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Gartenbrief

Die Lösung ist: Die Pflanze

Grosse Vorhaben scheitern häufig an den (zu) hohen Ansprüchen. Um das zu verhindern, kann man die Ansprüche senken oder das Vorhaben verkleinern – häufig auch beides.

Markus Kobelt am 31. Juli 2021

Jedenfalls wenn man nicht so mutig und naiv ist wie Stefano Mancuso. Mut und Naivität sind übrigens die wichtigsten Tugenden, die einen vor der endgültigen Resignation schützen: Ich weiss, dass ich nichts weiss, und deshalb kann ich auch nichts tun. Nein, wir wissen vieles, wenn auch nicht alles, und wir haben dazu auch etwas zu sagen. Traut Euch!

Zur Abwechslung geht es heute um ein Buch, und zwar Stefano Mancus0’s, die Pflanzen und ihre Rechte

Stefano Mancuso versucht in seinem Pamphlet "Die Pflanzen und ihre Rechte" nichts Kleineres, als der Nation der Pflanzen ihre Rechte mit 8 Grundartikeln zurückzugeben. Doch dabei lässt er es nicht bewenden: Unter der Hand und mit fortlaufender Lektüre gerinnt die Verfassung der Pflanzennation zur Blaupause für…. na ja… die Rettung der Welt, unseres grünen Planeten. Wie gesagt: Ohne Mut und Naivität geht das gar nicht.

Kann das gut gehen? Zum guten Glück benutzt Mancuso einen weiteren Trick, um die Ansprüche und das Vorhaben nicht scheitern zu lassen: Er schreibt kein Buch, sondern ein Büchlein, ein Pamphlet, das notgedrungen Lücken offenlässt. Das Büchlein vervollständigt sich zum Buch letztlich erst im Kopf des Lesers – und hoffentlich auch in seinem Handeln. Mancuso stellt die Grundsätze der Pflanzen-Verfassung jeweils kurz theoretisch dar, um sie dann wie immer in seinen Büchern mit einer Vielzahl von Belegen und vor allem Geschichten untermauert. Dadurch ist "Die Pflanzen und ihre Rechte" nicht etwa ein schwieriges Buch (wie man übrigens nach der etwas staubtrockenen Lektüre der 8 Pflanzenrechte meinen könnte), sondern ganz einfach und unterhaltsam zu lesen. So leicht, dass man am Ende ganz überrascht ist, was einem der Autor so unter der Hand zugemutet, ja suggestiv zugeflüstert hat:

Erstens: «Die Lösung ist die …Pflanze. Punkt»

Vor ca. 450 Mio. Jahren hat es die entstehende Pflanzenwelt schon einmal geschafft, den lebendbedrohlich hohen CO2 Gehalt der Atmosphäre zu senken. Der Mechanismus ist schlichtweg wunderbar, aber als lästigen Schulstoff vergessen wir ihn immer wieder gerne. Mancuso aber frischt ihn kurz und prägnant auf: "Dank Sonnenenergie und Fotosynthese binden Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre, bilden energiereiche Zuckermoleküle und erzeugen als Abfallprodukt Sauerstoff." Genau! Mancuso folgert: "Lasst die Pflanzen ran". In einer globalen Übersicht sind dann vor allem zwei Hauptmassnahmen zu beachten: Schützt die Wälder und begrünt die Städte. Bis zum Jahr 2070 werden wohl 70% der Weltbevölkerung in Städten leben. Milliarden von Menschen wachsen in den Mittelstand hinein, werden Energie brauchen, ihren Lebensstandard westlichen Massstäben anpassen wollen. Wer da glaubt, mit einigen sogenannten Renaturierungen und Nationalpärken durchzukommen, wird notgedrungen eines Besseren – oder eben Schlechteren – belehrt werden. Die Städte müssen begrünt werden, ganzheitlich, überall. Mancuso: "Die Regel muss lauten: Wo eine Pflanze überleben kann, soll auch eine wachsen."

