Hierig-Tanz der Appenzeller Düfte .
Kaum eine Küchenchefin in der Schweiz wird so direkt mit dem Aufstieg eines Hotels in Verbindung gebracht wie Käthi Fässler vom Hotel Weissbad.
Traumzahlen in der Bilanz, Auszeichnungen noch und noch, eine Bettenbelegung, die ihresgleichen sucht: Die Entwicklung des Hotels Hof Weissbad zum Grand Resort bei akzeptablen Preisen ist wohl einmalig in der Schweizer Tourismuslandschaft. Dazu passt der Umfang der Küchenbrigade, die diesen Anspruch untermauert. Im Lauf der Jahre ist das Team unter der Führung von Käthi Fässler auf 37 Mitarbeitende angewachsen.
Die wollen alle geführt und angeleitet werden. Wie dies die quicklebendige Appenzellerin im Alltag umsetzt, schildert sie so: «Die Teamsitzung beginnt jeden Morgen mit einem Kaffee. Zuerst wird in lockerer Atmosphäre Privates ausgetauscht, man schildert sich etwa gegenseitig, was im Ausgang am Abend zuvor lief. Doch dann komme ich quasi nahtlos zur Sache. Ich mache Bemerkungen zu den Menus, zur Arbeitseinteilung und richte das Augenmerk auf spezielle Punkte im Tagesablauf. Und ich beantworte allfällige Fragen ».
Dann geht es los - um neun ist Arbeitsbeginn in der Küche, die gleichzeitig das Gourmet-Restaurant Flickflauder die «Schotten-Stube», das Bistro und den Klinikbetrieb bedient. Damit alle Menukomponenten rechtzeitig zur Verfügung stehen, und, dies nur ganz nebenbei, auch die Verpflegung für die fast 200 Mitarbeitenden des Resorts, müsse man ständig ein Auge auf die laufenden Arbeiten haben Und sie scherzt: «Die Chefin kommt halt manchmal im dümmsten Moment vorbei.»
Keine Berührungsängste
Im Umgang mit männlichen oder weiblichen Mitarbeitenden macht Käthi Fässler keinen Unterschied. Aufgewachsen ist sie in ländlichen Verhältnissen ganz in der Nähe von Weissbad; der bäuerliche Alltag und die ganz selbstverständliche Zusammenarbeit von Frauen und Männern hat sie schon früh geprägt. Doch sie zeigt neben ihrer leutseligen und humorvollen Art auch ihre resolute Seite und macht klar: «Wer nicht ins Team passt, der muss sich neu orientieren.» Das komme zum Glück aber sehr selten vor.
Hat Käthi Fässler in ihrer Jugend auf dem Bauernhof gerne in der Küche mitgearbeitet? «Ganz und gar nicht», sagt sie lachend, «ich habe als Mädchen lieber im Stall geholfen.» Doch wie kam sie auf die Karriere als Köchin? Das Schlüsselerlebnis hatte Käthi, als sie als 17-Jährige in einem Bergrestaurant am Buffet und im Service beschäftigt war. Gastköche im Bergrestaurant, ein Hobbykochclub, hatten sie damals mit dem Gebotenen auf dem Teller dermassen beeindruckt, dass in ihr der Entschluss wuchs, 1982 eine Kochlehre in Angriff zu nehmen.
Nach der Ausbildung im «Edelweiss» in Schwende bei Appenzell zog es sie als begeisterte Skifahrerin mehrere Wintersaisons in Bündner Winterkurorte. Bekannte Chefs wie Felix Hubli , ehemals Landhaus in Davos-Laret, bestärkten Käthi in ihrem Weg an die kulinarische Spitze. Doch sie bezeichnet sich selbst als «Hemwehgääss». Dieser Dialektausdruck lässt sich am ehesten mit «Heimwehziege» übersetzen. So fand sie immer wieder zurück ins Hotel Säntis in Appenzell im gleichnamigen Kantonshauptort. Und dort wirkte Käthi auch insgesamt acht Jahre in der Küche.
