So überraschend wie die Besetzung des Bundeshausplatzes gegen aussen wirkte, war sie offenbar nicht. Gemäss mehreren Quellen wussten die Stadt Bern und Teile der Bundesverwaltung seit August, dass die Aktion geplant war. Und die Aktivisten wurden tatkräftig unterstützt.
Die Besetzung des Berner Bundeshausplatzes durch Klimaaktivisten, die inzwischen geräumt wurde, war unbewilligt. Es hat auch nie ein Gesuch für eine Durchführung gegeben. Dennoch waren die betroffene Stadt Bern und die Bundesverwaltung keineswegs uninformiert. Mehrere Bundesparlamentarier bestätigen gegenüber «Die Ostschweiz», dass die Behörden seit August Kenntnis davon hatten, dass die Besetzung geplant war. Die entsprechenden Pläne seien schon vor Wochen durchgesickert.
«Man hätte also vorsorgen können, aber das ist nicht passiert», sagt der St.Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler auf Anfrage. Dass überall von einer vorübergehenden «Duldung» der Besetzung gesprochen wird, hält Dobler deshalb für falsch, «es war keine Duldung, es war eine Unterstützung durch die Behörden.» Diese ging recht weit. Denn woher kam beispielsweise der Strom, den die Aktivisten für ihr Unterhaltungsprogramm benötigten? Es gebe auf dem Bundeshausplatz keine offen herumliegenden Stromanschlüsse, sagt der FDP, Nationalrat, «den Demonstranten wurde geholfen, die Leitungen anzuzapfen.» Der Eindruck, die Besetzer seien unerwünscht gewesen, wirke seltsam, «ihnen wurde ja tatkräftig geholfen.»
Zeitweise seien aus Sicherheitsgründen bis zu zehn Angestellte der Bundesverwaltung vor dem Bundeshaus postiert gewesen. Mitgebrachte Heuballen wurden in der Nacht der Räumung durch Regen nass, der Platz muss professionell gereinigt werden. Unkosten, die nun der Staat beziehungsweise die Stadt Bern tragen muss.
Für Marcel Dobler und viele andere kritische Parlamentarier stellt sich die Frage der Gleichbehandlung. «Hätte man es geduldet oder eben tatkräftig unterstützt, wenn junge Menschen vor dem Bundeshaus für die Generationengerechtigkeit und die Sicherung der AHV demonstriert hätten?» Oder mehr noch: Von den Behörden Hilfe bei der Einrichtung auf dem Bundeshausplatz erhalten?
Neben der eigentlichen Demonstration war die Nacht der Party mit Musik gewidmet, es entstand viel Lärm, zum Schlafen kam kaum jemand im umliegenden Rayon. Die Anliegen der Klimaaktivisten vermischten sich munter mit solchen der Asylbewegung, die in der Reitschule demonstrierten. Zeitweise war unklar, wer nun gerade für was aktiv ist.
Die Klimabewegung habe sich mit der ganzen Aktion massiv selbst geschadet, ist sich Marcel Dobler sicher, «das war kontraproduktiv.» Es sei zu einem frühen Zeitpunkt bereits klar gewesen, dass die Besetzer nicht mit sich verhandeln lassen. «Die Aktivisten wollten bewusst provozieren und es erreichen, dass man sie wegtragen muss, es bestand kein Interesse an einer Einigung. Entsprechend seien sie auch gut vorbereitet gewesen, um die Räumung möglichst schwer zu machen. Laut anderen Medienberichten haben einzelne Aktivisten gar geübt, wie man sich «am besten» wegtragen lässt.
In Zukunft, so Marcel Dobler, dürften sich viele Bürger fragen, wieso sie eine Busse bezahlen oder sich an ein Gesetz halten müssten - oder ein Gesuch für eine Bewilligung einreichen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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