Eine Reihe von Festivalveranstaltern in der Schweiz, darunter mehrere aus der Ostschweiz, wendet sich mit einem dringenden Appell an die Öffentlichkeit und an die Entscheidungsträger. Sie fordern klare Rahmenbedingungen und eine umfassendere Absicherung.
Die Swiss Music Promoters Association, kurz SMPA, vereint eine ganze Reihe von Schweizer Musikfestivals. Dazu gehören aus der Ostschweiz das Flumserberg Open Air, das Openair Frauenfeld, das Quellrock Open Air in Bad Ragaz, das OpenAir Wildhaus, das SummerDays Festival und natürlich das Openair St.Gallen. Die geballte Kraft wollen die Veranstalter nun nutzen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Denn die ist seit letztem Jahr alles andere als rosig, und es sieht noch nicht nach Besserung aus.
Die Dimensionen des Festivalmarkts sind durchaus beeindruckend. Bevor es mit Corona losging, fanden jeden Sommer in der Schweiz mehrere hundert Musikfestivals statt, laut SMPA wurden jeweils rund drei Millionen Tickets verkauft. Dazu kommt die begleitende, indirekte Wertschöpfung: Zulieferer aus der Gastronomie, Hotellerie, Restaurants und Läden in der Nähe, Eventtechnikfirmen und so weiter.
Im vergangenen Jahr fielen die meisten Festivals aus, aber laut SMPA floss immerhin Geld: «Das Jahr 2020 konnten die Schweizer Festivals dank den schnell implementierten finanziellen Unterstützungsmassnahmen von Bund und Kantonen überbrücken.» Nun gelte es, eine Strategie für den Sommer 2021 zu finden. Dafür seien die Veranstalter «auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Behörden, auf transparente und praxistaugliche Richtlinien und Öffnungsschritte sowie auf einen umfassenden finanziellen Rettungsschirm angewiesen.»
Die Lage sei in mancher Hinsicht besser als noch 2020, heisst es im Appell. Denn es gebe die Impfung sowie mehr Testoptionen. Da in den Sommermonaten ausserdem tiefere Fallzahlen zu erwarte seien, präsentiere sich die Ausgangslage 2021 nun anders. Die Fragen, auf die man rasch eine Antwort brauche, seien: Unter welchen Voraussetzungen können Schweizer Festivals regulär und mit voller Kapazität ohne Social Distancing durchgeführt werden? Und welche Massnahmen sind für Gäste, Künstler, Personal und Lieferanten notwendig?
Darüber hinaus fordert die SMPA schweizweit einheitliche Richtlinien und grösstmögliche Planungssicherheit, und das noch im Verlauf des Februars. Nur so könne man den ersten Teil des Festivalsommers 2021, der bis Mitte Juli dauert, vernünftig vorbereiten, da die Vorbereitungen mehrere Monate in Anspruch nehmen. In erster Linie gehe es darum, die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu definieren. Man biete Hand, «zusammen mit den auf Bundesebene definierten Ansprechpersonen diese Strategie sowie Konzepte und Massnahmen zu erarbeiten.» Zwischen den Zeilen ist dabei herauszulesen, dass sich die Veranstalter in dieser Beziehung bisher zu wenig involviert gefühlt haben. Es sei wichtig, «dass das Know-how der Branche genutzt wird» heisst es weiter.
Bleibt die Frage, was passiert, wenn die Festivals gar nicht durchgeführt werden können. Für diesen Fall brauche es die Ausfallentschädigung, die sich bewährt habe, weiterhin, «jedoch ist eine hundertprozentige Schadensdeckung ohne Plafonierung notwendig, um den Erhalt der Musik-Festivals langfristig zu sichern.» Sprich: Mit ein bisschen was an den Schaden ist es bei einem weiteren Totalausfall während einer ganzen Saison für die Veranstalter nicht getan, dann würde es ihnen an die Substanz gehen oder darüber hinaus.
Was 2020 zu beobachten war: Manch ein Veranstalter war schon fast froh, wenn die Lage eindeutig war, er also wusste, dass das Festival mit Sicherheit nicht stattfinden kann. Dann war es möglich, die Reissleine zu ziehen. Aufgrund der langen Vorlaufzeit war es aber in den meisten Fällen so, dass schon viel Vorarbeit und Investitionen gelaufen waren, bis es soweit war. Auch darauf geht die SMPA ein: «Wenn einer Veranstaltung die erteilte Bewilligung nach Beginn der Arbeiten wieder entzogen wird, muss der entstandene Schaden ebenfalls komplett übernommen werden. Gleiches muss schliesslich gelten, wenn eine Veranstaltung aufgrund verschärfter Massnahmen zur Pandemiebekämpfung aus wirtschaftlicher Sicht vorausschauend abgesagt wird oder nur in reduzierter Form durchgeführt werden kann.»
Ohne diesen «Rettungsschirm», wie es die Veranstalter nennen, werde «die Planung von Veranstaltungen zum Himmelfahrtskommando mit kaum einschätzbaren Risiken und kommt folglich zum Erliegen.»
Die Herausforderung ist aktuell: Grossveranstaltungen in nromalen Zeiten laufen im Grunde all dem zuwider, was derzeit sakrosankt ist. Viele Menschen, Nähe, grosse Ausgelassenheit. Man wolle bemüht sein, sie sicher zu gestalten, appelliere aber an das Prinzip der Verhältnismässigkeit. «Massnahmen müssen deshalb laufend überprüft und gegebenenfalls in einem praxistauglichen und sinnvollen Rahmen gelockert werden», heisst es in der Mitteilung. Es gehe darum, «die kulturelle Vielfalt der Schweiz zu erhalten.»
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