Die Schweizerische Nationalbank weist 51,5 Milliarden Gewinn aus in den ersten drei Quartalen. Mehr, als die schwachbrüstigen Grossbanken an Eigenkapital ausweisen. Aber auch auf Kosten der Schweizer Bevölkerung.
An Tidjane Thiams Präsentation der Quartalszahlen interessierte eigentlich nur, ob er endlich eingestehen würde, von der Beschattung eines ehemaligen Kaders der CS gewusst zu haben (natürlich nicht). Sauer stiess auf, dass er sich als Opfer einer angefütterten Medienmeute sah. Am UBS-Bericht interessiert höchstens, dass die Boni weiterhin viel zu hoch sind.
Gestern meldete sich die Schweizerische Nationalbank zu Wort, mit einer dürren Medienmitteilung. Sie weist «für die ersten drei Quartale 2019» einen sagenhaften Gewinn von 51,5 Milliarden Franken aus.
Dafür würden Thiam und Ermotti alles tun, könnten sie mit ähnlichen Zahlen brillieren. Aber bei diesen beiden Vertretern des Old-Banking stimmt nur eins: ihr eigenes Einkommen. Für jeweils eine runde Million im Monat tun die beiden CEOs ein Bruchteil von dem, was Thomas Jordan als Chef der Nationalbank hinkriegt. Für ziemlich genau ein Zwanzigstel des Lohns dieser beiden Nieten in Nadelstreifen.
Die SNB stemmt diesen Gewinn zudem mit rund 800 Mitarbeitern. Das drückt sich natürlich auch im Aktienkurs aus. Während die Papiere von UBS und CS im Keller dümpeln, von früheren Höchstständen meilenweit entfernt sind, kennt die Aktie der SNB dieses Jahr nur eines: den Weg nach oben.
Seit 1. Januar 2019 hat sie um satte 36,6 Prozent zugelegt. Dieses Jahr zeigt sie eine Preisspanne von 4000 bis 5980 Franken. Zurzeit bewegt sich die SNB-Aktie um 5670 Franken. Die UBS-Aktie verlor seit Anfang Jahr weitere 4,5 Prozent und dümpelt bei knapp über 10 Franken. Die CS-Aktie machte immerhin einen Gewinn von 14,6 Prozent seit Anfang Jahr, steht allerdings auch bei lediglich rund 12 Franken.
Also wird doch wohl in allen Anleger-Empfehlungen bei Bankaktien das SNB-Papier als «strong buy» wärmstens empfohlen? Wo hat man das heutzutage noch. Eigentlich unkaputtbarer Herausgeber, starke Volatilität mit Richtung aufwärts, wer beim Tiefst einstieg, hat bis heute fast einen Drittel Gewinn auf sein Investment gemacht, das ist ja fast zu gut, um wahr zu sein.
Aber was liest man in der Wirtschaftspresse? «Was trotz Kursexplosion gegen die SNB-Aktie spricht», meldet die «Handelszeitung». «Gefährliches Kuriosum», mault «Finanz und Wirtschaft». Und gleich «Finger weg» befiehlt die NZZ.
Die SNB hat ein sich geradezu explosionsartig vergrösserndes Eigenkapital, schröpft die Schweizer Geldanleger mit schon mal 1,7 Milliarden Franken, dieser Gewinn «resultierte im Wesentlichen aus den erhobenen Negativzinsen». Daraus ergibt sich das Gesamtbild: Immer mehr Schweizer Banken reichen die Negativzinsen an ihre Kunden weiter. Bislang nur an vermögende Kunden, da sonst das massenhafte Abheben befürchtet würde, auch bekannt als Bank Run.
Während sich so Anleger schröpfen lassen, zumindest auf jede Verzinsung ihrer Guthaben verzichten müssen, wird ihnen weiterhin strikt abgeraten, eine Ertragsperle ins Portefeuille zu nehmen. Mit der ewig gleichen Leier: Dividende auf 15 Franken gedeckelt, enger Markt, hoher Preis, nur für Spekulanten.
Während also Kantone und Kantonalbanken fröhlich spekulieren; sie haben nämlich durch Verkäufe dafür gesorgt, dass zum ersten Mal in der Geschichte der SNB die Mehrheit der Aktien von Privatanlegern gehalten wird, soll das Publikum die Finger davon lassen. Ach, und vom Eigenkapital und den Milliardengewinnen auch. «Keine Begehrlichkeiten» ist das Schlagwort.
In einer Rede anlässlich der Tagung von Schweizer Pensionskassen bekräftigte Thomas Jordan, dass die Negativzinsen «unentbehrlich» seien. Er schlug gleich noch einen kräftigen Pflock ein: «Die Schweizerische Nationalbank ist für die Geld- und Währungspolitik unseres Landes zuständig und nicht für die Sozialpolitik und damit ebenso wenig für die Vorsorgewerke.» Preisstabilität, keine massive Aufwertung des Frankens, das sei auch für die Pensionskassen gut, wiederholte Jordan.
Mit Verlaub, Herr Nationalbankchef: Das ist Unsinn. Die bittere Wahrheit ist: Sie haben nicht den Hauch einer Ahnung, wie die SNB jemals wieder von dieser aufgeblähten Bilanz herunterklettern kann. Sie haben keine Ahnung, wie Sie aus der Negativzinsnummer wieder herauskommen wollen. Sie können nur beschränkt den Wechselkurs des Frankens beeinflussen. Sie können vor allem nicht beeinflussen, dass der Trümmel-Euro und der Schrumpf-Dollar sinken, in Relation zum Franken.
Abgesehen von einigen laut jammernden Vertretern von abserbelnden Exportbranchen und dem immer lauthals jammernden Schweizer Tourismus gibt es doch niemanden, der von einem künstlich tiefergelegten Franken profitiert. Aber die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung leidet unter den Negativzinsen. Indem ihr Spargroschen nichts abwirft und indem ihre Altersversorgung gefährdet wird. Das ist unverantwortlich.
Die SNB bleibt eine Volksbank ohne Volk. Eine Nationalbank, die ungeheuerliche Reichtümer anhäuft, ohne dass die Nation auch nur das Geringste davon hat. Dabei sähe in den Tresoren der SNB ungefähr so wie im Geldspeicher von Dagobert Duck aus, würden die Anlagen nicht weitgehend elektronisch gehalten. Einfach sagenhaft, aber Realität. Die SNB wird immer mehr zu einer Volksbank gegen das Volk. Das ist bedenklich.
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