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Reisewarnungen

Ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie eine Diktatur aussieht

Irgendwo in Bern sitzen Leute, wälzen Zahlen und setzen danach Länder und Gebiete auf eine «Risikoliste». Wer dorthin fährt, sitzt danach in der Schweiz in Quarantäne. Womit das abgestützt wird? Mit Zahlen, an die schon lange kein Mensch mehr glaubt. Und viel zu viele machen mit.

Stefan Millius am 11. September 2020

Ja, es gibt die stolzen Eidgenossen, die frei nach Ueli Maurers Aufruf weiterhin in den sozialen Medien herausposaunen: «Bleibt hier! Verbringt Eure Ferien in der Schweiz!»

Wir haben ein wunderschönes Land. Aber manchmal möchte man auch mal was anderes sehen. Oder den eigenen Kindern etwas anderes zeigen. Mal abgesehen davon, dass dieses wunderschöne eigene Land für viele ziemlich unbezahlbar ist, wenn man nicht gerade Ferien im Stroh verbringen will. Mal eine Zwischenfrage: Dauernd sagt man uns, dass uns Multikulti als Nation weiterbringt. Dass wir daran wachsen, wenn möglichst viele verschiedene Kulturen unser Land bereichern. Aber wenn wir selbst mal irgendwo anders hinfahren wollen, ist das des Teufels?

Unsere Herbstferien waren in Wien vorgesehen. Eine tolle Stadt. Und nicht wirklich eine sehr exotische Destination. Nun setzt das Bundesamt für Gesundheit das Bundesland Wien urplötzlich auf die berüchtigte «Risikoliste». Wer dorthin fährt, wird danach für zehn Tage hinter Schloss und Riegel gesetzt. In der eigenen Wohnung.

Worauf das beruht? Auf Fallzahlen, von denen wir alle längst wissen, dass sie ein reiner Witz sind. Zum einen hängen sie direkt mit der Anzahl Tests zusammen. Wer mehr testet, kann stolz mehr Fallzahlen präsentieren. Das ist nicht überall der Fall. Wir könnten zum Beispiel stattdessen nach Burkina Faso reisen. Das Land ist nicht auf der Risikoliste. Weil es weniger Coronafälle gibt? Aber natürlich, keine Frage. Oder doch, eine einzige Frage: Wer testet denn dort bitte? Wer hat einen blassen Schimmer, wie stark Burkina Faso betroffen ist? Es gibt dort nichts, was entfernt an eine geordnete Infrastruktur erinnert, aber in Sachen Corona hat Burkina Faso sicher die Nase vorn. Dafür gibt es vermutlich eine schöne Anzahl anderer gefährlicher Dinge, die wir nach Hause schleppen könnten, wenn wir von dort zurückkommen. Aber die interessieren derzeit keinen. «Oh, Sie haben Ebola eingefangen und werden derzeit gerade von innen zerfressen? Kein Problem, Burkina Faso ist nicht auf der Risikoliste - willkommen zuhause!»

Es ist, bringen wir es auf einen Nenner, reine Willkür. Österreich befindet sich ganz allgemein in einem Corona-Hysterietaumel, angeheizt von einer Regierung, die wild entschlossen ist, der eigenen Bevölkerung Angst zu machen und möglichst viele Schutzmassnahmen durchzusetzen. Entsprechend sehen die rapportierten Fallzahlen aus. Die Regierung von Burkina Faso sieht das entspannter. Und deshalb könnten wir auch problemlos dort hin fahren.

Also werden die Ferien in Wien storniert. Theoretisch mit Rückerstattung, weil die Schweiz das Bundesland Wien auf diese Liste gesetzt hat. Es hängt allerdings von den konkreten Buchungsbedingungen ab. Dass Geld zurückkommt und wie viel: Sehr relativ. Schreiben wir eben rund 1000 Franken ab, weil das jemand beim BAG völlig in Ordnung findet.

Aber die nächste Frage: Wo soll man neu buchen? In einem Land, das ein chronisch unterbeschäftigter Verwaltungsangestellter in Bern dann kurz danach auch auf die Risikoliste setzt, weil er sowieso nur nach Interlaken will in den kommenden Ferien und es ihm eigentlich egal sein kann? Gibt es das? Wir wissen ja nicht, was er nächste Woche gerade tun will, der gute Mann oder die gute Frau.

Um sicherzugehen, kann man natürlich doch Ferien im eigenen Land buchen. Zum Beispiel die Westschweiz mal kennenlernen. Aber Moment mal: Gibt es nicht Länder, die genau dort ein Problem orten? Die Belgier beispielsweise wollen nicht, dass ihre Landsleute nach Genf fahren. Zu gefährlich! Aber wir dürfen? Obwohl dort offenbar ein echter Corona-Hotspot wartet? Werden konsequent nur Belgier in Genf angesteckt, wir Schweizer sind aber immun?

Das alles ist so absurd, so abwegig, dass einem die Worte fehlen. Schlimmer ist eigentlich nur, dass die breite Masse mitspielt. Dass sie mitträgt, was uns aus Bern verordnet wird, Stornokosten inbegriffen. Dass es immer noch Leute gibt, die lieber auf andere losgehen, die ohne Maske Zug fahren statt mal die Frage zu stellen: Was macht man hier eigentlich mit uns? Macht das alles noch einen Sinn?

Tut es natürlich nicht. Aber solange die Herde brav weiter trabt, ist es in Ordnung. Innerhalb weniger Monate sind wir vom Hort der Unabhängigkeit zu einem Volk in Fesseln geworden.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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