Seit zwei Jahren wird im ehemaligen Kino Storchen in St.Gallen Musicaltheater geboten - mit Kindern für Kinder. Trotz mehrfacher Gesuche fliesst kein Franken aus der Kulturförderung in den Betrieb. Nun hoffen die Initianten auf das Stadtparlament - und die anstehende Budgetdebatte.
Seit November 2016, also genau seit zwei Jahren, gibt es das Kindermusical-Theater Storchen, untergebracht im gleichnamigen früheren Kino in der St.Galler Altstadt. In dieser Zeit entstanden neun Eigenproduktionen mit einem in der Schweiz einmaligen Konzept: Kinder spielen für Kinder.
Nach zwei Jahren zeigt sich: Die Idee kommt an. Allerdings: Die öffentlichen Stellen scheinen das nicht wahrzunehmen. Aus den verschiedenen «Kulturfördertöpfen» von Stadt und Kanton erhalten die Betreiber nichts. Diese Tatsache, vor allem aber die Begründung dafür, stösst bei ihnen auf wenig Verständnis.
Kurt Wettstein, zusammen mit Bettina Kaegi und Rico Bühler Gründer und Betreiber des Kindermusical-Theater, im Gespräch über die Situation - und wie sie sich auswirkt.
Kurt Wettstein, wie sieht Ihre Bilanz nach den ersten zwei Betriebsjahren aus?
Wir haben über alles gesehen eine Auslastung von 60 Prozent bei den Besucherzahlen. Für ein solches Haus scheint uns das hervorragend für die Startphase, aber gleichzeitig besteht hier noch Luft nach oben. Die Rückmeldungen aus dem Publikum sind sehr positiv, und wir stellen auch fest, dass wir viele wiederkehrende Besucher haben.
Neben dem eigentlichen Theater betreiben Sie auch eine Theaterschule im Storchen. Wie kam es dazu?
Das war im Businessplan ursprünglich nicht vorgesehen, aber bald nach dem Start wurde das Bedürfnis bei Kindern und Eltern laut. In der Altersgruppe von 7 bis 13 Jahren wurden wir förmlich überrannt. Auch die Jugendtheatergruppe ab 13 Jahren ist gut besucht. Dort können wir anspruchsvollere Stoffe wie beispielsweise «Anne Frank» realisieren.
Und wie sieht es finanziell aus mit dem Betrieb?
Wir haben beim Start drei Einnahmestandbeine geplant: Eintrittsgeld, Beträge von Partner und Sponsoren und schliesslich Kulturförderung. Der letzte Punkt fehlt - und damit auch das entsprechende Geld in der Kasse.
Dann war immer klar, dass sie gewissermassen öffentliche Subventionen brauchen?
Ich muss klarstellen: Wir gehören nicht zu denen, die einfach routinemässig staatliche Unterstützung anfordern. Es ist unser Ehrgeiz, aus eigenen Kräften auf dem freien Markt zu bestehen, auch als Kulturbetrieb Gleichzeitig gibt es aber Kulturförderungsinstrumente für Institutionen, und da wäre es unternehmerisch gesehen unsinnig, bei diesen Stellen kein Geld zu beantragen.
Aber in Ihrem Fall war das offenbar vergeblich. Wie verliefen diese Kontakte?
Vor der Betriebsaufnahme haben wir Gespräche mit der Kulturförderung und der Standortförderung der Stadt St.Gallen geführt. Beide Seiten haben damals abgewunken. Also haben wir uns gesagt: Wir liefern zuerst Arbeit ab und schauen dann weiter. Nach gut einem Jahr haben wir erstmals für eine konkrete Produktion ein Gesuch gestellt, später für ein zweites. Es ging um 5000 Franken. Beide Gesuche wurden abgelehnt.
Wie lautete die Begründung?
Dass die Kulturförderung nur Produktionen von professionellen Künstlern unterstützt. Und das sind Kinder naturgemäss nicht. Uns geht es nicht darum, die verschiedenen Institutionen gegeneinander auszuspielen. Wir gönnen allen anderen Anbietern die Unterstützung. Aber warum soll Kindertheater nicht auch gefördert werden? In einer Grabenhalle beispielsweise spielen ja kaum ausschliesslich Bands, die von der Musik leben, also im Wortsinn Profis sind.
