Die Menschheitsfamilie steht nicht zum ersten Mal vor einem Wendepunkt. Hexenverbrennung, Ketzerverfolgung, Inquisition, Kreuzzüge standen für den Totalitarismus des Geistes. Die Menschheit hat ihn erlebt und überwunden. – Ein Gastbeitrag von Michael Bubendorf.
„Geschichte wiederholt sich nicht. Aber sie reimt sich.“ (Unbekannt)
Die Scholastik
Ich empfand die Scholastik aufgrund ihrer beschneidenden Bindung an die Theologie als eine der uninteressanteren Phasen der Philosophie. Und doch sie ist natürliche bedeutsam, auch weil sie die Überwindung der vermeintlichen Gegensätze aus Spiritualität und Philosophie ermöglichte. Die Ereignisse rund um die Scholastik sind aber auch für die heutige Zeit und die Coronakrise im Speziellen von Interesse.
Bei den griechischen Philosophen finden sich Ideen, welche dem Christentum in vielerlei Hinsicht den Boden bereiteten. Das göttliche Urfeuer des Heraklit, der unbewegte Bewegende bei Aristoteles, oder die Seelenlehre des Platinos waren Vorboten und Wegbereiter des Christentums.
In der Folge kam es im Mittelalter zu einer Auseinandersetzung zwischen antiker Philosophie und dem Christentum. Trotz der Vorreiterrolle der Philosophie mündete die Auseinandersetzung der beiden Systeme in der Unterwerfung der Philosophie unter die Theologie. Der berühmte Ausspruch „credo quia absurdum est“ - ich glaube, (gerade) weil es widersinnig ist, - brachte zum Ausdruck, dass sich die Theologie einer wissenschaftlichen Überprüfung gar nicht erst stellen müsse.
Die Scholastiker gingen einen Schritt weiter. Sie wollten die Theologie mit den Mitteln der Wissenschaft, insbesondere der Philosophie belegen und stellten ihr wissenschaftliches Wirken vollends in den Dienst des Christentums. Sie liessen die Dogmen, also die unumstösslichen Wahrheitsansprüche der Kirche wie die Dreeinigkeit Gottes oder die Gottesgebärerin Maria nicht nur unberührt, sondern suchten ausschliesslich ausgehend von der Theologie nach Wissenschaft. Diese Unterwerfung der einen Disziplin unter eine andere erscheint uns heute absurd, obwohl wir sie – dazu später mehr – heute im selben Masse antreffen.
Natürlich wählten viele Wissenschaftler diese Disziplin nicht nur freiwillig. Die Kirche entfaltete im Mittelalter ihren bekannten Totalitarismus. Wer im Widerspruch zu den Glaubenssätzen der Kirche stand, und das ist in der Philosophie schnell passiert, lebte gefährlich. Den Häretikern drohte die moralische Diffamierung, Exkommunikation, Verbannung, Folter, der Tod auf dem Scheiterhaufen. Nebst überzeugten Scholastikern finden sich in der mittelalterlichen Philosophie immer wieder Protagonisten, die sich - nicht immer erfolgreich – bemühten, möglichst dicht an die Grenze des gerade noch kirchlich-denkbaren zu gehen. Mancher dieser Denker der Spätscholastik fiel dennoch von der kirchlichen Gnade ab, mit den genannten Konsequenzen. Und natürlich waren es diese Grenzgänger wie Albertus Magnus und sein grosser Schüler Thomas von Aquin, die die Befreiung der Philosophie von den Fesseln der Theologie einleiteten. Wilhelm von Occam und sein berühmtes Rasiermesser durchschnitten diese Fesseln vollends und ermöglichten damit die Entfaltung eines neuen Forschungsgegenstands: Die der Mystik.
