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Zeyer zur Zeit

Durchbruch beim Impfdurchbruch?

Auch zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie verfügt die Schweiz nicht über alle nötigen Zahlen. Ist das Unfähigkeit oder mehr?

«Die Ostschweiz» Archiv am 14. Dezember 2021

Da die Kenntnis über sinnvolle Massnahmen gegen die COVID-19-Seuche immer mehr fragmentiert, zersplittert, in Einzelteile zerfällt, versuchen wir mal, drei solche Splitter zusammenzuführen.

Tamedia veröffentlicht den Bericht von drei Redaktoren und Eltern, bei denen zuerst ein schulpflichtiges Kind erkrankt – und dann die ganze Familie. Obwohl die Erwachsenen geimpft sind.

Der «Arena»-Moderator Sandro Brotz, vehementer Befürworter von Impfungen, also sicherlich auch selbst geimpft, ist an der Infektion erkrankt und muss pausieren.

Dieses Phänomen nennt man Impfdurchbruch. Wenn also Personen an COVID-19 erkranken, obwohl sie geimpft sind. Einmal, zweimal dreimal.

Ist das besorgniserregend? Sind das bedauerliche Einzelfälle? Oder die Spitze des Eisbergs? Um das beurteilen zu können, würden statistische Erhebungen helfen. Beispielsweise auf den Intensivpflegestationen (IPS), bei denen es eine erbitterte Debatte darüber gibt, wie sehr Ungeimpfte das Funktionieren fahrlässig beeinträchtigen.

Die Zahlen der Ungeimpften werden offiziell erhoben und anklagend verbreitet. Allerdings: Meine kleine Frage, ob ich mal Auskunft über die Altersverteilung auf den IPS bekommen könnte, wird von einem Amt zum anderen weitergereicht und schlichtweg nicht beantwortet.

Zurzeit dümpelt sie beim Koordinierten Sanitätsdienst (KSD), der wiederum im Verteidigungsdepartement angesiedelt ist, aber dem BAG die Zahlen über die Spitalkapazitäten liefert. Also die, auf die der KSD lustig ist. Und auf eine Altersverteilung hat er offenbar genauso wenig Lust wie auf eine Erhebung der Anzahl Infizierter, bei denen es sich um einen Impfdurchbruch handelt.

Nun könnte es theoretisch so sein, dass das halt wahnsinnig schwierig zu eruieren wäre, selbst der Einsatz der geballten Kraft der Schweizer Armee könnte dafür nicht ausreichen. Dem widerspricht allerdings, dass der «Beobachter» herausfand, dass die Meldepflicht für solche Fälle Anfang Oktober aufgehoben worden sei.

«Numme nid gschprängt», das ist sowieso die Auffassung von KSD, BAG und anderen Berner Behörden. Wer am Montag auf die Covid-Webseite geht, bekommt mitgeteilt: «Übers Wochenende veröffentlichen wir keine neuen Zahlen.» Logo, da macht ja der Virus auch mal Pause, das hat die Virusgewerkschaft durchgesetzt.

Ein wenig anders gehen allerdings die Deutschen mit solchen Zahlen und Informationen um. Die wissen, dass es im grossen Kanton im Norden seit Februar dieses Jahres 362'130 Fälle solcher Infektionen trotz Impfung gegeben hat. Von insgesamt 6,55 Millionen erfasster Fälle. Das sind rund 5,5 Prozent.

Auf die 1,11 Millionen Fälle in der Schweiz übertragen wären das also rund 55'000 Fälle. Nicht gerade nix. Aber die Deutschen gehen sogar noch weiter in der statistischen Auswertung.

In den vergangenen Wochen hat die Altersgruppe der über 60-Jährigen mit 70,6 Prozent den höchsten Anteil an Impfdurchbrüchen. Das bedeutet, von allen Menschen über 60 Jahre, die in den letzten vier Wochen an Covid-19 erkrankten, waren 70,6 Prozent vollständig geimpft. Bei den 18- bis 59-Jährigen lag dieser Anteil bei 50,6 Prozent.

Abgesehen davon, dass es wohl mehr als sinnvoll wäre, diese Zahlen auch in der Schweiz offiziell zu erheben: da wäre doch die Auskunft über die Altersverteilung auf den IPS durchaus erhellend.

Auch hier kann man nur von Einzelberichten ausgehen, die mich aufgrund meiner Artikel erreichen. Und zwar von Pflegefachkräften, die beobachten, wie vor allem alte Menschen, oft auch aus geriatrischen Einrichtungen, trotz diversen Vorerkrankungen und einem allgemein sehr schlechten Gesundheitszustand nicht einfach palliativ behandelt werden, sondern auf die IPS verlegt, sobald COVID-19 diagnostiziert wird.

Also statt ihnen ein Sterben in Würde zu ermögliche, schreibt mehr als ein Kommentator, werden sie mit lebensverlängernden Massnahmen traktiert. Auch hier ist es völlig unklar, wie repräsentativ solche Einzelaussagen sind.

Klar hingegen sind drei Fakten.

1. Wir haben auch nach fast zwei Jahren die Pandemie überhaupt nicht im Griff.

2. Regierende und Wissenschaft haben durch widersprüchliche Massnahmen und eine Kakophonie verschiedener Meinungen, durch wiederholte Fehlprognosen gewaltig an Vertrauen verloren.

3. Wenn es ein Problem mit Plätzen auf Intensivstationen gibt, dann liegt das an einem Pflegenotstand, einem seit Jahren bekannten Fehlen von Fachkräften, wogegen auch in den letzten zwei Jahren bedenklich wenig unternommen wurde.

Hinzuzufügen bleibt nur: umso weniger behaftbare Statistiken geführt werden, desto mehr wuchern Vermutungen, Interpretationen, gar Verschwörungstheorien. All das gibt Anlass zumindest zu einer Frage: ist das insgesamt bloss Unfähigkeit oder steckt mehr dahinter?

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«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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