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Zeyer zur Zeit

Die Ostschweiz rebelliert

Wir Zürcher sind bekanntlich staatstreu. Es ist uns egal, was unter unserer Leitung in Bern beschlossen wird. Aber offenbar sieht das die Ostschweiz anders. Wir sind fassungslos.

«Die Ostschweiz» Archiv am 07. Oktober 2021

Wer bislang meinte, der «wilde Osten» sei ein Scherzwort für die Kantone mit merkwürdigen Dialekten, muss umdenken.

Offene Rebellion, ja Anarchie droht, es wird aufbegehrt, gemotzt und protestiert. Unglaubliche Zustände. Was ist geschehen?

In seiner unendlichen Weisheit, Güte und Übersicht hat unsere Gesunheitsminister Alain Berset eine Idee gehabt. Denn das Zürcher Filmfestival ist vorbei, wo er sich immer gerne auf dem grünen Teppich zeigt. Ausflüge nach Freiburg im Breisgau in sein Liebesnest zwecks vierhändigem Klavierspielen stehen auch nicht an.

Also konnte er sich dem Regieren und somit dem Kampf gegen den Killer-Virus widmen. Der wütet nämlich weiter, treibt die Belegschaft der Intensivstationen an den Rand und darüber hinaus. In erster Linie, weil es immer noch viel zu viele Ungeimpfte gibt. Impfskeptiker, Corona-Leugner, also Staatsbürger, die das Versprechen, dass es keinen Impfzwang gebe, tatsächlich ernst nehmen.

In einem Begriff verantwortungslose Trottel, die ihr eigenes und das Leben anderer gefährden. Nun gibt es leider tatsächlich keinen Impfzwang, obwohl der von den Mainstream-Medien lauthals gefordert wird. Nach längerem Kopfkratzen (schön vorsichtig, mangels Haupthaar) hat BR Berset nun ein neues Massnahmenpaket vorgestellt.

Nationale Impfwoche, mobile Impfequipen, Hausbesuche von Impf-Beratern und Kopfprämie für «Impfluencer». Jeder, der einen Impfunwilligen zur Spritze überredet, bekommt 50 Franken auf die Kralle. Ist doch was. Endlich ein Strauss von Ideen.

Hört man Widerworte? Nein, von Bern bis Zürich bleibt alles friedlich und ruhig. Höchstens wird gemurmelt: kann man machen, muss man nicht machen. Aber eigentlich herrscht Staatstreue, befördert von unserem Duopol Tamedia und CH Media, das schon gerne die Steuermilliarde einsacken möchte, die Bern beschlossen hat.

Wobei nun ein paar Demokratiefeinde dagegen das Referendum ergriffen haben, erst noch erfolgreich. Doch, das sind Demokratiefeinde, denn diverse Komitees für das Mediengesetz behaupten, sie müssten die Demokratie verteidigen. Die also durch ein demokratisches Referendum angegriffen wird. Von Freunden des Faschismus, übrigens.

Gut, aber das sind nun andere Spinner, zurück zu den Corona-Verweigerern. Äh, Impfgegnern. Also Ungeimpften. Und den neusten Ideen des Bundesrats. Dazu sagt doch der Kanton St. Gallen arschkalt: weder zielführend noch praktikabel. Ts, ts.

Schlimmer noch: diese Majestätsbeleidigung sei mit den anderen Ostschweizer Kantonen abgesprochen. Schon, aber der Thurgau, noch wilder als St. Gallen, meint sogar: 50 Stutz Kopfgeld für einen Impfüberzeugten, das sei «ein Hohn». St. Gallen drückt sich immerhin etwas diplomatischer aus: «nicht vertretbar».

Einsatz mobiler Impfequipen? Quatsch, es stünden genügend Impfmöglichkeiten zur Verfügung. Impfwoche? Meinetwegen, sagen die Ostschweizer, immerhin. Gut, meckern kann jeder, aber wenigstens eigene sinnvolle Vorschläge, damit ist wohl nix, Ihr Ostschweizer.

Oh, doch, sie kümmern sich ums Finanzielle. Denn Ärzte erhielten pro Piks nur Fr. 14.50, Apotheken hingegen Fr. 24.50. Daher hätten in St. Gallen schon zahlreiche Ärzte mangels Kostendeckung das Piksen eingestellt.

Kann man den Ostschweizern wenigstens vorwerfen, dass sie verantwortungslos seien und signifikant höhere Indizes aufweisen als wir staatstreuen Zürcher? Leider nein, sie liegen im Schnitt, und auch im wilden Osten der Schweiz gehen alle Kennzahlen weiter zurück.

Was bleibt uns in der zivilisierten Schweiz da zu tun? Es tut mir Leid, aber ich muss fordern, dass an der Kantonsgrenze nach Osten der Übertritt nur mit Zertifikat möglich ist. Für Grenzgänger und Wochenaufenthalter werden wir gesonderte Lösungen finden. Aber anders kann einer solch fahrlässigen, verantwortungslosen, den Tod unschuldiger Menschen in Kauf nehmender Haltung nicht begegnet werden.

Die dadurch anfallenden Kosten, denn auch den Zürcher Polizisten gibt’s nicht umsonst, werden freundeidgenössisch auf die Ostkantone überwälzt. Sorry, aber das habt Ihr nun davon.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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