Felix Blume alias Kollegah. (Cartoon: Stefan Tobler)
Der Gangsterrapper Kollegah heisst mit richtigem Namen sehr harmlos. Und so sollten wir ihn künftig auch nennen.
Felix Blume, ein Name, den man sich merken muss. Besser bekannt ist er unter dem Künstlernamen Kollegah, seines Zeichnens Porno- und Gangsterrapper der gröberen Art.
Meine Schüler, alle zwischen 14 und 15 Jahre, kriegen sich vor Freude kaum ein. Endlich einer, der’s dem Establishment mal zeigt, und zwar so richtig - eine Kunst, die im Zuge der pädagogischen Reform, welche die Kids zu «echten Partnern», aus den «Schülern» «Lernende» und aus den «Lehrern» «Lerncoaches» macht, verloren gegangen ist. Eine Reform, die aus den Jugendlichen am liebsten gelehrige Wissens-Konsumenten machen würde, sei es im Rahmen eines nie enden wollenden Kompetenzerwerbs, sei es im kritiklosen herunterbeten irgendwelcher Sach- und Fachmodelle: Hinterfrage nichts in seinen Grundfesten, sondern nur so weit, wie es deine analytischen Fähigkeiten untermauert! Jugendliche, die nicht mehr mit Visionen ausgestattet sind, viel mehr mit dem Kalkül eines wohlüberlegten Karrieristen. Und jetzt kommt da einer und scheisst dem System so richtig ins Ohr!
Dass Felix Blumes Provokationen auch nur «berechnend» sind, spielt für die Kids keine Rolle, und ganz ehrlich, das hätte es für mich damals auch nicht. Schliesslich sind die Verkaufszahlen mehr als beeindruckend: Das Album JBG3 ging rund 185’000 mal über den Ladentisch, dies bedeutet einen Umsatz von gut 5 Millionen Euro!
Vor zwei Wochen erhielt Felix Blume zusammen mit seinem Bro, Farid Hamed El Abdellaoui (Farid Bang) gar den ECHO, den wohl angesagtesten Publikumspreis überhaupt!
Natürlich gehört die Abgrenzung gegenüber dem Establishment zur gesunden Entwicklung eines Jugendlichen; und nicht selten erfolgt diese Abgrenzung durch Provokationen, wie sie in Felix Blumes gewaltverherrlichenden, antisemitischen Texten vorkommen. Letztlich wirft die ganze Sache aber ein schlechtes Bild auf unsere sogenannte «freie Gesellschaft» - eine Gesellschaft, in der es in den letzten 20 Jahren aufgrund der Political Correctness und der Konventionen immer schwieriger geworden ist, seine Meinung zu sagen. Schulen, die den Jugendlichen, mit einer beinahe inflationären Anzahl von Feedbacks und Evaluationen, ihre Sprache nehmen. Oder was soll ich davon halten, wenn jeder «Lernende» mit einem Minimum an Weitblick bei Fragebögen seine Kreuze nur noch in der Mitte setzt, «weil man sonst noch darüber diskutieren muss…»?
Felix Blume alias Kollegah. (Cartoon: Stefan Tobler)
Felix Blume diskutiert nicht, Felix Blume spricht aus: und zwar Klartext! Felix Blume ist die Antwort, die logische Konsequenz auf die beschriebene Entwicklung, die Strafe, die wir alle verdient haben!
Sprechen wir also Klartext, nennen wir die Dinge beim Namen: «Kollegah» heisst in Wirklichkeit Felix Blume, er ist kein Ghetto-Kid, sondern ein Absolvent des Herzog-Johann-Gymnasiums, ein wohlstandsverwahrloster Egomane, dessen Mutter ihm wahrscheinlich zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, oder den Schnuller verweigert hat, sonst müsste er nicht so tun. Felix Blume studiert Jura und wird sich, wenn sich der Hype um seine Person gelegt hat, um eine Stelle als Jurist bewerben müssen, und dann sollen die Kanzleien und Gerichte unbedingt wissen, wen sie da vor sich haben – einen antisemitischen Profilierungsneurotiker, der eine mögliche Karriere als Rechtsanwalt dem schnellen Erfolg als Porno-Rapper geopfert hat.
Ich empfehle jedem, in Zukunft auf die Bezeichnung Kollegah zu verzichten und stattdessen von Felix Blume zu sprechen - ein schöner Name, für einen Gangsterrapper, finden Sie nicht auch? Sprechen Sie auch Klartext gegenüber den Jugendlichen, sie brauchen und wollen dies. Hinterfragen sie gesellschaftliche Entwicklungen und Modelle, auch in ihren Grundfesten, erst Recht, wenn Sie im Bildungswesen tätig sind. Geben sie der Jugend die Möglichkeit, Kritik zu äussern, ohne gleich an die Folgen denken zu müssen. Geben Sie ihnen vor allem keine vorgedruckten Fragebögen. Lassen Sie sie selber schreiben, damit sie eine Sprache entwickeln, die sich von JBG3 abhebt, und Felix Blume ist in jedem Fall ein Name, den man sich merken muss!
Stefan Tobler (*1967) ist Sekundarlehrer, Comiczeichner und Cartoonist. Er wohnt in St.Gallen.
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