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Handeln statt reden

Die Nahtoderfahrung brachte das Umdenken

Verschmutzungen, Verunreinigungen oder Rückstände: Wie sauber ist unser Trinkwasser wirklich? Nicht sauber genug, findet der Thurgauer Fabio Hüther. Mit seinem Wasserfilter setzt er auf Nachhaltigkeit und Ökologie – und geht auch die Probleme in Drittweltländern direkt an.

Manuela Bruhin am 31. Mai 2020

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.

Nach Ihrem Abschluss eines Ingenieurstudiums gründeten Sie die Umuntu GmbH. War es schon immer ein Traum von Ihnen, sich selbstständig zu machen?

Fabio Hüther: Es ist und bleibt mein Lebenstraum, richtig. Seit ich als Kind an Knochenkrebs erkrankte, hat sich meine Lebenseinstellung um 180-Grad gedreht. Zwar war ich erst neun Jahre alt, jedoch reichen Nahtoderfahrungen aus, um sich und das Leben hier zu hinterfragen. Zuerst war ich mit 14 Jahren mit meinem gemeinnützigen Verein «Bee the Change» beschäftigt, mit welchem wir gambalesischen Schulkindern zu Bildung verholfen haben. Aufgrund meines durch verseuchtes Trinkwasser verstorbenen Patenkindes habe ich mich dann dem Wasser gewidmet. Die maslowsche Pyramide zeigt auch schön auf, dass Selbstverwirklichung das oberste Gut ist.

Inwiefern?

Fabio Hüther: Es hat mir gezeigt, dass es unnütz ist, zu Bildung zu verhelfen, wenn die betroffenen Personen nicht einmal Zugang zu sauberem Wasser und genügend Nahrung haben. Wasser ist Leben.

Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht und Ihr Start-Up mit Wasserfilter gegründet.

Fabio Hüther: Wir haben mittlerweile schon verschiedenste Systeme entwickelt. Filter für die Landwirtschaft sind vor allem bei Bio- und Demeter Bauern im Einsatz, da keine Pestizide oder ähnliches mehr verwendet werden müssen. Man kann bis zu 20 Prozent Wasser sparen. Zudem haben wir einen Filter für Gebrauchswasser entwickelt. Dieser verhindert Kalkablagerungen und organische Schadstoffe für das ganze Haus oder wasserführende Maschinen. Diese Technik benutzen wir für Duschen, Kaffeemaschinen usw. Letztendlich ist unser Herzstück das Trinkwassersystem für die ganze Welt. Basierend auf einer Nanomembran und Veredelungsstufen, kann man sowohl mineralisieren als auch sprudeln. Dies wird vor allem in Privathaushalten, Büros oder der Gastronomie verwendet. Für 2020 entwickeln wir ein Auftischgerät. Man kann sich das vorstellen wie eine Kaffeemaschine – mit dem Unterschied, dass das Wasser filtert. Es wird simpel über eine App oder manuell gesteuert. Frisch gepresstes Wasser ohne komplizierte Installation. Hierfür sind wir mit einigen Investoren in Kontakt, um dieses Projekt zu realisieren.

Die meisten Leute denken, dass unser Trinkwasser hierzulande sehr sauber ist. Weshalb braucht es also Ihr Angebot?

Fabio Hüther: Trinkwasser ist gut – Umuntu-Wasser ist besser. Einerseits ist Wasser nicht einfach nur H2O, sondern ein komplexes Molekül. Nicht umsonst hätte Wasser über 50 Anomalien. Des Weiteren haben wir uns in der Schweiz zu lange auf unserem guten Ruf ausgeruht. Das merken wir jetzt. Jeden Tag steht etwas über die Trinkwasserverschmutzung in den Medien. Zudem sind Mikroplastik und Schwermetalle in eigentlich allen Proben gefunden worden. All das und noch über 500 verschiedene Schadstoffe können wir signifikant herausfiltern. Den meisten Leuten ist nicht bewusst, wie viele Millionen wir jährlich für eine altmodische und ineffiziente Wasseraufbereitung ausgeben. Es wäre viel sinnvoller, jeder hätte unseren Filter Zuhause und die Stadtwerke übernehmen den Grobschmutz wie Sedimente, Algen und Muscheln. Dadurch würden die Menschen bewusster damit umgehen und die Effizienz enorm steigern.

Sie haben es bereits angesprochen, unser Trinkwassersystem kam in den vergangenen Monaten immer wieder in die Schlagzeilen. Sei es, weil Pestizide und ähnliches ins Abwasser gerieten. Demnach gibt es Pläne des Bundes, die Kläranlagen aufzurüsten, um auch kleinste Partikel herausfiltern zu können.

Fabio Hüther: Das ist eine unabdingbare Massnahme des Bunds. Trotzdem können aufgrund der heute verwendeten Technik niemals alle Stoffe herausgefiltert werden. Für einige Stoffe gibt es nicht mal Grenzwerte, beispielsweise bei Mikroplastik. Es wäre einfacher, effizienter und nachhaltiger, wenn jeder Bürger einen solchen Filter bei sich Zuhause hätte.

