logo

Zeyer zur Zeit | Swissaid

Die Hilfsorganisation Swissaid feiert den 75. Dabei hilft sie in erster Linie sich selbst

«Für eine Welt, in der es keinen Hunger mehr gibt und in der selbst die ärmsten Menschen ein gesundes, würdiges und selbstbestimmtes Leben führen können.» Das ist das hehre Ziel von Swissaid. Schöne Worte, schöner Schein.

«Die Ostschweiz» Archiv am 30. Juli 2023

Die Hilfsorganisation mit Sitz in Bern gibt jedes Jahr rund 20 Millionen Franken aus, um diese Ziele zu erreichen. Ein Viertel davon stammt vom Bund, also vom Schweizer Steuerzahler. Dreiviertel werden als Spenden eingeworben.

Aber leider steht vor der Hilfe für die Ärmsten und Hungernden bei Swissaid die Selbsthilfe. Also die Hilfe für sich selbst. Denn alleine im Hauptquartier in Bern werkeln rund 50 Angestellte an der Verbesserung der Welt. Sie denken dabei allerdings erst einmal an sich selbst. So verdiente die vierköpfige Geschäftsleitung im Jahr 2021 rund 575'000 Franken. Spesen, Reisen und weitere Kleinigkeiten nicht inbegriffen.

Für die Löhne der weltweit über 200 Angestellten, für Administration. Fundraising und allgemeinen Werbeaufwand gehen schon mal 8 Millionen Franken drauf. Da bleiben dann noch 12 Millionen für die 9 «Projekte» überall auf der Welt. Allerdings gehen davon nochmals rund ein Drittel für die Löhne der lokalen Mitarbeiter weg.

Kann man wenigstens sagen, dass die Tätigkeit von Swissaid, soweit sie sich nicht mit sich selbst beschäftigt, segensreiche Auswirkungen hat? Insgesamt gebe es jährlich weltweit rund 350'000 «Begünstigte», dazu kämen noch 100'000 Menschen dazu, die mit «Nothilfeprojekten» unterstützt würden. Das bedeutet: pro Geholfenem sind das gerade mal 45 Franken. Ob damit ein gewichtiger Beitrag für ein würdiges und selbstbestimmtes Leben geleistet wird?

Noch mehr Fragezeichen poppen auf, wenn man sich die Einsatzgebiete anschaut. Da wäre mal der Tschad, wo Swissaid seit 1965 tätig ist. In 6 «Projekten» werden 1,6 Millionen Franken verpulvert, Pardon, investiert. Dennoch war, ist und bleibt der Tschad eines der ärmsten und korruptesten Länder der Welt, auf allen entsprechenden Statistiken auf den allerletzten Plätzen anzutreffen.

Schlimmer noch: als Swissaid es 2017 wagte, mal einen kritischen Bericht über die korrupte Herrschaftsclique des Tschad und ihre Verbandelungen mit internationalen Firmen bei der Ausbeutung der Ölreserven zu veröffentlichen, krebste die Hilfsorganisation eilig zurück. Das Regime hatte seine Muskeln spielen lassen und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es solche Kritik überhaupt nicht nett fände. Um dann die lokalen Mitarbeiter zu «schützen», wurde der Report eilig geschönt, weichgespült und abgeschwächt.

Wie sagte der damalige Präsident von Swissaid so heuchlerisch: «Von Zensur würde ich nicht reden. Für mich ist die Darstellung des Tschad als eines der korruptesten Länder etwas einseitig. Das deckt sich nicht mit meinen Beobachtungen. Es gibt Länder, die viel rücksichtsloser mit ihrer Bevölkerung umgehen.» Dass Transparency International das entschieden anders sieht und Tschad als das korrupteste Land der Welt bezeichnet, was interessiert das Swissaid.