Und zweitens wird dank Mancuso folgendes klar: «Lernt von der Organisationsform der Pflanzen!»

So wie Menschen und andere Tiere meist über ein zentrales kommandierendes Nervensystem verfügen, so baut der Mensch auch seine Organisationen, Staaten, Provinzen und Firmen: zentral, hierarchisch, gerne von oben nach unten. Das kann nur schiefgehen. Das Krebsgeschwür der Bürokratie hat hier noch immer jeden guten Ansatz überwuchert. Das entsprechende Kapitel in Mancusos Büchlein (S. 59-75) beinhaltet eine hellsichtige, ebenso lustige und traurige Zusammenfassung der Bürokratieforschung. Was beim Menschen noch knapp funktioniert, die Übermittlung der Informationen vom Gehirn auf die einzelnen Organe, versickert in menschlichen Organisationen im Krebsgeschwür der Bürokratie. Die Bürokratie macht eigentlich nichts anderes, als die Distanz zwischen Regierung und Bevölkerung, zwischen Firmenzentrale und Fabriken, zwischen Vorhaben und Umsetzung zu vergrössern. Und es ist genau diese Distanz, die Bürokratie erst ermöglicht. Bürokratie schafft à la longue nur eines: sich selber zu vergrössern und maximal auszudehnen. Mancusos schönstes Beispiel: Die Kolonialverwaltung Grossbritanniens wuchs auch im 20. Jahrhundert immer weiter, ungefähr in dem Masse, wie die Kolonien weniger wurden. Und das ging für die Bürokratie auch – wie immer – gut aus. Als es keine Kolonien mehr gab, wurde die Kolonialabteilung einfach ins Aussenministerium integriert. Wie war das noch: Die Bürokratie schafft am Ende nur eines: sich selber.

Dagegen setzt Stefano Mancuso – naiv und mutig – die Pflanzen: Sie sind grundsätzlich dezentral organisiert, und auch ihre Gemeinschaften funktionieren so. Die Kompetenz ist an die omnipotenten Zellen und an die Peripherie, an die Triebspitzen, Blätter und Äste und vor allem an die Wurzelspitzen delegiert. Wenn es Konkurrenz unter Pflanzen gibt, ist es die Konkurrenz um die beste Adaption an die vorherrschenden Umstände. Dabei helfen aber vor allem Symbiose und Partnerschaft – mit den Tieren und Befruchterinsekten, mit dem Menschen, mit den stickstoffbindenden Knöllchenbakterien. Dass der Mensch irgendwie immer zu Ausnützungsverhältnissen tendiert und kurzfristige Taktiken langfristigen Kooperationsstrategien vorzieht, hat vielleicht auch damit zu tun, dass Tiere/Menschen im Gegensatz zu Pflanzen davonrennen können. Pflanzen können ihrer Umwelt nicht davonlaufen. Wir übrigens längerfristig auch nicht.

Zentralistisch und bürokratisch wird man die Probleme dieser Welt nicht lösen können. Vielleicht gelingt es damit, hier und dort ein kleines heiles Disneyland zu schaffen. Schön, künstlich und ziemlich absurd. Die staatlich besoldeten Umweltingenieure sitzen die Klimaerwärmung dann in ihren klimatisierten Bürotürmen aus und planen Renaturierungen und verbieten Pflanzen. Und die längst beamteten Biobauern produzieren die letzten Überreste echter Lebensmittel – die beim alljährlichen Diversitätsfestival jedem Bürger gratis abgegeben werden.

Was also sollen wir tun?

Sie wissen es genau und Sie haben es hier schon mehr als genug gelesen.

Um des Himmels und der Erde willen: Pflanzt Pflanzen!

Gärtnern sie weiter!

Markus Kobelt

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Autor/in
Markus Kobelt

Markus Kobelt ist Gründer und zusammen mit seiner Frau Magda Kobelt Besitzer von Lubera.

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