Wie es aussieht, wenn politische Korrektheit richtig zu miefen beginnt, erleben wir derzeit aufgrund einer Karikatur.
Manchmal kondensiert sich der Inhalt einer ganzen Debatte auf kleinstem sprachlichen Raum. Zum Beispiel hier: «Wie nun eine Karikatur aussehen könnte, die die wütende Serena Williams zeigt und dabei keine rassistischen Stereotype bedient? Keine Ahnung. Aber wenn man keine Idee dazu hat, muss man auch kein Bild in die Welt setzen.»
Zunächst der Zusammenhang. In einer australischen Zeitung ist ein Cartoon (siehe Bild) erschienen, der sich über die Tennisspielerin Serena Williams lustig macht. Er zeigt sie als trotziges Kleinkind, das den Schnuller ausgespuckt hat und auf seinem Lieblingsspielzeug, dem Tennisschläger, herumhopst. Hintergrund dafür sind die Ausraster, die sich Williams während eines Tennismatchs geleistet hat. Die Karikatur löste einen Shitstorm in sozialen Medien aus.
Soweit, so weltbewegend. Aber heutzutage ist nichts zu nichtig, um nicht im deutschen Nachrichtenmagazin für gute und richtige Lebensart eine strenge Zurechtweisung zu erleiden. Die «Spiegel»-Kolumnistin Hannah Pilarczyk fällt machtvoll über den Karikaturisten her: «In dieser Karikatur stecken diverse rassistische Stereotype. Ob sie absichtlich benutzt wurden oder nicht, ist egal: Einem Profizeichner darf so etwas nicht passieren.»
Was darf ihm nicht passieren? Nun, Pilarczyk schleicht sich zuerst scheinbar harmlos an: «Jemand, der wütend ist, wird beim Wütendsein gezeigt. Und jemand, der dunkle Haut, volle Lippen und krauses Haar hat, wird als jemand, der dunkle Haut, volle Lippen und krauses Haar hat, gezeigt.»
Soweit, so richtig, denkt der Leser, aber da denkt er natürlich falsch, denn schon hat er gezeigt, dass er rassistische Stereotype nicht erkennt, wenn er sie sieht. Als Entschuldigung kann der Betrachter höchstens anführen, dass er nicht achtsam war, aber diese Ausrede gilt natürlich für den Karikaturisten nicht, er muss wissen «in welchen rassistischen Traditionen es steht, bei Schwarzen volle Lippen und krauses Haar zu betonen; dass es zu kolonialen Darstellungsweisen gehörte, Nicht-Weisse als Kinder und damit als intellektuell und sozial Unterlegene zu zeigen.»
Entkommen kann er dieser Grossinquisitorin im Namen der politischen Korrektheit nicht: «Entweder er hat, wie das Blatt, das seine Bilder publiziert, kein Problem damit, rassistische Traditionen fortzusetzen – oder aber, er ist denkbar ungeeignet für seinen Job.»
Hoppla. Da sollte der australische «Herald Sun» aber schleunigst auf seine rassistische Tradition verzichten. Und der Karikaturist muss sich leider einen neuen Job suchen, denn entweder ist er unfähig, oder er hat in der rassismusfreien neuen Tradition der Zeitung keinen Platz mehr. Der Vollzug ist an die Grossinquisitorin beim «Spiegel» zu melden, sonst drohen drakonischere Massnahmen als eine scharfe Zurechtweisung.
Und alle Karikaturisten der Welt sollten sich hinter die Ohren schreiben: Wenn sie keine Idee haben, wie man eine wütende Serena Williams zeigen könnte, ohne gleich in Rassismus auszuarten, dann sollten sie diese Bespassung doch einfach lassen. Denn tiefe Humorlosigkeit zeichnet immer und überall Fanatiker aus, die sollte man nicht ohne Not reizen. Und schon ja nicht über Kolumnistinnen wie Pilarcyk lachen und deren flammendes Plädoyer für Nicht-Karikaturen. Auf ihre Art bebildert sie, Pardon, ein Diktum von Karl Kraus: «Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können, das macht den Journalisten.»
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.