Der Karrieresprung
Und dann, 1996, mit dem Wechsel als Sous-Chefin ins Hotel Hof Weissbad, nahm ihre Karriere auf spektakuläre Art Fahrt auf. Schon ein Jahr später wurde sie zur Küchenchefin befördert. Die Erfolgsgeschichte des traditionsreichen Hotels (siehe unten) ist eng mit Käthis Wirken verbunden. Der Restaurantführer Gault Millau wurde 2008 auf sie aufmerksam, 2009 wurde sie Köchin des Jahres und mit 16 Punkten ausgezeichnet. Ein Blick auf die aktuelle Speisekarte zeigt, dass nicht nur die Grösse der Küchenbrigade einem Grand Hotel entspricht, sondern auch die Qualität des Angebots. Abends wird im «Flickflauder» (Innerrhoder Ausdruck für Schmetterling) ein mehrgängiges, mit regionalen Spezialitäten durchsetztes Gourmetmenu zelebriert, das höchsten Ansprüchen gerecht wird. Und trotzdem achtet man im «Weissbad» darauf, auch Spaziergängern und Ausflüglern ganztags kleine kalte und warme Gerichte zu normalen Preisen anzubieten, etwa im Bistro (140 Plätze).
Vorbilder für Lernende im Hotel
Auch in Sachen Ausbildung hagelt es Auszeichnungen für den Vorzeigebetrieb. Auf die Lehrlingsausbildung legen die Verantwortlichen des Hotels traditionell viel Wert, was aber auch viel Engagement seitens der Betreuer bedeutet. Nicht weniger als 18 Lernende sind gegenwärtig im Weissbad beschäftigt, allein vier davon in der Küche bei Käthi Fässler. Angesichts des Angebots vom Zvieriplättli bis zur Spitzengastronomie bietet das Weissbad denkbar günstige Voraussetzungen, um dem Nachwuchs die Gelegenheit zu bieten, den Beruf in allen Facetten kennen zu lernen.
Aus ihrem grossen Rezeptfundus schlägt uns Käthi Fässler heute eine Eigenkreation vor, die sich grösstenteils aus Appenzeller Spezialitäten zusammensetzt und die sie nach dem traditionellen Appenzeller Volkstanz benennt: «Hierig» – Tanz der Appenzeller Düfte, ein Dessert mit insgesamt sieben Komponenten! Doch keine Angst, Sie können nach dem «Baukastensystem» frei wählen, welche davon Sie Ihren Gästen vorsetzen wollen. Die «Biberglace» kann man zudem durch eine Stracciatella oder Caramel-Glace aus dem Supermarkt ersetzen und die Macarons in der Confiserie kaufen. «Aber dann ist es natürlich nicht mehr dasselbe» sagt Käthi Fässler.
Hof Weissbad: Von der einfachen Badehütte bis zum Resort
Die Geschichte des Hotels Hof Weissbad begann im 18. Jahrhundert und liest sich so spannend wie ein Krimi. Krisenjahre folgten auf Blütezeiten, auf den Aufstieg folgte der Niedergang bis zur Pleite, die Liegenschaft diente später vorübergehend als Heim oder als Militärunterkunft, bis 1960 ein Hotelbrand ein wichtiges Kapitel der Unternehmensgeschichte beendete. Die Entwicklung des Ortes vom einfachen Badehaus zum Grand Hotel in der Blütezeit der Belle Epoque um 1890 nahm indessen viel früher ihren Anfang. Einer der Pioniere, der legendäre «Schottensepp», führte gegen 1750 Molkenkuren (Schottenkuren) gegen allerlei Gebresten nach dem Vorbild von Orten wie Gais ein. Bald schwörte die Haute volée Europas auf die Wunderkur.
