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Masterstudent Daniel Barco

Dieser Thurgauer will die Bienen retten

Der Thurgauer Data Science-Masterstudent Daniel Barco (30) hat neue Algorithmen zur Erkennung der Varroa-Milben entwickelt. Er kämpft gewissermassen mit dem Smartphone gegen das Sterben der Bienen. Denn nun ist es einfacher, den Milbenbefall zu messen.

Urs Oskar Keller am 17. Juli 2020

In Kürze:-

- Bis vor Kurzem mussten Imker mühsam den Befall ihrer Bienenvölker per Auge bestimmen: Sie zählten die toten Varroa-Milben, die auf einem weissen Brett unter dem Bienenstaat landeten. Bis das Smartphone-App «Apizoom» Anfang 2020 auf den Markt kam.

- In seinem in Kürze abgeschlossenen Masterstudium für Datenwissenschaft an der Hochschule Luzern (HSLU) hat der Thurgauer Daniel Barco (30) jetzt einen neuen Algorithmus für das Apizoom der ETH Lausanne (EPFL) mitentwickelt.

- «Auf dem Weg zu einer mobilen Erkennung der Varroa-Milbe» («Towards a mobile detection of the Varroa destructor»), heisst Daniel Barcos auf Englisch verfasste Masterarbeit vom Juni 2020 an der Hochschule Luzern (HSLU). Untertitel: «Eine Analyse künstlicher neuronaler Netze, die darauf trainiert sind, Varroa-Milben auf einem Bilddatensatz von Bienenstock-Bodenunterlagen zu erkennen.

- Seine Untersuchungen konnte der Thurgauer Data Science-Masterstudent Daniel Barco (30) bei elf Bienenvölkern von Imker Urs Mannhard in Oberwinterthur durchführen.

«Bienen faszinieren mich. Ihr Verhalten und wie man dem Bienensterben entgegen wirken kann, haben mich für motiviert, diese wissenschaftliche Arbeit über Bienen und die Varroa-Milben zu machen», sagt Daniel Barco bei unserem Treffen.

Mit der neuen Smartphone-App «Apizoom» können die Varroa-Milben seit Anfang 2020 automatisch durch visuelle Erkennung und anhand von Machine-Learning-Technologien ausgezählt werden. Varroa-Milben und Pestizide gehören zu den Hauptursachen für das Bienensterben. Apizoom ermöglicht es Imkerinnen und Imkern, das Ausmass des Varroa-Befalls in Bienenvölkern einzuschätzen und dadurch die Mittel zur Parasitenbekämpfung gezielter und weniger häufig anzuwenden. Imker können mithilfe von einem solchen App Varroa-Milben automatisiert zählen. Dadurch kann der Varroa-Milbenbefall leichter festgestellt werden. Die Anwendungssoftware zählt das Kommen und Gehen von Bienen.

Der angehende Data Science-Wissenschafter Daniel Barco: «Das Ergebnis meiner einjährigen Masterarbeit hat die Vereinfachung der bereits bestehenden Apizoom-App des Imkers Alain Bugnon aus Courtepin FR in Verbindung mit einer Web-Plattform und Computer (PC), die den Imkern das Auszählen des Milbenfalls per Auge abnimmt, zum Ziel. Bislang mussten sie über Umwege an die ETH Lausanne (EPFL) übermittelt werden.» Imker müssen zwar trotzdem noch ein besonderes Brett unter das Bienenvolk-Magazin legen, können diese aber einfach abfotografieren und die Aufnahme auf die Web-Plattform hochladen. Mithilfe eines speziellen Bilderkennungs-Algorithmus wird dann die Anzahl Varroa-Milben auf der Unterlage binnen Sekunden ermittelt und die Bilddaten können einfach auf den Grossrechner der ETH Lausanne (École polytechnique fédérale de Lausanne EPFL) direkt vom Handy gesendet werden.

Barco gelang es mit einem neuen Algorithmus, Bilder der Varroa-Milben in weniger hoher Auflösung zu verarbeiten. Damit können sie gleich auch mit einem Smartphone gemacht und ausgewertet werden. «Meine ersten Tests sind erfolgreich verlaufen. Ob allerdings mein Programm in einer neuen Apizoom-App in Zukunft eingesetzt werden wird, entscheidet die ETH Lausanne in den nächsten Monaten», sagt Daniel Barco. Da die Parasiten nur knapp einen Millimeter lang und zwischen anderem Material auf dem Brett schwer erkennbar sind, ist die Erkennung nur nach langem Training der Algorithmen möglich.

