Bis vor kurzem konnte man sich zuhause per Videocall selbst auf Corona testen und erhielt danach das Zertifikat. Damit ist für den Moment Schluss: Das Bundesamt für Gesundheit hält das nicht für zulässig. Es dürfte aber schwer sein, das rechtlich sauber zu belegen.
Die Idee war simpel, die Umsetzung durchaus anspruchsvoll. Aber nach getaner Arbeit sah es für alle Beteiligten danach aus, dass sie einen grossen Wurf gelandet hatten. Das mühselige Warten vor einem Testcenter sollte der Vergangenheit angehören, indem man sich virtuell selbst testet – aber nicht allein.
Dass Verfahren in Kürze: In der Apotheke einen Antigen-Schnelltest holen (bis vor Kurzem sogar gratis), zuhause sich selbst via begleitetem Videomeeting testen und bei negativem Testergebnis schon bald ein Zertifikat erhalten. Und das Ganze für sehr viel weniger Geld als in Testzentren oder bei der Apotheke.
Dieses Angebot gab es bis vor Kurzem unter www.coronatestonline.ch. Einer der Initianten ist Bruno Aregger. Auf die Idee gekommen war er, nachdem er sich für einen Anlass, an dem er als Redner gebucht war, testen lassen musste. «Es war ein Spiessrutenlaufen und eine ewige Warterei von der Onlinereservation bis zum Test und danach dem Zertifikat», erinnert sich Aregger. Er fand: Das müsste einfacher möglich sein.
Von der deutschen App in die Schweizer
Innerhalb von zehn Tagen realisierte er zusammen mit Partnern die Lösung. Kunden erhielten nach Bezahlung von zuletzt knapp 20 Franken einen Link zu einem Videomeeting und testeten sich vor der Kamera unter Aufsicht selbst. Nach dem negativen Resultat folgte das EU-Covidzertifikat. Dieses lässt sich in die Schweizer App übertragen – erledigt.
Das neue Angebot verbreitete sich schnell, die Bestellungen schossen bald in die Höhe. Aufgrund des aufwändigen Verfahrens mit diversen Partnern und dem tiefen Preis war es aber kaum eine Goldgrube.
Doch damit ist es für den Moment vorbei. Seit einigen Tagen meldet die Webseite: «Kein Verkauf, sorry». Denn am 7. Oktober hat das Bundesamt für Gesundheit die Betreiber, die Aregger & Partner AG in Ebikon, aufgefordert, den Service einzustellen und bis zum 15. Oktober Stellung zu beziehen. Das hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit seinen Anwälten gemacht. Der Schriftwechsel liegt dem «Die Ostschweiz» vor.
«Weder Tests durchgeführt noch Zertifikate ausgestellt»
Das Bundesamt führt in seinem Schreiben aus, dass in der Schweiz nur Fachpersonen oder spezialisierte Einrichtungen Analysen zur Feststellung von übertragbaren Krankheiten durchführen dürfen. Nachdem coronatestonline.ch nach der Intervention des BAG das Angebot eingefroren hatte, berichteten diverse Medien darüber und vermischten munter die Sachverhalte. Der Luzerner Firma wurde mehr oder weniger direkt vorgeworfen, Tests durchzuführen und Zertifikate auszustellen – was sie nicht dürfe.
«Das haben wir auch zu keinem Zeitpunkt getan», sagt Bruno Aregger. Das Testprozedere vor der Kamera sei von dafür zertifizierten Partnern durchgeführt worden, ebenso das Ausstellen des Zertifikats. Dass es sich dabei um dasjenige für den EU-Raum handelt, sei unerheblich. «Das BAG hat mehrfach bestätigt, dass die beiden Zertifikate kompatibel sind.» Alles andere wäre auch schwierig, denn es würde heissen, dass Touristen aus der EU in der Schweiz vor geschlossenen Restauranttüren stehen.
Reine Vermittlerrolle
Das Verfahren beinhaltet also einige Umwege, bis man im Besitz des benötigten Zertifikats ist, doch die einzelnen Schritte scheinen alle dem Recht standzuhalten. Bruno Aregger vergleicht sein Angebot mit solchen aus anderen Bereichen, die wir alle kennen und nutzen wie beispielsweise Plattformen zur Reisevermittlung. Wer über Portale wie eBookers oder booking.com eine Reise bucht, geht keinen Vertrag mit der Plattform ein, sondern direkt mit dem Anbieter, also einem Hotelbetreiber oder einer Fluggesellschaft. Das Portal ist nur die Drehscheibe für die Vermittlung. Beim Online-Coronatest sei das ebenso: «Wir sind eine reine Handelsplattform und vermitteln nur zwischen den Kunden und den zertifizierten Testanbietern.»