Ein zweiter bedenklicher Fall ist Nicaragua. Offenbar hat Swissaid eine Vorliebe für ärmste, korrupte Staaten, die von einer Herrschaftsclique ausgebeutet werden, der das Schicksal der eigenen Bevölkerung völlig egal ist. Hier ist Swissaid seit 1981 tätig, also kurz nach der sandinistischen Revolution, die unzählige Revolutionstouristen aus Europa und auch der Schweiz anzog, die dort Kaffee pflückten und überhaupt ihre Solidarität zum Ausdruck brachten.

Jährlich eine Million Franken lässt Swissaid nach Nicaragua fliessen. Das Land wird seit Jahren vom degenerierten, korrupten ehemaligen Revolutionär Daniel Ortega diktatorisch regiert, wobei ihm seine durchgeknallte Gattin als Vizepräsidentin und eine mitprofitierende Gefolgschaft hilft. Proteste lässt Ortega brutal zusammenschiessen. Deshalb haben die meisten NGOs, selbst der Vatikan das zweitärmste Land der Region (nach Haiti) längst verlassen. Nicht so Swissaid. Sie will Kleinbauern in agrarökologischen Anbaumethoden unterrichten. Als ob die nicht ein paar viel wichtigere Probleme hätten.

Zum schönen Schein gehört auch, dass Swissaid behauptet, so schlank wie möglich aufgestellt zu sein, die Länderverantwortlichen würden jährlich ein Mal, höchstens zweimal von der Schweiz aus das Einsatzgebiet besuchen. Der Chauffeur an der Karibikküste Kolumbiens erzählt so nebenbei anderes. Er sei mit Swissaid gut im Geschäft, alleine in den ersten Monaten dieses Jahres hätte er vier verschiedene Besucher aus der Schweiz herumgefahren. Die hätten so sinnvolle Dinge gemacht wie eine Hutfabrik besuchen oder Strandhotels.

Aber es geht auch umgekehrt. Die kolumbianische Länderverantwortliche Walquiria Perez gebietet normalerweise in Bogotá im mehrstöckigen Swissaid-Bürogebäude über ein rundes Dutzend Mitarbeiter. Zurzeit ist sie aber in der Schweiz, um hier ausgewählten Schulklassen vorzuschwärmen, was für sinnvolle Dinge Swissaid in Kolumbien so tue. So hatte eine Klasse im Schulhaus Neuwiesen über 4000 Franken für Swissaid gesammelt, womit sie sich einen Besuch von Perez verdient hatte: «In einem der Dörfer konnten wir dank eurem Einsatz eine ökologische Vanilleplantage aufbauen.»

Dass Swissaid in Kolumbien allerdings sehr viel Geld für Dinge wie eine «Ausbildungswerkstatt der Netzwerke zur Prävention und Aufdeckung von Gewalt» ausgibt, wo die Teilnehmer fit gegen «neue Maskulinitäten» gemacht werden und man sich am Schluss im Ringelreihen an den Händen hält, im Kreis um einen Tisch mit Kerzen, um sich gegenseitig Kraft zu geben, das hat sie sicher nicht erzählt. Dabei gibt das nicht Kraft, sondern man schwitzt ungemein in der karibischen Hitze, nachdem ein Psychologe und eine Kursleiterin einen langen Tag gewirkt und unterwiesen haben.

So ist Swissaid auch in der Schweiz rührig in der Selbstvermarktung. Weniger aktiv ist allerdings der Co-Präsident Fabian Molina. Der SP-Nationalrat überlegt sich gerade in seinen Sommerferien, ob er als Bundesrat kandidieren will. Daneben kümmert er sich um den Weltfrieden, die Abschaffung der NATO, den Kosovo und nimmt auch schon mal im Schwarzen Block an einer unbewilligten Demonstration teil. Da ging es schliesslich darum, dass «Zürich stabil Nazifrei» bleiben solle.

Wohltönende Worte, fragwürdige Hilfsprojekte, Hilfe in erster Linie als Selbsthilfe im wahrsten Sinne des Wortes, Reisetourismus, ein leicht abgehobener Präsident, der sich um die ganze Welt, nur nicht um seine Stiftung kümmert: während die Eidgenossenschaft doch den einen oder anderen Grund hat, sich zu feiern, ist bei Swissaid keiner zu erkennen.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.