Magie und Illusion ist sein Leben. Rafael Scholten aus St.Gallen ist Zauberkünstler. Der erst 28-Jährige gewann dieses Jahr den Publikumspreis beim europäischen Grand-Prix-Wettbewerb in Degersheim und dies ist nicht seine einzige Auszeichnung.
Das Hobby zum Beruf machen. Dies ist der Wunsch vieler Menschen. Rafael Scholten aus St.Gallen hat es geschafft. Er ist Zauberkünstler und erzählt im Interview wie es dazu kam.
Rafael Scholten, Sie sind Zauberkünstler. Also sozusagen der Harry Potter der Ostschweiz?
Genau… haha! Ich habe überlegt, Schauspieler zu werden, entschied mich aber für ein Studium in Hogwarts. Also wenn Sie auf dem St. Galler Marktplatz aus dem Augenwinkel etwas fliegen sehen, dann könnte das gerade ich sein.
Was genau ist für Sie das Faszinierende an der Zauberkunst?
Ein bekanntes Sprichwort lautet: «Ein Magier ist ein Schauspieler, der die Rolle eines Magiers spielt.» Ich liebe es, mein Publikum für einen Moment der Realität entfliehen zu lassen. Es ist faszinierend, etwas zu sehen, von dem man weiss, dass es nicht möglich ist und doch geschieht es vor deinen Augen. Ich liebe das ganze Leben als Magier: Die Technik, die Suche nach Lösungen, das Reisen, das Theater sowie der Applaus, wenn etwas gelungen ist. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man seine selbstgeschaffene Nummer aufführen und damit das Publikum so begeistern kann, dass alle mitfiebern.
Wie sind Sie zum Zaubern gekommen?
Seit meiner frühsten Kindheit bin ich fasziniert von Theater, Circus, Puppenspiel und Magie. Zu Weihnachten bekam ich einst ein Zauberbuch geschenkt – ich war wie besessen und habe seitdem nicht mehr mit dem Zaubern aufgehört. Später, als ich zehn Jahre alt war, bin ich in einen Magierclub eingetreten und wurde von älteren Meistern unterrichtet. Ich habe einen Akt kreiert und sofort den ersten Platz bei den Jahreskonferenz gewonnen. Ich bin noch genau so fasziniert von der Zauberei wie vor 18 Jahren und mache immer noch meine eigenen Nummern, aber diese sind inzwischen grösser und teurer.
Haben Sie auch einen bodenständigen Beruf erlernt?
Nach meinem Studium habe ich eine Theaterausbildung gemacht. Die Leute fragen mich oft, sogar während einer siebenmonatigen Tournee, was mein «richtiger» Beruf sei. Magie ist vielleicht kein durchschnittlicher Beruf, aber es ist ein Beruf. Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt ganz gut. Und das kostet eine Menge Zeit. Was man sieht in einer Show ist zirka 10 Prozent der Arbeit, der Rest ist Vorbereitung und Büroarbeit. Ich habe immer gewusst, dass Magie das ist, was ich will. Als ich jung war, kannte ich viele hauptberufliche Künstler, die ein gutes Leben führen, und so folgte ich ohne Zweifel meiner Leidenschaft. Und ich bin immer noch sehr zufrieden mit dieser Entscheidung. Ich kann jeden Tag mit Magie beschäftigt sein.
Inzwischen konnten Sie ihr Hobby zum Beruf machen. Wie ist Ihnen dies gelungen?
Ich trete in ganz Europa in Varietés, Theatern und Dinnershows auf. Zudem habe ich meine eigene Solo-Show und trete bei Privat- und Firmenveranstaltungen auf. Ich bin sehr glücklich, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Ich denke, durch Durchhaltevermögen und harte Arbeit. Ich habe auch alles ausprobiert. Ich bin bei den kleinsten Geburtstagsfeiern und den grössten Shows in Europa aufgetreten, wie zum Beispiel beim renommierten Zirkusfestival in Monte Carlo. Sie müssen mit den Füssen auf dem Boden bleiben. Man ist so gut wie seine letzte Show. Schlussendlich ist man natürlich nur ein kleines Unternehmen, also muss man es auch so sehen und behandeln. Die meiste Arbeit verrichte ich im Büro. Es gibt Tage, an denen ich keine einzige Spielkarte anrühre.
Sie sind mit 28 Jahren bereits im Besitz mehrerer Auszeichnungen. Was bedeuten Ihnen diese? Und welche bedeutet Ihnen am meisten?
