Wir Ostschweizer klagen oft, man nehme uns zu wenig ernst. Eine Liste von Ereignissen der letzten Wochen zeigt: Das hat manchmal vielleicht gute Gründe.
Wir präsentieren: Fünf willkürlich ausgesuchte Beispiele für Ereignisse und Handlungen, die in den letzten Tagen und Wochen zu reden gaben - und die nicht wirklich dazu angetan sind, die Ostschweiz im Ansehen anderer Regionen zu befördern. Eher im Gegenteil.
1. Verleihung des Peinlichkeit-Preises
Der St.Galler Kulturpreis ist mit 30'000 Franken dotiert - und ansonsten relativ wertlos. Man punktet in einer Bar in New York oder in einer Galerie in Tokio nicht wirklich, wenn man sagt, dass man ihn erhalten hat. Der Regisseur Milo Rau hat ihn bekanntlich nicht gekriegt. Das hat er so richtig sportlich und demütig genommen, wie seine etwa 80'000 Zeichen lange «Abrechnung» im St.Galler Tagblatt zeigt. Dabei klingt seine Story in New York und Tokio auf diese Weise doch viel besser: «Ich hätte ihn kriegen müssen, aber nicht gekriegt!» Die einen finden, der Stadtrat habe sich blamiert, die anderen finden, Rau habe sich blamiert. Einigen wir uns darauf: Das Ganze ist hochnotpeinlich.
2. Die traurigste Eröffnung der Welt
Am Spital Wattwil wird ein neuer Bettentrakt eröffnet, ein Teil eines Bauvorhabens in der Höhe von 85 Millionen Franken. Während links die Korken knallen, demonstrieren rechts aufgebrachte Leute, da man den neuen Bettentrakt möglicherweise gar nicht braucht, weil in Wattwil allenfalls eines Tages gar keine Patienten mehr nächtigen. Hätte das eine Satirezeitschrift so erfunden, würde man ihr zu Recht vorwerfen, es übertrieben zu haben.
3. Das Kinderfest sucht die Sonne
Und das nicht einfach für einige Stunden, sondern möglichst lückenlos über mehrere Tage, am besten eine Woche lang. Wobei dann vielleicht das Gras auf der Kinderfestwiese etwas dürr werden würde, und dann müsste man sich zum Schutz der Wiese überlegen… Die Verschiebungsposse rund um das traditionelle Kinderfest hat mittlerweile Kultstatus. Die Bedingungen, die gegeben sein müssten, gibt es im Grunde gar nicht. Wir können von Glück reden, dass Medien ausserhalb der Ostschweiz noch nicht darauf gestossen sind. Das wäre eine schöne Story, um zu zeigen, dass wir hier in der Ostschweiz etwas, nun, anders sind.
4. Wiler Hyänen
Spitalsache zum Zweiten: Wie soll die Ostschweiz als Region an Profil gewinnen, wenn sich die einzelnen Regionen gegenseitig zerfleischen? In rekordverdächtigem Tempo nahm der Wiler Stadtrat Stellung zu den Vorschlägen einer Umgestaltung der Spitallandschaft. Ohne genau zu wissen, was geplant ist, lobpries die Stadtregierung die Ideen - weil diese danach aussehen, dass Wil ungeschoren davon kommt. Man hätte eigentlich auch einfach hinschreiben können: «Macht doch dieses Spital Wattwil platt und lasst uns leben!» Wir prophezeien eine angespannte Zukunft zwischen Wil und Wattwil.
5. Chriesi-Affäre
Ein Fundstück aus dem Rheintal: In Widnau stehen drei Chriesibäume, die der Politischen Gemeinde gehören und die tüchtig Kernobst tragen. Leider pflückt es niemand, weil die Gemeinde dazu keine Lust hat und niemand sonst weiss, dass man dürfte. Ostschweizerischer geht es kaum: Drei Bäume dienen als reine Vogelfutterstelle, weil sich keiner getraut, zuzulangen. Was ist aus den Schulkindern geworden, die sich - selbst bei einem Verbot - einfach bedienen? Wie wäre es mit einer Tafel, die sagt, dass man zugreifen darf? Selbstklebebuchstaben aus der Migros tun es völlig.
Fünf Fundstücke aus dem Universum Ostschweiz. Wir haben offenbar so viel mit uns selbst zu tun, dass uns die Zeit fehlt, uns gegen aussen zu positionieren.
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