Selbsternannte Experten können ungehindert zur offen gelebten Apartheid aufrufen. Staatlich finanzierte Kampagnen legen schonungslos offen, dass die Impfung nichts mit Gesundheit zu tun hat. Die Kampagne wird hemmungsloser. Vielleicht zum Glück.
Das Wort ist frei. Das soll gelten. Wir nehmen diese Regel für uns in Anspruch, andere sollen es auch tun können. Wenn ein «Verhaltensökonom» findet, man sollte Ungeimpfte systematisch diskriminieren dürfen, um sie zum Umdenken zu zwingen, muss er das sagen können. Das sollte eine offene Gesellschaft aushalten.
Gerhard Fehr, ein Mann, den bis vor wenigen Tagen kein Mensch in diesem Land kannte, hat das getan und seine 15 Minuten Ruhm erhalten dank seinen kernigen Aussagen im «Blick». Es sei ihm gegönnt.
Aber Fehr, der in wenigen Tagen wieder vergessen sein wird, ist ja gar nicht das Problem. Er ist ein kleiner Helfershelfer. Je extremer irgendwelche Experten sich äussern, desto leichter hat es die Politik, wenn es darum geht, danach Massnahmen durchzusetzen, die nach etwas weniger klingen. Wenn Fehr findet, eine «systematische Diskriminierung» sei völlig in Ordnung, wirkt alles, was ein bisschen weniger weit geht, wie in Watte gepackt. Das Blick-Interview mit Fehr ist ein Wegbereiter für die aktuelle Politik.
Jeder soll sagen dürfen, was er sagen möchte. Aber diese Grundregel ist ja längst ausgehebelt. In sozialen Medien wie Facebook und Twitter kann man längst nicht mehr offen seine Meinung sagen. Und auch in den grössten Medien des Landes wird Widerspruch systematisch ausgehebelt. Deshalb die Frage: Wo blieb eigentlich der Aufschrei der Landesregierung nach Fehrs Äusserungen? Warum sagte kein Vertreter dieses Staats, dass eine Diskriminierung von Menschen, die auf das Recht der körperlichen Unversehrtheit pochen, nicht geht?
Ganz einfach: Der Staat sieht es gerne, wenn jemand in seinem Sinn überbordet. Es macht ihm die Sache leichter.
Es ist kein Zufall, dass Gerhard Fehr sein Podium im «Blick» erhielt, der Zeitung, die inzwischen sogar staatsnäher wirkt als die SRG. Fehrs Firma, eine gewisse Fehr Advice & Partners AG, ist selbst im Grunde nichts anderes als ein als privatwirtschaftliches Unternehmen getarnter Staatsableger. Ein Blick auf die Besetzung des Verwaltungsrats reicht. Die ehemalige Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold gehört ihm an. Ausserdem Jeannine Pilloud, früheres Mitglied der SBB-Konzernleitung und aktiv im Vorstand von Schweiz Tourismus.
Natürlich kann jede Firma ihren Verwaltungsrat besetzen, wie es beliebt. Nur muss man wissen: Solche Leute beruft man nicht aufgrund ihrer herausragenden Kompetenzen in der Sache, sondern weil sie ein Netzwerk mitbringen. In diesen beiden Fällen ist es eine Vernetzung zum Bund. Von dort winken satte Mandate, mit dieser Seite muss man sich gut stellen. Es wäre naiv zu glauben, dass der Chef eines Unternehmens, der einem solchen Verwaltungsrat rapportiert, rein zufällig derart massive Forderungen, die an Apartheid grenzen, in einer der grössten Zeitungen der Schweiz deponiert. Das ist orchestriert. Von ganz oben. Nichts gegen Frau Metzler-Arnold oder Jeannine Pilloud, aber was bitte haben sie mit dem Kerngeschäft von Fehr Advice & Partners zu tun? Ihre einzige Mission dort ist es, den Weg freizumachen Richtung staatlicher Geldtöpfe.
Wenn jemand glaubt, dass das alles Zufall ist, dann ist ihm nicht zu helfen.
Sekundiert werden solche Manöver derzeit auch auf einer tieferen Ebene. In den sozialen Medien kursiert ein Bild aus der Stadt Chur, auf dem ein behördliches Plakat Gründe für eine Covid-Impfung wiedergibt. Es gebe drei gute Argumente dafür, heisst es dort: «1. Ausgang. 2. Ausgang. 3. Ausgang.»
