Volle Stadien, friedliche Fans, die durch St.Gallen flanieren: Drei Spiele Fussball-EM der Frauen finden 2025 in der Ostschweiz statt. Die Politik lässt sich nicht lumpen und macht knapp drei Millionen Franken locker und verspricht sich davon einen nachhaltigen Effekt für die Stadt.
Überteuerte Grossveranstaltung oder die Gelegenheit für St.Gallen, sich noch stärker als Kultur- und Sportstadt zu positionieren? Seit dem 4. April ist klar, die Ausführung der UEFA Women’s Euro – oder einfacher: die Fussball-EM der Frauen – wurde der Schweiz anvertraut. Drei der EM-Spiele werden im Kybunpark in St.Gallen stattfinden; in einer Infrastruktur, die es bereits gibt und die EM-tauglich ist. Die Stadt St.Gallen vermeldete letzte Woche, dass sie für diesen Sportanlass einen Betrag von 2,8 Millionen Franken locker macht. Das macht fast eine Million Franken pro Spiel auf Stadtgebiet. Wofür genau und lohnt sich das überhaupt?
Stadtrat Mathias Gabathuler (FDP) sagt: «Die Vorlage wurde durch zwei Parlamentskommissionen kritisch geprüft und für gut befunden. Es gab auch eine ausführliche Diskussion im Parlament mit unterstützenden, kritischen und ablehnenden Stimmen. Letztlich ist das Abstimmungsresultat zugunsten des Grossanlasses aber klar ausgefallen.»
Es geht um Stadtmarketing
Drei Millionen Franken für gerade mal drei Spiele sind kein Pappenstiel und können auch nicht einfach aus der Protokasse berappt werden. Zudem könnte man ja meinen, der Fussball – sprich die UEFA – verfüge über genügend Geld, um seine eigenen Turniere ohne öffentliche Finanzhilfe ausrichten zu können. Von der Finanzspitze aus der Stadtkasse versprechen sich die städtische Legislative und Exekutive viel und Nachhaltiges. Einerseits gehe es um die nationale und zum Teil auch internationale Ausstrahlung. Bestes Marketing für die Stadt St.Gallen sei das, findet Gabathuler. Eine Stadt wie St.Gallen müsse für die lokale Bevölkerung einen guten Mix an attraktiven Sportstätten bieten. So werden derzeit werden 5,8 Millionen Franken für die Sanierung der Leichtathletik-Anlage im Neudorf investiert und in den kommenden Jahren 47 Millionen Franken in die Sanierung und Erweiterung des Hallenbads Blumenwies gesteckt. Aber: «Auch im Bereich der Veranstaltungen wollen und müssen wir auf der Landkarte bleiben», sagt Gabathuler. Denn: «Erfolgreiche Veranstaltungen helfen mit, die Sportinfrastruktur-Grundbedürfnisse eindrücklich in Erinnerung zu rufen». Allein im letzten Jahr war St.Gallen Schauplatz verschiedener sportlichen Grossanlässen: National Summer Games, International Helvetia Cup oder die Gordon Bannet Gasballon Weltmeisterschaften. Hinzu kommen die jährlich stattfindenden Anlässe wie das CSIO, das Turnier der European Cricket League, zahlreiche Curlingturniere oder die Leichtathletik Indoor Schweizer Meisterschaft.
Frauenfussball fördern
Mit dem gesprochenen Geld sollen auch «Massnahmen zur Geschlechtergleichstellung» und «Begleitmassnahmen zur langfristigen Förderung von Frauenfussball» finanziert werden, wie es in der Mitteilung von letzter Woche hiess. Stadtrat Gabathuler erklärt: «In der Stadt gibt es fast zwei Dutzend Fussballvereine; weniger als die Hälfte davon widmet sich auch dem Mädchen- beziehungsweise Frauenfussball. Hier wollen wir – zusammen mit den Vereinen – ansetzen, damit Mädchen und Frauen den ihnen zustehenden Anteil an Belegungsfenstern auf städtischen Fussballanlagen erhalten.» Offen bleibt, ob vonseiten der Fussballerinnen auch eine entsprechende Nachfrage an Trainingsplätzen besteht. Der grundsätzliche Bedarf an städtischer Fussballinfrastruktur sei allerdings gegeben. «Sie ist nicht nur ausgelastet, sondern notorisch überbelastet», sagt Gabathuler.
Nachhaltiges Investment: hoffentlich
Die Politik scheint überzeugt: Diese Gelegenheit muss man beim Schopf packen, auch wenn es 2,8 Millionen Steuerfranken kostet. Da die drei Spiele in einer privaten Infrastruktur stattfinden, müssen mit dem Fördergeld höchstens kleinere, temporäre baulichen Massnahmen rund um die Rahmenaktivitäten bezahlt werden. Bleibt zu hoffen, dass die nachhaltige Image-Wirkung für die Stadt nicht ausbleibt. Das wäre sonst etwas viel Geld für kaum mehr als einen geschlechterausgewogenen Belegungsplan der städtischen Fussballinfrastruktur und ein paar temporäre Bauten rund um die Fanmeile.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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