Sie sagten einmal, sauberes Trinkwasser ist ein Menschenrecht, kein Privileg. Ein Todesfall durch verunreinigtes Wasser prägte Ihre Entscheidung für die Wasserfilter. Wie schaffen Sie mit Ihrem Unternehmen den «Sprung» von der Schweiz in benachteiligte Länder, um den Menschen dort sauberes Wasser zu ermöglichen?

Fabio Hüther: Richtig. Unsere Worte setzen wir auch in Taten um. Mithilfe unseres gemeinnützigen Vereines «Umuntu Movement» sammeln wir Spenden von Dritten oder spenden monatlich selbst an unsere Projekte in Drittwelt- und Entwicklungsländern. Bis jetzt konnten wir schon über sechs Brunnen bauen und somit fast 10’000 Menschen den Zugang zu sauberem Wasser gewähren. Es braucht aber ein ganzheitliches Konzept – es reicht nicht, einfach nur einen Brunnen zu bauen. Wir brauchen Bäume, die Wasser sammeln und Regenwolken anziehen. Auch eine nachhaltige Landwirtschaft (Permakultur) ist wichtig, damit Wasser eingespart wird. Oder der Aspekt der Bildung, die die Menschen vor Ort auf all diese Thematiken sensibilisiert und schult. Wir nennen dies den Ecopreneurship-Cycle.

Sie blicken mit gerade einmal 24 Jahren weit über den Tellerrand hinaus. Mit welchen Herausforderungen haben Sie zu kämpfen?

Fabio Hüther: Als Jungunternehmen sowie auch als junger Kerl hat man es schwierig, sich zu behaupten – auch wenn alles, was wir tun, wissenschaftlich beweisbar ist. Es ist ein Umdenken, das stattfinden muss. Wie damals, als man die Erde als Kugel statt einer Scheibe prognostiziert hat. Das ist am anspruchsvollsten: Die Menschen über die Thematik Wasser zu informieren und sensibilisieren. Bei uns wird es leider zu wenig wertgeschätzt. Wir nutzen Wasser einfach, damit wir nicht verdursten. Zudem vertrauen Menschen auf Altbewährtes. Neues muss sich erst etablieren. Wir wollen auch niemanden konkurrieren, sondern würden uns über Kollaborationen und strategische Partnerschaften freuen. Nur, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir die Welt verändern.

Wie schwierig ist es, sich hierzulande selbstständig zu machen?

Fabio Hüther: Die Startup-Szene floriert wie noch nie zuvor. Es ist einfach zu gründen und kostet auch nicht mehr die Welt. Leider fehlt es an Entrepreneurship-Wissen und subtilen Strukturen. Meistens läuft alles über Dritte, welche noch ein Bankkonto, Versicherung oder ähnliches vertreiben möchten. Wir müssen verstehen, dass Bildung das Wichtigste für die Schweiz ist – damit heben wir uns ab. Folglich braucht es einen Bildungsweg und staatliche Verknüpfungen für Jungunternehmer und Selbständigerwerbende.

Rückblickend betrachtet: Würden Sie etwas anders machen?

Fabio Hüther: Es war und ist alles genau so, wie es sein soll. Das Universum fügt jedes Puzzleteil. Das mag jetzt irrational oder spirituell daherkommen. Ich bin mir doch ganz sicher, dass es so ist. Wie heisst es so schön: «Dein bester Lehrer ist dein letzter Fehler.»

Nebst dem neuen Auftischgerät: Welches sind die nächsten Pläne, die Sie verfolgen?

Fabio Hüther: Wir haben noch weitere Techniken, welche wir patentieren lassen möchten. Zudem möchten wir das Auftischgerät finalisieren und mit strategischen Partnern weltweit vermarkten – sozusagen einen globalen Roll-out. Selbstverständlich wollen wir nie die Wurzeln verlieren und in der Schweiz gemeinsam mit anderen Wasserexperten die bestmöglichen Produkte an den Kunden liefern – für eine nachhaltige und gesunde Schweiz. Das Wichtigste ist und bleibt natürlich unser Movement. Hier möchten wir gerne mit anderen Vereinen, Unternehmen und Stiftungen zusammenarbeiten, um den Menschen hier und in Drittweltländern ein wundervolles Leben zu ermöglichen.

Die Umuntu GmbH produziert seit 2017 ökologisch nachhaltige Wasserfilter auf rein physikalischer Basis. Das Schweizer Start-Up wurde dank der patentierten Nanofiltration bereits mehrfach ausgezeichnet und unterstützt mit dem «Umuntu Movement» sozioökologische Hilfsprojekte auf der ganzen Welt. Fabio Hüther ist 24 Jahre alt und erforscht seit vier Jahren gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Beirat die Wasserfiltertechnologien. Das Kernteam verfügt über vier Personen und Lizenznehmer für die arabischen Emirate, Europa. Der Sitz ist in Kreuzlingen TG, Wil SG und in Altstetten ZH.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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