Die letzten Tage haben eindrücklich gezeigt, wie gefährlich das Instrument der Kommunikation sein kann, wenn es in einer unverantwortlichen Weise eingesetzt wird. Natürlich, wir sprechen von Trump und den USA.
Wobei wir auch dezidiert sagen: Bewegungen wie der «Trumpismus» entstehen nicht aus einem Moment heraus. Sie brauchen einen Nährboden. Das war schon bei den Nationalsozialisten im vergangenen Jahrhundert so, und so war es auch bei Trump. Den Nährboden hat im Übrigen nicht Trump selbst bereitet, sondern insbesondere diejenigen, die derzeit in Washington am lautesten schimpfen.
The American Dream
Diese Politiker-Kaste hat es erst zugelassen, dass viele Bürger in den Vereinigten Staaten ihr politisches System als derart verlogen und korrupt empfinden, dass die Saat eines Donald Trump aufgehen konnte. Ohne den entsprechenden Nährboden hätten sie 2015 kaum einen politisch völlig unerfahrenen, sexistischen, bigotten, mehrmals bankrotten ehemaligen Reality-TV-Star und Immobilien-Entwickler zum 45. Präsidenten der USA gewählt. Wie konnte das aber nur passieren?
Viele US-Bürgerinnen und Bürger haben den amerikanischen Traum schon lange ausgeträumt. Im Gegenteil, die amerikanische Gesellschaft fiel immer mehr in einen Alptraum. Viele Beobachter, welche die letzten Jahre der USA verfolgt haben, sprechen davon, dass die Finanzkrise von 2008 die US-Gesellschaft verändert hatte. Die Finanzwelt erlebte eine Krise, wie man sie noch nie zuvor gesehen hatte. Hunderttausende von Mittelstands-Amerikanern verloren alles, was sie hatten, standen von einem Tag auf den anderen buchstäblich auf der Strasse. Und fühlten sich vom politischen Establishment im Stich gelassen. Turbo-Dünger für einen radikalen Nährboden.
Die in den USA tief verankerte Grundgewissheit, durch harte Arbeit in der Zukunft einen höheren Lebensstandard erreichen zu können, entpuppte sich für viele als Illusion und wich der Wahrnehmung, dass es «dem einfachen Amerikaner» immer schlechter ging, während «die Oben», unterstützt von Washington, sich immer mehr auf ihre Kosten bereicherten. Damit war der Nährboden bereitet.
Der lokale Blick
Was passiert, wenn ein populistischer Politiker ohne einen solchen Nährboden auftritt, konnte man in der Schweiz beobachten am Beispiel von Christoph Blocher. Um Blocher bildete sich zwar auch eine Bewegung, aber mehr als gut ein Drittel der Bevölkerung konnte er auch in den besten Zeiten nicht hinter der SVP scharen. Zu wenig Nährboden für einen durschlagenden Erfolg, weil viele Schweizer Menschen immer noch realisierten, dass es ihnen doch nicht so schlecht ging, Egal was ein Teil der «Class politique» ihnen medial in den Kopf hauen wollte.
Und heute? Da grassiert auch bei uns mit der Corona-Pandemie eine grössere Krise, wie damals 2008 in den USA. Eine Krise, die zu einem guten Nährboden für radikale Bewegungen werden kann, wenn sie nicht mit Bedacht gemanagt wird. Ob sich der Bundesrat dessen bewusst ist?
Probleme des «einfachen Bürgers» nicht ernstgenommen
Nehmen wir nur die letzte Medienkonferenz des Bundesrates vom Mittwoch. Bei seinem ersten grossen Auftritt im neuen Jahr verkündet Berset die Verlängerung der Massnahmen wie der Schliessung vieler Betriebe aus Gastronomie und Freizeitindustrie bis mindestens Ende Februar. So nach dem Motto: «Gebracht hat’s zwar nichts, deshalb verlängern wir erst einmal.» Und auch Verschärfungen werden schon angekündigt, weitere Ladenschliessungen dürften wohl nur eine Frage der Zeit sein. Berset schwafelt dann mit gesenktem Blick noch zwei Mal etwas von Solidarität, auch mit den am meisten betroffenen Branchen. Schön. Aber damit lässt sich weder eine Miete noch ein Lohn zahlen.
Auf Nachfrage eines Journalisten erklärt Berset dann noch einmal explizit, der Bundesrat werde sich dann nächste Woche mal Gedanken dazu machen, welche Hilfe es für die Gastrobetriebe und die anderen betroffenen Branchen wie Fitness-Center und Unterhaltungsbetriebe geben könnte.
Wohlverstanden: Verhängt wurde die Gastro-Schliessung am 18. Dezember. Über Hilfspakete reden die hohen Damen und Herren in Bern dann erstmals am 13. Januar? 13. Januar. Hallo!!! Sagenhafte 26 Tage später! Und dass unsere Behörden kaum etwas zeitnah umsetzen können oder einfach viel zu langsam sind, haben wir auch schon mehrfach gesehen, zuletzt im Kauf und in der Organisation der Impfungen. (Die Liquiditätsspritzen im letzten Frühjahr waren eine Ausnahme. Aber da waren ja die Banken mit der konkreten Umsetzung betraut. Alle Achtung, was die innert kurzer Zeit erfolgreich organisierten).
Will heissen: Vor Ende Februar werden die bereits am Abgrund stehenden Branchen wohl kein Geld sehen. Viele stehen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand und müssen sich in ihrem Eindruck bestätigt sehen, dass sich niemand um sie kümmert. Die Aussage von Sommaruga aus der ersten Welle des letzten Jahres, «wir lassen niemanden im Stich», entpuppt sich als populistische Leerformel. Die Narrative gleichen denjenigen, welche die USA 2008 durchlebten, immer mehr. Das ist genau das, was wir mit Nährboden meinten.
Roger Huber (1964) und Patrick Senn (1969) sind ehemalige Ostschweizer Journalisten, die lange Jahre bei nationalen Medientiteln gearbeitet haben. Heute unterstützen Sie Organisationen und Führungskräfte in der Krisenkommunikation und sind Gründungsmitglieder des Verbandes für Krisenkommunikation vkk.
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