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Gastbeitrag

Die Spritze für die Staatskünstler

«Jede Impfung zählt», «Last Call», «Schlussspurt». Mit solchen Sprüchen und dem Einsatz von ein paar Sängerinnen und Sängern werden vom 8. bis zum 14. November in der Schweiz zig Millionen Franken zum Fenster hinausgeworfen.

Roland Rino Büchel am 08. November 2021

«Stephanie Heinzmann, Stress & Co. sollen an Open-Air-Konzerten die Impfbereitschaft ankurbeln. … Hat den Bundesrat das schlechte Gewissen gepackt? … Als Wiedergutmachung für entgangene Auftritte sind diese Bundesgagen untauglich. … Die Überzeugungsarbeit der Behörden hat ihre Reichweite erreicht. … Im schlechteren Fall dürfte die Kampagne von den Jüngeren als Anbiederung empfunden werden und eine Jetzt-erst-recht-nicht-Haltung befeuern.»

Das schreibt die NZZ. Ich teile deren Meinung.

Mit platten Marketingsprüchen von irgendwelchen Werbebüros erreicht man bei Menschen, welche ein funktionierendes Hirn unter ihrer Schädeldecke haben, keine Wirkung. Oder, wenn schon, dann das Gegenteil des Gewollten.

Der Kanton St. Gallen hat alle Haushalte mit einem Prospekt zur Impfwoche bedient. Das Motto: Schlussspurt – Noch unentschlossen? WIR BRAUCHEN SIE. (Genau so, in Grossbuchstaben.)

Das St. Galler Wappen kommt sogar als ins Ziel sprintende Impfnadel daher. (Ach wie lustig.)

Die St. Galler Regierung will es wissen: Impfnächte gibt es. Und mobile Impfstellen. Ja sogar sogenannte Pop-Up-Impfstellen. Alle Möglichkeiten werden ausgeschöpft. Das hart verdiente Geld der Steuerzahler wird gezielt vergeudet.

Etwas beunruhigt mich aber noch mehr als die Mittelverschwendung: Langsam kristallisiert sich in unserem Land wieder eine Spezies heraus, welche man seit gut dreissig Jahren ausgestorben wähnte, nämlich diejenige der Staatskünstler.

In der Sowjetunion und in der DDR verherrlichten sie den Totalitarismus, produzierten Hymnen und errichteten Gemälde und Statuen für grenzwertige Gestalten aus Politik und Militär.

Und heute bei uns? Nicht wenige mehr oder minder talentierte Künstlerinnen und Künstler werden a) vom Staatsfernsehen und anderen subventionierten Medien seit Jahren gehätschelt und b) aus einem unübersichtlichen Durcheinander von Fördertöpfen alimentiert.

Nun setzt die Impfwoche diesem Gebaren sichtbar die Krone auf.

Zum Konzept: Die Konzerte sind «gratis». Wie bitte? Sie mögen vergebens sein, aber gratis sind sie nicht. Die Allgemeinheit zahlt, wenige gehen hin.

Am 12. November gibt es zum Beispiel ein Konzert in St. Gallen. Dabu Fantastic, Danitsa, Stefanie Heinzmann, Stress und Baschi treten auf.

Werfen wir einen Blick auf die singenden Staatspropagandisten.

Dabu (von Dabu Fantastic): Er sagt, dass er unbedingt gewollt habe, dass sein Song «Wenn’s Mir Wieder Guet Gaht» genau jetzt erscheine. «Natürlich weil er so gut zur aktuellen Situation passt.»

Aha. Eine gute Sache also. Wenigstens für David Bucher. Dank den Steuerzahlern geht es Dabu offensichtlich fantastisch. Sein neues Album heisst «Schlaf us». Auch wenn unsereiner früh aus den Federn muss - wir mögen ihm das Ausschlafen gönnen.

Danitsa: Man muss nicht Kulturbanause sein, wenn man die Dame aus Genf nicht kennt. Sie hat ihr neues Album unter das Motto «Vitamin D» gestellt. «D» wie das Vitamin aus der Sonne. Oder «D» wie Danitsa.

Dank Schweizer Fördergeldern sei ihr «Traum wahr geworden». Jetzt kommt noch ein schöner Batzen obendrauf. Und sie kann auf unsere Kosten weiterträumen. «D» wie Dornröschen.

Ich kenne mich mit Vitaminen nicht sonderlich gut aus. Trotzdem wage ich zu behaupten: Madame hat beste Beziehungen zu den Herren der Honigtöpfe der Kultur, also «Vitamin B».

Wir mögen es Shanna Danitsa Nurkic gönnen.

Stress: Das schlecht inszenierte Impfwochen-Theater ist auch ein guter Deal für Stress. Ohne grosse Anstrengung, also ohne jeglichen Stress, kann auch er in die mit Millionen gefüllte Kassen der Impfwoche fassen.

Wir mögen es Andres Andrekson – dem in Estland geborenen, ersten offiziellen Staats-Rapper der Eidgenossenschaft – gönnen.

Sophie Hunger: Eine weitere Absahnerin ist Emilie Jeanne-Sophie Welti, alias Sophie Hunger. Sie hat ihre Auftritte in Thun und in Lausanne. Auch Madame Hunger’s Appetit auf Staatsgelder wird gestillt.

Wir mögen es der wohlbehüteten Diplomatentochter gönnen.

Neben der Prasserei «glänzt» die Verwaltung noch mit anderen Machenschaften und Akten der Willkür.

Unter den schwer zu verstehenden Entscheiden von BAG und Bundesrat habe ich einen Favoriten: Das «älteste Gewerbe» durfte seine Dienste auch zu jener Zeit anbieten, als das Gastgewerbe und andere Firmen vom Staat massiv drangsaliert wurden oder sogar zumachen mussten.

Als die Maximen «Abstand!» und «Bleiben Sie zu Hause!» in unser aller Ohren dröhnten, waren die Freier hierzulande freier als die Unternehmer, die Arbeiter und die Angestellten.

Machen wir auch hier kein Puff – und mögen es den Prostituierten und deren Kunden gönnen.

Ob das den einen oder die andere Sängerin dazu animiert hat, sich für die herbstlichen Freiluftkonzertli auch ein wenig zu prostituieren?

Wo denken wir schon wieder hin? Diese guten Menschen tun das alles, nur um unsere Regierung zu unterstützen. Und diese verhilft den weniger guten Menschen zu ihrem gesundheitlichen Glück. Nichts als edle Gedanken und edles Handeln also?

Eher nicht. Wenn uns Dinge derart penetrant eingebläut werden, dann sollten wir uns an die Worte des Philosophen und Trägers des Nobelpreises der Literatur, Albert Camus, erinnern:

«Das Wohl der Menschen ist immer das Alibi der Tyrannen.»

Bleibt die Hoffnung, dass wir hierzulande gerade jene Ausnahmen erleben, welche diese Regel bestätigen.

Faktische Nötigungsaktionen, Staatspropaganda und drittklassige Aussenveranstaltungen an kalten Novemberabenden als «Service Public». Sind wir noch bei Trost? Es beunruhigt mich, dass das Überborden des Staates von so vielen Menschen achselzuckend dahingenommen wird.

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Autor/in
Roland Rino Büchel

Roland Rino Büchel (*1965) ist seit 2010 Nationalrat für die SVP des Kantons St. Gallen. Der Rheintaler ist Mitglied der Büros des Nationalrats, der Aussenpolitischen Kommission und Europarats. Er steht für eine klar bürgerliche Politik und war bei der letzten grossen parlamentarischen Auswertung der Ostschweizer Nationalrat mit dem besten Rating.

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