Toni Brunner tritt ab, die politische Bühne ist frei für seine Lebenspartnerin Esther Friedli. Die Frage ist nur noch, ob diese Bühne in St.Gallen stehen wird - oder doch in Bern. Es gibt aber wenig Zweifel daran, dass die SVP für die nähere Zukunft stark auf Friedli baut.
Zivilstand: Ledig. - Schnörkellos und der Wahrheit entsprechend legt Esther Friedli auf ihrer Webseite ihre private Situation offen. Derweil weiss natürlich die ganze Schweiz dank «Schweizer Illustrierte» und Co., dass sie seit vielen Jahren die Lebenspartnerin von Noch-Nationalrat Toni Brunner ist.
Diese Partnerschaft hat sie nach Ebnat-Kappel und aus der CVP in die SVP geführt. Und der Parteiwechsel war keine blosse Dekoration. Das wurde spätestens seit der Kandidatur von Esther Friedli für die St.Galler Regierung klar. Gewählt wurde sie nicht, ihr Resultat war aber sehr beachtlich. Vor allem gemessen an der Tatsache, dass sich die SVP St.Gallen bei Regierungsratswahlen traditionell schwer tut. Ihr Regierungsrat Stefan Kölliker war das erste Erfolgserlebnis nach vielen Pleiten.
Jener Wahltag war mit Sicherheit kein einmaliges Intermezzo. Die Politologin und Kommunikationsberaterin ist 41 Jahre jung. Es wäre seltsam, wenn sie ihre politischen Ambitionen nach dem Achtungserfolg im ersten Versuch nun abbrechen würde. Zumal ihr Profil perfekt ist: Sie hat das theoretische Rüstzeug aus ihrer Ausbildung und war als Generalsekretärin Bildungsdepartement in einer Führungsfunktion in der Verwaltung.
Esther Friedlis Problem ist ein anderes: Sie muss sich genau überlegen, in welche Schlacht sie zieht. Denn jede Niederlage beschädigt das Image. Die SVP - wie übrigens andere Parteien auch - ist nicht reich gesegnet an Persönlichkeiten, die nicht «nur» für ein Kantonsparlament, sondern auch für ein Exekutivamt oder fürs Bundeshaus geeignet sind. Friedli hat den Background, die politische Erfahrung hinter den Kulissen, das richtige Alter und - pardon für die politische Unkorrektheit - das richtige Geschlecht für viele Aufgaben.
Derzeit ist denkbar, dass Regierungsrat Stefan Kölliker ins Rennen um einen Ständeratssitz zieht und - im Erfolgsfall - von Esther Friedli abgelöst wird. Oder aber andersrum: Dass es Friedli ist, die ihrerseits für die SVP versucht, ins «Stöckli» einzuziehen. Stand heute wäre es wohl einfacher, Regierungsrätin als Ständerätin zu werden. Denn beim Versuch, in die kleine Kammer einzuziehen, war nicht einmal der populäre Toni Brunner erfolgreich.
Denkbar ist auch, dass Friedli den für sie wohl einfachsten Weg wählt: Sie ziert im nächsten Herbst die Nationalratsliste der SVP. Dort hat die Partei fünf Sitze zu verteidigen. Ein hohes Level bei insgesamt zwölf St.Galler Nationalratssitzen. Und das Zugpferd Toni Brunner wird nicht mehr auf der Liste figurieren. Es wird nicht einfach, die Delegationsgrösse zu verteidigen.
Mit Roland Rino Büchel hat die SVP einen hochkarätigen Vertreter, mit Thomas Müller ein stimmgewaltiges Zugpferd, und auch Lukas Reimann hat seine sichere Wählerbasis. Aber Mike Egger, Brunners Nachfolger, wird in einem Jahr noch recht neu im Amt sein, und Barbara Keller-Inhelder ist eine eher stille Figur im Nationalrat.
Da braucht es, um die fünf Sitze zu halten, einen neuen Trumpf. Dieser könnte Friedli sein. Und ihre Wahlchancen wären mehr als intakt.
Stimmen aus ihrem Umfeld betonen, die Bernerin sei eher an der Exekutive interessiert als an einem Parlamentsmandat. Allerdings erlaubt es ihr Alter auch, einen Umweg zu wählen, der ihr den Weg zum Wunschamt ebnet. Zum Beispiel via Bern zurück nach St.Gallen. Da sie theoretisch noch ein Vierteljahrhundert für eine politische Laufbahn zur Verfügung hat, spricht nichts dagegen.
Die SVP, und das ist Friedlis Vorteil, kommt ohnehin nicht an ihr vorbei.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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