Was diese kreative Ausgeburt eines Werbers, der hoffentlich beruflich etwas anderes macht, besagt, ist nichts anderes als das: Die Impfung hat nichts zu tun mit dem Schutz der Gesundheit, sie dient lediglich der Wiedererlangung von Grundrechten. Das ist jedem kritisch denkenden Bürger schon lange klar, neu ist nur die Hemmungslosigkeit, in der das offen gesagt wird. Es fallen alle Schranken. Der Staat versucht nicht einmal mehr, die Impfung als schützende Massnahme zu verkaufen, er gibt freimütig zu, dass sie nur dazu da ist, das zu tun, was wir vor 2020 als selbstverständlich angenommen haben.
Das ist eine neue Qualität. Bis vor kurzem hatten wir das Gefühl, subtil hinters Licht geführt zu werden mit unverhältnismässigen Massnahmen gegen eine ziemlich verhältnismässige Gefahr. Subtil ist nun gar nichts mehr. Eine Verschleierung wird gar nicht mehr erst versucht. Man sagt uns direkt, was Sache ist: Wenn du abends ausgehen willst, musst du dir die Spritze geben. Es geht nicht darum, gesund zu bleiben oder sogar zu überleben, nein: Hol dir das, was freie Bürger einst ganz natürlich durften, zurück, indem du den Oberarm hinhältst.
Das ist eine Steigerung zur unsäglichen «Mach's einfach»-Kampagne des Bundesamts für Gesundheit im Jahr 2020, als man bereits suggerierte, dass Mitdenken nicht gefragt ist.
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Ob ein Verhaltenökonom mit direkten Verbindungen nach Bundesbern oder die Stadt Chur mit einem peinlichen, von Steuerzahlern berappten Überredungsversuch: Es bleibt die Hoffnung, dass diese Aktionen Rohrkrepierer werden. Der Bundesrat und seine Behörden haben zugegebenermassen geschickt genug agiert in den letzten eineinhalb Jahren, um eine Mehrheit der Stimmbevölkerung zu umgarnen. Das wissen wir seit dem 13. Juni. Aber inzwischen agieren sie derart hemmungslos, dass das Ganze zum Schuss nach hinten werden könnte.
Denn je absurder die Impfkampagne vorangetrieben wird, je deutlicher es wird, dass es nicht um den Schutz der Menschen oder des Gesundheitssystems geht, sondern nur darum, möglichst viele Menschen zu impfen, desto attraktiver wird es, das nicht zu tun. Sich nicht impfen zu lassen, wird allmählich richtig sexy. Es ist nicht mehr nur ein persönlicher Entscheid, sondern ein Bekenntnis für die individuelle Freiheit, für den Widerstand gegen eine überbordende Staatsgewalt. Beim Versuch, die Impfquote nach oben zu treiben, übertritt der Staat immer sichtbarer Grenzen. Die Grenzen der Moral, der Ethik, der Demokratie, der Selbstbestimmung.
Man sollte dennoch nicht übermütig werden. Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung hat sich in den letzten Monaten als willfährige Erfüllungsgehilfin einer verfehlten Politik erwiesen, und so schnell wird das nicht kippen. Aber es scheint so, als wüchse die Verzweiflung auf der Seite des Staats. Die Impfbereitschaft ist nicht so umfassend, wie er es gern hätte, und in der Not packt er seine schärfsten Waffen aus. Gleichzeitig wird er damit durchschaubar. Ein Staat, der sich Sorgen um die Volksgesundheit macht, hat es nicht nötig, die Menschen mit solche Mitteln gefügig zu machen. Das durchschauen immer mehr Leute. Wer eine Impfung verkauft mit dem «Argument», man könne danach wieder problemlos in den Ausgang, der ist am Ende der Fahnenstange angelangt. Das ist nur noch ärmlich.
Umgekehrt heisst das: Es war nie so einfach wie 2021, offen zu zeigen, dass man sich nicht einfach einer Staatsgewalt beugt, wenn deren Direktiven keinen Sinn machen. Man muss nicht einmal etwas aktiv tun. Man muss es nur nicht tun.
Oder um einen Schuss Pathos beizufügen: Als Bürger eines Landes, das sich in der Geschichte stets gegen fremde Vögte wehrte, müsste es nun Ehrensache sein, das auch dann zu tun, wenn die eigenen Vögte sich dem Willen der Pharmaindustrie unterwerfen statt den Interessen des eigenen Volkes.
Dass es jemals zum staatstragenden Akt werden könnte, sich keinen Impfstoff verabreichen zu lassen, konnte nun wirklich niemand ahnen. Aber an diesem Punkt sind wir angelangt.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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