Andererseits: Wenn die Regelungen so lauten, besteht für die Behörden doch kaum Spielraum?
Die Richtlinien, die zur Ablehnung geführt haben, sind nicht starr, das sind reine Empfehlungen. Also gibt es einen Spielraum. Wenn man etwas nicht unterstützen will, lassen sich so Gründe dafür finden - aber auch umgekehrt.
Welche Erwartung haben Sie ganz konkret an die Stadt?
Ganz einfach: Eine Gleichstellung mit anderen Kulturbetrieben. Wenn man das Budget 2019 der Stadt anschaut, sieht man schnell, wer welche Summen erhält. Das sind zwischen 80'000 und über 200'000 Franken für Institutionen wie Palace, Grabenhalle, Kinok, Figurentheater und so weiter. Unser Wunsch wäre, hier eingemittet zu werden, also mit einer Summe um die 70'000 bis 80'000 Franken. Das ist weniger als ein halbes Prozent der gesamten Kulturförderungssumme.
Haben Sie neben der Stadt noch bei weiteren Stellen angeklopft?
Ja, aber hier zeigt sich die Krux. Bei der kantonalen Kulturförderung heisst es: Wir haben einen subsidiären Auftrag, das heisst, wenn die Stadt als Standortgemeinde nichts bezahlt, tun wir es auch nicht. Das heisst: Ohne die Stadt St.Gallen geht beim Kanton auch nichts. Und in der Regel werden Projekte erst nach vier bis fünf Jahren Aufbauarbeit unterstützt. Nur: Gerade in der Startphase sind die Mittel ja am wichtigsten. So wird ein Projekt für Kinder dafür bestraft, dass es erst vor zwei Jahren gegründet wurde.
Welches Fazit ziehen Sie aus diesen Erfahrungen?
Was wir erleben, stimmt nicht überein mit dem Leitbild der Stadt. Die kommende Generation wird von der Förderung ausgenommen und so in gewisser Weise diskriminiert.
Ist das Fehlen von Fördergeldern für Ihren Betrieb existenzbedrohend?
Wir sind nicht akut gefährdet, weil wir uns selbst stark engagieren und uns dafür so gut wie nichts ausbezahlen. Umso wichtiger ist es nun, weitere Sponsoren aus der Wirtschaft zu gewinnen. Für die entsprechenden Massnahmen haben wir aber wenig Ressourcen, wir führen das Tagesgeschäft faktisch zu zweit. Nun planen wir, mit externer Hilfe neue Partner zu gewinnen. Wir haben bereits zahlreiche Sponsoren, allerdings vor allem aus dem KMU-Bereich. Wir müssen hier stärker in die Breite gehen, und der eine oder andere grosse Partner wäre ebenfalls schön.
Firmen erhalten für das Sponsoring eine Präsenz bei Ihnen. Warum, denken Sie, müsste auch die öffentliche Hand ein Interesse an einer Unterstützung haben?
Weil das, was wir machen, hier einzigartig ist, und damit sind wir auch ein Standortfaktor. Ich stelle fest, dass das bei der Stadt nicht wahrgenommen wird. Wir haben, wie wir dank dem Ticketing sehen, neben Besuchern aus der Stadt auch viele aus der näheren und weiteren Umgebung. Familien kommen auch aus Zürich, wenn in St.Gallen etwas geboten wird, das sie selbst nicht haben. Und auch für die Kinder, die auf der Bühne stehen, ist unser Angebot einmalig.
Wie geht es jetzt weiter?
Derzeit läuft ein Crowdfunding für unsere Produktion «Cats». Und ich habe die Hoffnung, dass sich in der Budgetdebatte im St.Galler Stadtparlament etwas bewegt, dass unser Antrag dort in die Diskussion eingebracht wird. Das wäre eine Gelegenheit, die bisherige Haltung zu korrigieren.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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