Heute setzt man im Weissbad auf einen modernen Klinikbetrieb und beschränkt sich auf mit Früchten versetzte Molkenzubereitungen für den Frühstückstisch. 1994 startete nach einer längeren Planungs- und Bauphase das komplett neu aufgestellte Gesundheits- und Ferienhotel Hof Weissbad unter dem Direktionsehepaar Damaris und Christian Lienhard-Züger. Zusammen mit 42 Mitarbeitenden eröffneten Lienharts damals das 4-Sterne-Haus mit 76 Zimmern. Heute, im Jahr 2020, beschäftigt das Hotel Hof Weissbad 200 Mitarbeitende, ist nahezu ständig ausgebucht und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 20 Millionen Franken.
Renoviert und ausgebaut wurde in der neueren Geschichte das Hotel, die Restaurants, die Nebenbetriebe und der Umschwung mit dem sehenswerten Park und dem grossen Kräutergarten. Doch rechtzeitig zum 25-jährigen Bestehen des heutigen 4-Sterne-Superior-Hauses wurde 2019 besonders gründlich erneuert. Heute sind alle Zimmer -inzwischen 87 an der Zahl -. auf dem neuesten Stand. Und im vergangenen Juli eröffneten Damaris und Christian Lienhard-Züger die neue «Weissbad Lodge», ein eigenständiger Bau mit 25 modernen und trendigen Zimmern, geschaffen für Sportler und Familien.
Hierig-Tanz der Appenzeller Düfte .
Hierig-Tanz der Appenzeller Düfte: Das Rezept
Mal lieblich, mal feurig, mal neckisch, Rezept von Käthi Fässler, Restaurant Flickflauder, Hotel Hof Weissbad/Appenzell, 16 Punkte GaultMillau
Nicht weniger als sieben Komponenten benötigen Sie für diese Nachspeise in der Originalversion. Sie können sich jedoch nach dem Baukastenprinzip aussuchen, welche Sie Ihren Gästen auftischen wollen. Die Minimalvariante sieht etwa so aus: Gekaufte Caramelglace, Biberfladen-Crumble, Alpenbitter-Reduktion .Praktisch für Einladungen: Die meisten Arbeiten lassen sich am Vortag erledigen. Biberfladen sind in Supermärkten, in Delikatessenläden und im Online-Handel erhältlich.
Die sieben Komponenten des Desserts:
Anis-Hüppen
Biberliparfait (mit gefülltem Biber, Appenzeller Lebkuchenspezialität)
Biberfladen-Crumble (mit ungefülltem Appenzeller Biber, knusprig und «brösmelig»)
Appenzeller Rahmlikör-Creme
Lebkuchen-Macaron mit Mandelganache und Säntis-Whisky
Alpenbitter-Reduktion
Birnenweggen-Glace
Anis-Hüppenmasse:
-30 g Staubzucker
30 g Eiweiss
30g Mehl
5 g Anis gemahlen
Alle Zutaten gut mischen, kalt stellen, dünn auf Matte oder Backpapier aufstreichen 6/11cm (oval) und bei170°C bis zur goldbrauner Farbe backen und noch warm auf Rundholz rollen.
Biberliparfait:
20 g Eigelb
100g Vollei
30g Zucker
240g weisse Couverture (Schokolade mit viel hochwertiger Kakaobutter), geschmolzen, auf etwa 30°C erwärmt
120g Biberli gefüllt gewürfelt
200g Schlagrahm (nicht zu stark geschlagen)
Eigelb, Vollei und Zucker im Wasserbad warm/kalt schlagen (Masse wird cremig und dickflüssig) geschmolzene Couverture, gefüllte Biberli und Schlagrahm beigeben (zuerst 1/3, anschliessend den Rest sorgfältig unterheben), in geeignete Form füllen, mindestens 5 Stunden tiefkühlen, in Stücke von 2/2/8 cm schneiden
Biberfladen-Crumble:
1 ganzer Biberfladen (nicht gefüllt) in 5x5x100mm Streifen schneiden, samt Resten und «Brösmeli» im Backofen trocknen bei 80°C
Appenzeller Rahmlikör-Creme:
350g Milch
150g Säntis Malt-Likör
75g Zucker
100g Rahm
50g Maizena
90g Eigelb
3 Blatt eingeweichte Gelatine
210g Milch-Couverture, geschmolzen
70g Butter
Milch, Zucker und Säntis Malt-Likör zusammen aufkochen, Rahm, Eigelb und Maizena verrühren und zur Milch-Zuckermischung geben. Bei kleiner Hitze aufschlagen (Schneebesen) und zur Rose (82°C) abziehen. Probe mit dem Holzkochlöffel machen: Er muss cremig überzogen sein. Eingeweichte Gelatine und Couverture beigeben, mit dem Stabmixer mixen, die Masse auf 40°C abkühlen, Butter beigeben und weiter mixen, bis eine, cremige, glatte Masse entsteht. Das Rezept kann auch im Thermomix zubereitet werden. In diesem Fall Gelatine erst am Schluss beigeben; nur noch kurz rühren.