Die Mystik
Befreit von der erzwungenen Verbindung aus Theologie und Philosophie schwangen sich die Mystiker zu neuen Erkenntnissen auf. Meister Eckhart und das höchst faszinierende Werk Jakob Böhme’s setzten zu viel freieren spirituellen und intellektuellen Höhenflügen an. Natürlich waren auch sie der Häresie verdächtig, Eckhart starb im Exil und die Schikanen gegen Böhme machten auch an seinem Sterbebett nicht Halt. Die neue Freiheit dieser Mystiker manifestierte sich eher in ihren Werken. Besonders im Falle Jakob Böhmes, zeitlebens arm, kaum gebildet und von schwacher körperlicher Verfassung, sind die Quellen seines faszinierenden Werkes fast schon unergründlich. Das Wirken des gelernten Schuhmachers wirkt bis heute nach, ohne dass er über eine Bildung im damaligen Sinne verfügt hätte. Die Mystiker schöpften aus inneren Quellen, aus Intuition. Erst ihre freien mystischen Flüge ermöglichten die Renaissance.
Die neue Scholastik
Die Parallelen sind nicht zu übersehen. In der neuen Scholastik unterwirft sich die Wissenschaft unter die Dogmen von Politik und Konzernen. Während die Scholastiker des Mittelalters ihr Denken ausschliesslich von Dogmen wie der Dreeinigkeit oder der Gottesgebärerin Maria ausgehen liessen, so beschneiden sich viele Wissenschaftler und Politiker heute im gleichen Masse. Das Dogma der neuen und überdurchschnittlichen Bedrohung durch SARS-CoV-2, die Notwendigkeit derer Eindämmung und die dafür geeigneten Non-pharmazeutischen Massnahmen wie Lockdown und Masken sind die Dogmen unserer Zeit. Wer andere Denkansätze wählt, macht sich der Häresie schuldig und wird von moralischer Diffamierung getroffen. Ob der Gesundheitsfaschismus die weiteren Unterdrückungsmittel der vorhergegangen Totalitarismen noch heranziehen wird, muss die Geschichte weisen. Beim Anblick des 1. August Feuers befiel mich jedenfalls ein klammes Gefühl.
Die neue Mystik
Ich sehe die Mystik in ähnlichem Masse wie damals befähigt, den heutigen Totalitarismus zu überwinden. Es erstaunt in diesem Zusammenhang wenig, dass nach dem wunderschönen Wort „Skeptiker“ nun auch das nicht mindere Wort der Mystik in der neuen Wortschöpfung des „Verschwörungsmystiker“ verschandelt werden soll. Denn es war letztlich die Kraft der Intuition, die die herrschenden Machtverhältnisse im Mittelalter ins Wanken brachte und die Renaissance einleitete.
Viele Menschen berufen sich heute auf ihre Intuition, wenn sie ihren Widerstand gegen den Gesundheitsfaschismus zu erklären suchen. Natürlich gibt es handfeste wissenschaftliche Erkenntnisse, und auch die Vergleiche mit Ländern, die andere Wege gehen, drängen sich auf. Diese Beweisführung soll und wird weiter ausgeführt werden. Doch muss dieser Samen der wissenschaftlichen Beweisführung auf einen fruchtbaren Boden fallen, der nur durch die Intuition bereitet werden kann.
Die neue Renaissance
Die Menschheitsfamilie steht nicht zum ersten Mal vor einem Wendepunkt. Hexenverbrennung, Ketzerverfolgung, Inquisition, Kreuzzüge standen für den Totalitarismus des Geistes. Die Menschheit hat ihn erlebt und überwunden. Im letzten Jahrhundert haben die Menschen mit dem Aufstieg und Fall des Sozialismus in Form von Kommunismus und Nationalsozialismus den Totalitarismus des Rechts erlebt und – vielleicht – überwunden. Nun erleben wir mit der Coronakrise eine Mischung aus Konzern- und Staatstotalitarismus. Wer sich mit der sozialen Dreigliederung auseinandersetzt, erkennt, es ist der letzte der drei Bereiche des sozialen Organismus, der in seine totalitäre Phase übergeht. Wenn wir auch diesen überwunden haben, dürfen wir uns auf eine neue Renaissance freuen. Ich habe grosse Hoffnung, dass die Menschheitsfamilie dann in ein goldenes Zeitalter treten wird.
Michael Bubendorf ist Familienvater, Unternehmer, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins «Freunde der Verfassung». Er setzt sich für eine freiheitliche Gesellschaft ein, schreibt gerne zu politischen Themen und beschäftigt sich als Laie mit Philosophie.
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