Sie haben mir dabei geholfen, mich zu verbessern. Seit meiner Kindheit verfolge ich die französische Fernsehsendung «Le plus grand cabaret du monde», die weltweit auf TV5 Monde ausgestrahlt wurde. Nach jahrelangem Training und harter Arbeit wurde ich vor drei Jahren für die letzte Folge dieser TV-Show gebucht. Dieser Fernsehauftritt in Paris und meine Auftritte für die Fürstenfamilie beim Festival Internationale du Cirque de Monte-Carlo sind definitiv Highlights, an die ich gerne zurückdenke. Die Videos dazu kann man sich auf YouTube ansehen.
Mögen Sie Wettbewerbe generell gerne?
Um ganz ehrlich zu sein, nein. Ich denke, Magie ist eine Kunst, und es ist sehr schwer, eine grosse Illusion mit einem technisch sehr schwierigen Kartentruck zu vergleichen. Aber es ist gut, dass es sie gibt. Sie sind hilfreich, um sich weiterzuentwickeln, sich zu motivieren und das Beste aus sich herauszuholen.
Wie würden Sie Ihren persönlichen Zauberstil beschreiben?
Alle meine Shows sind stets elegant und enthalten einen Hauch von alten Zeiten. Präsentieren werde ich es jedoch in einer frischen, modernen sowie exklusiven Art – keinesfalls altmodisch. Es ist die moderne Stimme der klassischen Magie. Mein Stil ist inspiriert von der Atmosphäre berühmter Zauberkünstler aus der viktorianischen Ära, wie zum Beispiel Robert Houdin aus Paris. Ich besitze eine seiner fast zweihundert Jahre alten Nummern und präsentieren diese unter anderem in meiner Show.
Wie erfinden Sie immer neue Zaubertricks? Und wie erstellen Sie ein neues Bühnenprogramm?
Ich bin immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, meinem Publikum ein Gefühl von echter Magie zu geben. Und gleichzeitig lieber mit Tricks, die ich selbst erfinde. Oder ich nehme ein altes Konzept und verändere es. Es gibt Tausende von Büchern mit Tricks und Theorien, aus denen ich mein Wissen beziehe. Eine neue Nummer beginnt mit einem Traum, einer Fantasie oder einem Auftrag. Ich habe zum Beispiel eine Nummer mit Stepptanz und Zauberei gemacht die von meiner Liebe zu alten Filmen von Gene Kelly und Fred Astair inspiriert war. Dann habe ich angefangen zu suchen und mögliche Tricks zu sammeln, die richtige Konstruktion, das richtige Kostüm, und ob das alles technisch machbar ist. Und natürlich eine Menge Stepptanzunterricht. Es hat Jahre gedauert, bis sich das alles herauskristallisiert hat. Aber es gibt nur einen Akt auf der Welt wie das. Originalität ist wichtig. Ich arbeite viel allein, aber auch mit meinen Mentoren, einem Choreographen, einem Bekleidungsdesigner.
Was macht Ihnen dabei am meisten Spass?
Ein Trick beginnt mit der Idee eines Effekts. Ich möchte mich in einer Sekunde komplett umziehen, dann finden ich heraus, wie das geht und wie man es realisieren können. Nach vielen Tests ist der schönste Moment der, wenn es funktioniert und man selber über die Magie, die man geschaffen hat, erstaunt ist. Als Zauberkünstler ist man eine komplette Produktionsfirma: Man ist Darsteller, Kostümbildner, Beleuchter, Tontechniker, Sekretär, Manager und Fahrer. Es ist manchmal nicht so einfach, alles unter einen Hut zu bringen.
Wie wirkte sich Corona auf Ihre Tätigkeit als Zauberkünstler aus?
Um es kurz und nicht zu deprimierend auszudrücken: Es ist eine Herausforderung. Natürlich ist es ein schwieriger Beruf ohne Corona, aber es ist schmerzhaft, wenn man sieht, dass die ganze Agenda einfach über den Haufen geworfen wird. Aber wir warten auf bessere Zeiten und nehmen, was kommt. Sie hatte auch ihre positiven Seiten. Ich habe noch nie so viel kreiert. Ich habe Bücher gelesen und bin tatsächlich ein gutes Stück vorwärts gekommen.
Bald ist Ende Jahr, welches sind Ihre Ziele fürs 2022?
Nächstes Jahr möchte ich mein neues Solo-Theaterstück realisieren. Ab August bin ich für sieben Monate mit der Schweizer Dinnershow Clowns&Kalorien auf Tournee, wir werden in Schaffhausen, Chur, Liechtenstein und Winterthur auftreten. Im März werde ich in einer Zusammenarbeit mit dem Orchester des KKL Luzern auftreten, die Show heisst Zirkussymphonie. Ausserdem versuche ich immer, mich weiterzuentwickeln und besser zu werden und meine Magie mit der Welt zu teilen.
Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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