Konkret erwirbt – oder besser: erwarb – der Kunde bei coronatestonline.ch einen Zugangscode und erhielt danach einen Link, über den er einen Testtermin buchen konnte. Aber das tat er nicht bei der Plattform, sondern bei einem der Partner. Mit allen weiteren Schritten hatte die Firma aus Ebikon nichts mehr zu tun: Der gesamte folgende Kontakt lief zwischen dem Testwilligen und dem Anbieter von Tests.
Das Vorgehen des BAG gegen die Vermittlerfirma ist also vergleichbar damit, dass man eBookers belangen würde, weil es keine Lizenz für den Betrieb einer Fluggesellschaft hat, aber trotzdem Flüge anbietet. Das tut sie aber eben gerade nicht, sie vernetzt nur Kunde und Anbieter.
Videodiagnostik in Deutschland zugelassen
Diverse Medien kümmerten sich nicht um solche Details und machten kurzen Prozess mit der Idee von Aregger und seinen Mitstreitern. Die Rede war von «Trickserei», immer wieder war zu lesen, die Firma biete unberechtigterweise Tests und Zertifikate an. Aregger dazu: «Das ist schlicht falsch, man konnte bei uns nie Tests kaufen und hat von uns auch nie Zertifikate erhalten.»
Doch auch die Arbeit der Partner steht aus seiner Sicht ausserhalb der Kritik. Denn ein Test müsse in Deutschland nicht zwingend von einer Fachperson vorgenommen werden, es reiche, wenn eine solche das Verfahren begleite – was im Rahmen des Videomeetings erfolgt. Das Videodiagnostikverfahren von Firmen wie den Partnern von coronatestonline.ch ist laut deren Angaben für die deutsche «CoronaWarnApp» sowie für die europäischen Applikationen ausdrücklich zugelassen.
Sogar die Lufthansa macht es
Doch es kommt noch besser. Unter dem Namen «TestiFly» betreibt die deutsche Lufthansa ein Portal, das genau das anbietet: Einen Covid19-Antigen-Schnelltest mit Zertifikat via Videocall. Stolz verkündet die Plattform beim Punkt FAQ: «Das zertifizierte Testergebnis ist gleichwertig mit dem eines Testzentrums vor Ort.»
Dass es in der Schweiz wirklich anders aussieht, wie das BAG schreibt, ist sehr fraglich. Denn es gibt nach wie vor Videotests in der Schweiz. Verschiedene Ärzte und eine Apothekengruppe bieten sie an und blieben vom BAG bisher offenbar unbehelligt. Wenn eine «Fernüberwachung» beim Selbsttest grundsätzlich nicht zugelassen ist, dürfte sie das auch nicht sein, wenn ein Schweizer Arzt oder Apotheker auf der anderen Seite sitzt.
Vorteile auch für Unternehmen
Bruno Aregger will jedenfalls weiterkämpfen für seine Idee. Es gehe ihm dabei weniger um den wirtschaftlichen Schaden als darum, wie sein Angebot das Leben vieler Leute leichter gemacht habe. In vielen Rückmeldungen seien sie als «Robin Hood» oder «Wilhelm Tell» bezeichnet worden. Gerade für Firmen sei das Angebot sehr praktisch gewesen. Aregger nennt das Beispiel einer Firma, deren Monteure für die Arbeit in öffentlichen Gebäuden ein Zertifikat benötigten. Vor der Online-Testmöglichkeit mussten sie Testtermine suchen, zum Testzentrum fahren, in der Schlange anstehen und zurückfahren – alles Arbeitszeitverlust. Per Videomeeting hingegen liess sich das am Morgen vor der Arbeit schnell erledigen.
Derzeit liegt die Stellungnahme der Aregger & Partner AG beim Bundesamt für Gesundheit. Bruno Aregger befürchtet, dass es das BAG mit der Behandlung nicht sehr eilig haben wird.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.