Vorher: Das Werk des Rheintaler Künstlers Kuspi.
Der Rheintaler Künstler Kurt Spirig alias Kuspi ist ausser sich. Wo einst ein Bild von ihm an einer Fassade prangte, hängt nun Werbung für eine Pizzeria. Schuld daran sollen albanische Nachbarn sein, die seit langem gegen Kuspis Werk anrannten.
Kurt Spirig ist im Rheintal als bunter Hund im positiven Sinn bekannt. Kuspi 020 (er benennt sich nach dem jeweiligen Jahrgang immer um), wie sein aktueller Künstlername lautet, ist interdiszplinär tätig. Er malt, er bearbeitet Holz, Stahl, was auch immer ihm unter die Finger kommt. Und er schreibt auch. Sein neuestes Werk: Ein «offener Brief», datiert vom 1. Mai 2020.
Der Titel des Briefs: «Islamis erpressen Italiener Schweizer Kunstwerk abzudecken!»
Um was geht es? 2005 entstand Kuspis Wandölbild «Entstehung der Gefühle». Zehn Jahre später, 2015, fand das Werk einen Platz, der viel Aufmerksamkeit versprach: Die Fassade an einem Neubau einer Pizzeria in Diepoldsau. Deren Inhaber hatten dem Künstler das Recht gegeben, es dort anzubringen.
Vorher: Das Werk des Rheintaler Künstlers Kuspi.
Unübersehbar war es ab dann in seinem Dimensionen von 2,5 auf 5 Metern. Das Bild sei auf grossen Anklang gestossen bei der Bevölkerung, er habe viele Komplimente erhalten, so Kuspi. Bis vor kurzem. Denn statt einem Wandölbild prangt nun etwas anderes an der Fassade. Ein Werbeplakat für die Pizzeria. Oder eigentlich eher ein Hinweisschild darauf, was sich in diesem Gebäude befindet:
Der Künstler ist ausser sich. Und er weiss auch, wer dahinter steckt. Offensichtlich waren eben doch nicht alle begeistert von seinem Werk. Ganz konkret, und nun Originalzitat Kuspi, «wohnen gegenüber Albaner Moslems in einem Wohnblock, und diese führten scheinbar Gespräche mit den Italienern und kritisierten das Bild aufs Schärfste.»
Das sei fünf Jahre lang so gegangen, nun hat die Opposition offenbar Früchte getragen. Der Rheintaler sagt, er sei sofort zur Inhaberfamilie der Pizzeria gegangen und habe sie gefragt, was hier passiert sei. Sie hätten eingeschüchtert gewirkt, so Kuspi, und gesagt, sie wollten «einfach ihren Frieden haben.» Ausserdem hätten die albanischen Nachbarn deutlich gemacht, dass der Pizzeria die Benützung ihrer Parkplätze verboten werde, wenn das Bild nicht verschwinde. «Das ist für mich klare Erpressung», so Kuspi.
Danach: Werbung für die Pizzeria.
In seinem offenen Brief hofft der Schöpfer des Werks, dass ihm die Öffentlichkeit oder die Behörden helfen, dass sein Bild wieder auftaucht - mit entsprechendem Druck. «Entstehung der Gefühle» sei noch im Teilbesitz von ihm, deshalb habe er ein «Anrecht auf würdige Platzierung.» Zudem befürchtet Kuspi, dass das Bild durch die darüber angebrachte Werbung zerstört sein könnte - je nachdem, wie diese befestigt wurde. Und weiter: «Es kann doch nicht sein das Schweizer Kulturgut hinter einer Pizzawerbung vergammelt?»
Kuspi wäre nicht Kuspi, wenn er nicht noch deutlich würde. Er sehe vor, «mit der Hellebarde mein Werk vor Ort zu verteidigen und mich gegen ausländische Zensur zu wehren!» Dazu kommt, dass sich ein ähnlicher Fall schon 2009 in Glarus ereignete. Damals ärgerte sich ein Nachbar des Kunsthaus Glarus über die Skulptur «Das persönliche Glück». Die dort aufgehängten Männerbüsten würden ihn an Mussolini erinnern, so der Nachbar.
Die Organisatoren der «Sculptura Glarus» entfernten laut Kuspi noch vor der Vernissage die Hälfte der Skulptur. Auch damals demonstrierte der Rheintaler mit einer Hellebarde, aber die bewusste Hälfte sei bis heute verschwunden geblieben.
Fortsetzung folgt vermutlich…
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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