Bienen

Bienen in einem Magazin in Andwil. (Bild: Urs Oskar Keller)

«Im Moment eine experimentelle Version»

Die Anwendung der Smartphone-App «Apizoom» sei im Moment eine experimentelle Version, die im App-Store erhältlich ist. Erst über hundert Mal wurde die Anwendung heruntergeladen. «Wir haben mit der Werbung noch nicht begonnen, da das Modell noch verbessert werden muss. Die Downloads kommen hauptsächlich von Imkern, die uns bei den Tests helfen, oder von Imkern, die von der Anwendung gehört haben. Die aktuelle experimentelle Version ist kostenlos», sagt der Freiburger App-Erfinder und Imker Alain Bugnon auf unsere Anfrage.

Das System werde nun im Rahmen eines von Bugnon gegründeten Start-ups namens «ApiZoom» weiterentwickelt und vermarktet. Apizoom soll helfen, Bienen dank künstlicher Intelligenz vor Parasiten zu schützen und den Einsatz von antiparasitären Mitteln zu minimieren. «Agroscope hat eine Zusammenarbeit mit Apizoom, indem wir Bilder von Varroa zur Verfügung stellen, um die künstliche Intelligenz zu trainieren», sagt Jean-Daniel Charrière, Leiter der Forschungsgruppe «Bienen» bei Agroscope. Alain Bugnon erhält jetzt den landwirtschaftlichen Innovationspreis 2020 des Kantons Freiburg.

Feldarbeit in einer Winterthurer Imkerei

Von Juli bis November 2019 konnte Barco seine Feldforschungen in der Imkerei von Urs Mannhart in Oberwinterthur durchführen. Die Bienenhaltung betreibt er als Hobby. Der Zürcher Imker sei sehr hilfsbereit und zugänglich gewesen. Er hätte von seinem Wissen sehr profitiert, sagt Barco. Der Thurgauer Masterstudent konnte elf Bienenvölker, die von Varroa-Milben befallen waren, in Mannharts Bienenhäuschen am Winterthurer Lind- und Wolfsberg während fünf Monaten untersuchen und fotografieren. Gesammelt haben die Hundertausenden von Bienen vorwiegend im umliegenden Wald, den Gärten und Balkonen von Winterthur. Der Honig sei «aus einer Gartenstadt mit einer grossen Vielfalt an Pflanzen».

Trotzdem sind alle Bienenvölker auch bei Imker Mannhart von der Varroa-Milbe befallen. «Zirka 15 Prozent der Schweizer Bienenvölker sterben pro Jahr, wobei ein Hauptgrund dafür die Varroa-Milbe ist», berichtet Barco. In seiner Feldstudie wurden die Bienenstockunterlagen mit verschiedenen Fotokameras (Spiegelreflex und Apple iPhone) aufgenommen. Hierzu wurde ein Kamerastativ verwendet, um die Unterlagen unter gleichbleibenden Bedingungen zu fotografieren. Diese Fotos wurden schlussendlich durch solche der ETH Lausanne ersetzt, da die Varroa-Milben im ApiZoom-Projekt bereits markiert wurden. Daniel Barco: «Ich hatte Glück, dass ich durch die Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne (EPFL) auf die bestehenden App-Bilder zurückgreifen konnte und so auf das Wissen und die Arbeit von ApiZoom sowie der EPFL aufbauen konnte.»

Neues Projekt

Mit seinem nächsten Projekt «Malaria-Erkennung» hat Daniel Barco im Juni 2020 mit einem Studienkollegen bereits begonnen. Sie möchten in den nächsten Monaten eine App (Anwendungssoftware) entwickeln, um Malaria aus Blutproben zu diagnostizieren. Dies soll mithilfe eines 1,50 Franken billigen 3D-gedruckten Open-Source-Mikroskop geschehen.

Biene

Eine Wildbiene sucht Nektar. (Bild: Urs Oskar Keller)

Zur Person

Daniel Barco, Jahrgang 1989, wuchs in Matzingen TG auf. Er hat italienische und englische Wurzeln. Barco absolvierte eine Kaufmännische Lehre bei der Thurgauer Kantonalbank (TKB) in Sirnach mit Berufsmatura. 2007 folgte ein Bachelorstudium an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur in Internationalem Management. An der schwedischen Universität Linköping studierte Barco von 2013 bis 2015 Internationale und Europäische Beziehungen (Master-Abschluss). Danach arbeitete er ab 2017 für 15 Monate als Finance und Administrations Manager für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Zentralafrika, hauptsächlich in Kamerun. Neben dem zweiten im Juni 2020 abgeschlossenen Masterstudium in Information and Data Science an der Hochschule Luzern (HSLU), arbeitet der Dreissigjährige seit 2018 als Junior Data Scientist (60 Prozent) bei der Getunik AG in Zürich (digitales Fundraising, Marketing und Campaigning für NGOs). Daneben entwickelt er gemeinsam mit einem Studienkollegen aus eigenem Antrieb ein App für Malaria-Erkennung. Daniel Barco wohnt in Winterthur.

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Autor/in
Urs Oskar Keller

Urs Oskar Keller (*1955) ist Journalist und Fotoreporter. Er lebt in Landschlacht.

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