisgestaltung beruht auf den verbindlichen Tarifen für ambulante ärztliche Leistungen in der Schweiz. Nach der Konsultation erhält der Patient direkt auf die MiSANTO-App einen Rückforderungsbeleg für die Krankenversicherung, den er an die Kasse weiterleiten kann, ohne ihn ausdrucken zu müssen.
Mittlerweile gibt es einige ähnliche Angebote, wie beispielsweise eedoctor. Ist MiSANTO als eine Konkurrenz oder eher Ergänzung zu sehen?
Thomas Krech: Wir sind alle innovativ unterwegs und verstehen uns als verschworene Gemeinschaft, weil wir das gleiche Ziel verfolgen: Nämlich für den Patienten die Errungenschaften der Digitalisierung nutzbar zu machen. Der Patient kann aus einem breiten Dienstleistungsangebot wählen. Er kann zum Hausarzt gehen, wenn er noch einen hat, er kann mit dem telemedizinischen Zentrum wie bisher telefonieren, er kann eine Videokonsultation machen oder, er kann wie bei uns, diskret chatten. Mit dem Chatten erfüllen wir im Zeitalter von SMS und Whatsapp den Wunsch vieler Patienten, wie Erfahrungen in Amerika zeigen.
Für wen ist MiSANTO also geeignet?
Thomas Krech: Wir bei MiSANTO haben den Anspruch, dass wir jedem Patienten helfen können, so dass er nur zu einem Arzt in die Praxis oder auf den Notfall des Spitals muss, wenn es wirklich notwendig ist. Wenn unser Patient für Blutuntersuchungen ins Labor muss, ein Röntgen benötigt oder eine Überweisung zum Spezialisten angezeigt ist, dann organisieren wir das im Auftrag des Patienten. Unsere App ist als Medical Device zertifiziert, und unsere medizinischen Prozedere sind leitliniengerecht im EDV-System hinterlegt.
Welches sind die nächsten Schritte?
Thomas Krech: Wir gehen dieses Jahr noch an den Markt und bauen unser Angebot kontinuierlich aus. Im nächsten Jahr bereits ist die Expansion nach Deutschland vorgesehen, wo der Zugang zum Markt für Telemedizin gerade politisch geebnet wird und wir mit unserer einzigartigen Lösung grosse Chancen sehen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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