Die Stadt St.Gallen hat eine Testphase mit 100 E-Trottinett - auch als E-Scooter bekannt - eingeläutet. Sie sollen eine valable Alternative zum Auto darstellen. Befragungen zeigen aber, dass das gar nicht der Fall ist. Und ökologisch sind die Gefährte in der Endabrechnung ohnehin nicht.
St.Gallen ist nicht die erste Stadt, die versucht, sich mit E-Trottinetts oder E-Scooters einen grünen Anstrich zu geben. In einem Pilotversuch sollen 100 dieser Elektrofahrzeuge im inneren Kreis der Stadt dazu verführen, ökologisch verantwortungsvoll unterwegs zu sein, statt auf das Auto zu setzen. Das passt zur demokratisch legitimierten Strategie, die Stadt vom Auto weg hin zu alternativen Verkehrsformen zu führen.
Nur: Was gut klingt, muss nicht gut sein. In Deutschland ist eine regelrechte E-Scooter-Welle in Städten in Gang. Und ausgerechnet die linke Tageszeitung «Taz» kommt nun zum Schluss, dass es nicht weit her ist mit Öko - und dass die E-Scooter schon gar keine Alternative zum Auto bilden. Dabei stützt sich die Zeitung auf entsprechende Untersuchungen.
Denn fast überall ist es das übergeordnete Ziel der Aktion, Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen. Und Zahlen belegen, dass das nicht funktioniert. Die E-Fahrzeuge führen zu einem Ausbau an «Maschinisierung und Individualisierung» des städtischen Verkehrs, aber nicht zu einem Umstieg.
In einer aktuellen Umfrage unter über 4000 Leuten sagen 47 Prozent der Teilnehmer, dass sie zu Fuss gegangen wären, wenn kein E-Scooter zur Verfügung gestanden wäre. 3 Prozent wären gar nicht erst unterwegs gewesen. Und bescheidene 8 Prozent gaben an, dass sie das Auto benutzt hätten, wenn es den E-Scooter nicht gegeben hätte. Und in dieser Zahl sind Optionen wie Taxi, Uber und Carsharing enthalten.
Dass der Autoverkehr dank E-Scooter oder E-Trottinett abnimmt, ist also nicht mehr als ein frommer Wunsch. In Wahrheit halten die Dinger die Leute eher davon ab, zu Fuss zu gehen. Das bedeutet: Die E-Gefährte tragen in der Endabrechnung eher zu einer negativen CO2-Bilanz bei, statt diese zu reduzieren.
Denn wie wir es schon von E-Autos kennen, ist die Schlussbilanz nicht unbedingt umweltfreundlich. Oft ausgeblendet wird die Produktion, die ebenfalls Emissionen zur Folge hat, vor allem bei den Batterien. Laut der Studie, welche die «Taz» anführt, werden die bewussten Batterien oft in ärmeren Ländern hergestellt, was zur Auswirkung hat, dass dort Umweltschäden entstehen für Leistungen, die wir dann in Industrienationen nutzen. Bekanntlich sind für die Herstellung der Batterien seltene Erden nötig, und abgebaut werden diese unter bedenklichen Bedingungen.
Auch der Einsatz hier vor Ort sei nicht unbedenklich. Da die E-Trottinetts im öffentlichen Raum stehen, sind Schäden häufig. Entweder durch Dritte oder auch durch die Benutzer, die bei einer Kurzzeitmiete keinen wirklichen Bezug zum Fahrzeug haben und es achtlos behandeln. Die Lebenszeit von E-Scootern, die in solchen Sharingmodellen genutzt werden, beträgt je nach Hersteller nur wenige Monate. Den Rekord hält ein Versuch in den USA mit einem Monat.
Und dass auch E-Scooter Energie benötigen, wird oft auch ausgeblendet. Bei einem der führenden Anbieter beträgt die Ladezeit satte sieben Stunden, um wieder voll funktionsfähig zu sein. Und der Strom muss ja auch irgendwo herkommen.
Die «Taz» spricht von einem «Ökokapitalismus», auch in Bezug auf das Personal, das für das Einsammeln und die Wartung der Fahrzeuge verantwortlich ist und das zumindest in Deutschland nicht gerade unter besten Bedingungen arbeitet. Wie das in St.Gallen gelöst wird, bleibt abzuwarten. Die linke Zeitung spricht von einem «grünen Anstrich», mit dem das Marktprinzip auf einen neuen Bereich ausgedehnt werde: Die Ökologie.
Andere Versuche mit öffentlich zur Verfügung gestellten Leih-Velos waren ein kurzzeitiger Hype, der schnell auf dem Boden der Realität landete. Das «Publibike» der Post ist hoch defizitär, nachdem es zu Beginn als das nächste grosse Ding gefeiert wird.
Ob den E-Trottinetts dasselbe Schicksal blüht, bleibt abzuwarten. Einige der mit der Einführung verknüpften Hoffnungen aber sind kaum haltbar. Mit Sicherheit nicht das des grossen Umstiegs vom Auto auf das E-Trottinett.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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