Lebkuchen-Macaron:
110g Eiweiss, warm/kalt schlagen
130g Zucker
140g Staubzucker
140g Mandeln weiss gemahlen
8g Lebkuchen-Gewürz
Eiweiss leicht erwärmen und mit Zucker zu Schnee aufschlagen. Probe mit Fingerspitzen: Zucker muss vollständig aufgelöst sein. Restliche Zutaten (Staubzucker, Mandeln und Lebkuchengewürz) in Schüssel gründlich mischen, zum Eischnee geben und vorsichtig unterheben.
Macarons dressieren (Spritzsack,/10-mm-Tülle) Rondellen von ca. 30 mm Durchmesser auf Backpapier spritzen und 30 Minuten antrocknen lassen, anschliessend 10 bis 15 Minuten backen bei 140/150° C ohne Backofen-Umluft (Ventilator). Trick: Silikonmatte mit Markierungen benutzen oder mit Kugelschreiber Rondellen-Vorlage auf Backpapier zeichnen, Papier umkehren.
Hinweis: Die Herstellung von perfekten Macarons ist nicht gerade ein Job für Anfänger. Schmecken tun sie aber auch, wenn sie nicht so schön geraten sind. Also einfach experimentieren. Macarons sind jedoch in passenden Aromen in Confiserien und neu auch in Supermärkten erhältlich.
Ganache (Schokolade-/Mandelmasse mit Säntis Whisky):
165g Rahm
325g weisse Couverture
75g Mandelmasse
5g Whisky, z.B. Säntis
2-4 Tropfen Bittermandelessenz
Rahm aufkochen, mit Couverture mischen, Mandelmasse, Whisky und Bittermandel beigeben, weiter mischen. Diese Ganachemasse mindestens 12 Stunden vorher zubereiten, kühl stellen. Macarons mit Ganache füllen (je zwei Macarons mit einem Tupfer Masse auf der Unterseite verbinden).
Alpenbitter-Reduktion:
150g Alpenbitter Likör aufkochen, 70 bis 80% reduzieren.
Birnenweggen-Glace:
Milch und Zucker aufkochen, Eigelb beigeben, bei schwacher Hitze mit dem Schneebesen aufschlagen und zur Rose abziehen (82 °C). Birnenweggenfüllung beigeben, mischen, Rahm beigeben und weiter gründlich mischen. Im Freezer zu Glace verarbeiten. Die Birnenweggen-Glace kann durch Stracciatella- oder Caramel-Eis ersetzt werden.
Anrichten:
Desserteller vorkühlen. Glace, Parfait und Rahmlikör-Creme anrichten, gefällig mit Macarons, dem Crumble, den Hüppen und der Alpenbitter-Reduktion dekorieren.
Christian Meyer (*1947) ist Betriebswirtschafter FH und seit 1998 als freier Journalist tätig. Er schreibt für verschiedene Medien über Foodtrends, Gastronomie, Reisen, Lifestyle und Gesellschaft. Christian Meyer lebt in Zürich.
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